Christen feiern an Weihnachten, dass Gottes Wort Mensch wird. Was bedeutet das eigentlich? Unser Autor Benedikt geht mit dem berühmten Lied „Stille Nacht“ auf eine Spurensuche.
Für viele Menschen ist Weihnachten ohne „Stille Nacht“ kaum vorstellbar. Das weltberühmte Lied ist unverzichtbar geworden und beschließt viele christliche Gottesdienste in der Heiligen Nacht. Auch zu Hause singen viele Menschen das Lied – gerne und alle Jahre wieder. 2018 jährt sich die Uraufführung des Kirchenliedes zum zweihundertsten Mal. Was sagt das Lied eigentlich? Wie passt der Text zum Weihnachtsfest?
Idylle an Weihnachten?
„Alles schläft, einsam wacht nur das traute hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, schlaf in himmlischer Ruh!“ Diese Strophe scheint erstmal so gar nicht zu den Geschehnissen der Geburt Jesu zu passen. Vor den Augen entwickelt sich eine Idylle. Weit gefehlt. Der Evangelist Lukas berichtet, die heilige Familie muss ihr Kind weit entfernt von der Heimat auf die Welt bringen. Eine Volkszählung des Kaisers Augustus habe Joseph und mit ihm seine hochschwangere Frau in die Stadt Bethlehem getrieben. Dort sind die Herbergen besetzt, die junge Familie findet kein Fremdenzimmer. Die Tradition der westlichen Kirche sieht die junge Familien in einem Stall, im Osten vermutet man eher, Maria, Joseph und Jesus haben in einer Höhle Unterschlupf gefunden.
Das Tor zur Welt: Armut
Eine Tatsache bleibt: Es sind ärmliche Umstände, unter denen Jesus geboren wird. Kein Palast, kein weltlicher Pomp, sondern eine notdürftige Unterkunft vor den Toren der Stadt. Der Wille Gottes bleibt den Menschen verborgen. Er will, dass sein ewiges Wort Mensch wird, dass sein Sohn Mensch wird. Die vorgesehene Szenerie steckt den Knaben direkt an den Rand der Gesellschaft – dorthin, wo er später so oft gehen wird. Jesus ist der Messias vor allem für die Armen und Kranken, die Sünder und Verlorenen. Dieser entscheidende Wesenszug seiner Mission ist schon in der Geburt vorgezeichnet.
„Hirten erst kundgemacht, durch der Engel Halleluja tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter ist da“, geht das Stille-Nacht-Lied weiter. Die Hirten sind die ersten Zeugen der Geburt Jesu. Ihnen erscheint auf dem Feld ein Engel, der verkündet: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“ Diese wenige Worten umfassen einen ganz wesentlichen Teil des christlichen Glaubensbekenntnisses: Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist der Retter der Welt.
Die ersten Zeugen: Arme
Und wieder beherrscht Armut diese Szenerie. Hirten sind arme Menschen, die oft einsam gelebt haben dürften. Aber Hirten sind auch wachsame Menschen, die auf ihre Herde achtgeben müssen. Später wird Jesus sagen: „Ich bin der gute Hirte.“ Mit diesem Bild zeigt er seine liebende Fürsorge für die Menschen. Passenderweise sind die Hirten die ersten an der Krippe. Sie sind Gottes große Liebe: die Armen, alle, die mit Füßen getreten werden. Für sie – und auch für alle anderen – ist Jesus der liebende Hirte, der auch nur einem einzigen verlorenen Schaf nachsteigt und es retten will.
Die paradoxe Botschaft von Weihnachten
„Gottes Sohn, o wie lacht, Lieb aus deinem göttlichen Mund, da uns schlägt die rettende Stunde, Christ, in deiner Geburt.“ Oft überliest man, wie paradox dieser Satz doch eigentlich klingen muss. „Sohn“ kann von Jesus gesagt werden. Ein sehr menschlicher Begriff! Jeder ist Sohn, jede ist Tochter. Dieses Schicksal will auch der Sohn Gottes teilen. Er wird Mensch, teilt das menschliche Leben bis zum grausamen Tod am Kreuz. Und gleichzeitig: Jesu Mund ist „göttlich“. Jesus ist, wie das Konzil von Nizäa später formulieren wird, „Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott vom wahren Gott.“ Wahrer Mensch und wahrer Gott – beides gleichzeitig. Über diese Botschaft denken Christen seit zwei Jahrtausenden nach. Die tröstende Botschaft, die das „Stille Nacht“ auch in diesem Jahr wieder verkünden wird: Christus, der Retter ist da!
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