Zwei Häuser mit 50 Bewohnern aus sieben verschiedenen Herkunftsländern – das ist das Hoffnungshaus Liebenzell. Inzwischen wohnen wir seit einem Jahr zusammen und teilen unseren Alltag miteinander. Wie solch ein integratives Wohnprojekt aussehen kann, davon möchte ich hier berichten.
Das Hoffnungshaus Liebenzell, von uns liebevoll HoLi genannt, ist eine Initiative der Hoffnungsträgerstiftung. Die Liebenzeller Mission hat als Partner die Leitung des Projekts übernommen. Geflüchtete und Deutsche leben hier unter einem Dach. Das Ziel des Hoffnungshauses ist es, dass Geflüchtete eine neue Heimat finden und bei der gesellschaftlichen Integration unterstützt werden. Darüber hinaus, ist es unser Wunsch, dass aus Fremden Freunde werden und die Bewohner neue Hoffnung schöpfen dürfen.
Alltag im HoLi
Am Donnerstag ist wieder Bewohnerabend. Einmal im Monat findet er im Gemeinschaftsraum statt. Hier kommen alle Bewohner zusammen. Jeder bringt etwas zu Essen mit und anschließend gibt es noch ein kleines Programm, wie zum Beispiel ein Spiel oder einen Input zu kulturellen Themen. Ich empfinde den Bewohnerabend als sehr wertvoll für unser Zusammenleben. Er ist eine Plattform für Begegnung und Austausch. Hier können wir Beziehungen zueinander aufbauen und vertiefen.
Neben dem Bewohnerabend gibt es auch andere Angebote, an denen die Bewohner teilnehmen können. Meine Mitbewohnerin und ich bieten regelmäßig Nachhilfe und Hausaufgabenbetreuung an. Einige Geflüchtete haben inzwischen eine Ausbildung gefunden und benötigen noch Unterstützung bei der Bewältigung der Schulaufgaben.
Feiertage und christliche Feste gehören zu einem Leben in Deutschland und so wollen wir auch in diesem Punkt Integration ermöglichen. Bald ist Ostern. Letztes Jahr haben wir gemeinsam Eier gefärbt und bemalt. Auch dieses Jahr werden wir die Osterzeit wieder gestalten. Natürlich haben wir unsere muslimischen Mitbewohner am Ende des Fastenmonat Ramadan ebenfalls besucht und mit ihnen zusammen das Zuckerfest gefeiert.
Alltag im HoLi heißt für mich auch oft, einfach die Geflüchteten zu besuchen. Das geht ziemlich leicht, denn sobald man an ihrer Türe klingelt, wird man sofort hineingebeten und bekommt gleich einen Tee angeboten. Die Offenheit und Gastfreundschaft von unseren syrischen, irakischen und afghanischen Nachbarn habe ich sehr zu schätzen gelernt. Als Deutsche bin ich es eher gewöhnt, mich mit Freunden zu verabreden. Bei unseren geflüchteten Mitbewohnern ist man fast immer willkommen, auch ohne Termin. Wir unterhalten uns dann, lernen manchmal Deutsch oder ich werde gefragt, ob ich den Inhalt des neu erhaltenen Briefes vom Jobcenter erklären kann. Mit einigen Mädels im Teenageralter haben meine WG und ich auch schon gemütliche Filmabende veranstaltet.
Schön ist auch, dass wir uns gegenseitig unterstützen, wenn wir Hilfe brauchen. Als eine junge afrikanische Frau vor einigen Monaten ihr Baby bekam, kümmerte sich ihre irakische Nachbarin rührend um sie und brachte ihr Essen vorbei.
Mein persönliches Fazit
Ich wohne sehr gerne im Hoffnungshaus. Für mich persönlich sind tatsächlich aus Fremden Freunde geworden. Ich fühle mich dort zuhause und genieße es, Zeit mit den Geflüchteten zu verbringen. Ich finde es spannend und bereichernd ihre Lebensgeschichten zu hören. Gleichzeitig freut es mich mitzuerleben, wie sie Fortschritte im Hinblick auf ihre Integration machen. Da ist unsere afghanische Nachbarin, die schon etwas älter ist und zu Beginn ihres Einzuges noch kein Wort Deutsch sprach. Inzwischen begrüßt sie mich jedes Mal mit “Hallo. Wie geht’s?”, wenn wir uns im Treppenhaus begegnen.
Ich bin mir durch das Kennenlernen anderer Kulturen bewusster geworden, wo ich “typisch” Deutsch denke oder handle. Das interkulturelle Zusammenleben hat mich sensibler gemacht für den Umgang mit den verschiedensten Menschen. Ich merke, dass ich Syrer nicht gleich Syrer ist und Afghane nicht gleich Afghane, genauso wenig wie wir Deutschen alle gleich ticken. Es gilt, sich auf jeden Einzelnen einzustellen und herauszufinden, wie man mit ihm umgeht. Stereotypen können manchmal hilfreich sein, um gewisse andere Verhaltensweisen besser verstehen können, aber sie sollten nicht dazu führen, Menschen in Schubladen zu stecken, aus denen sie nur schwer wieder herauskommen.
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