Früher war es noch ein Privileg der Gebildeten, heute ein vergessener Zeitvertreib der Massen. Wer liest heutzutage eigentlich noch regelmäßig? Ein Plädoyer für das Buch.

Ich komme aus einer Familie der Leseratten; mir wurde die Liebe für Bücher sozusagen mit in die Wiege gelegt. Mittlerweile ist das alte Kinderzimmer meines Bruders eine Bibliothek geworden und es gibt kaum einen Raum im Haus meiner Eltern, in dem man keine Bücher findet. Auch meinen engsten Freunden geht es ähnlich, doch außerhalb meines engeren Freundeskreises sind die begeisterten Leser rar.
Ich merke an mir selbst, dass ich immer weniger lese. Wenn ich mir überlege, dass es Urlaube gab, in denen ich innerhalb von 14 Tagen auch 14 Bücher gelesen habe, sieht das heutzutage ganz anders aus. Ich bin froh, wenn ich pro Woche ein Buch lese – und das ist verhältnismäßig noch verdammt viel. Von anderen werden zehn Bücher im Jahr schon als viel angesehen, doch letztendlich ist das weniger als ein Buch pro Monat – mir erscheint das furchtbar wenig.
Faust – Die Tragödie in der Oberstufe
Doch tatsächlich besitze ich mehrere Bücherregale voll mit Büchern, sowohl bei meinen Eltern daheim als auch in meiner eigenen Wohnung. Schon immer halfen mir Bücher dabei, einfach mal den Kopf auszuschalten. Indem ich mich in einer anderen Welt verlor, vergaß ich für einige Stunden meine eigenen Sorgen. Vielleicht ist genau das aber ein Problem für viele – Lesen fordert nun einmal Konzentration, die man von der Kindheit an trainieren muss. Wenn Eltern aufhören, ihren Kindern das Lesen nahezulegen, wird die Schule zur einzigen möglichen Quelle der Leseförderung.
Aber warum auch nicht? Immerhin ist die Schule genau dafür da. Lesen wird in jedem Schuljahr zunehmender vorgeschrieben. Doch es scheint, dass die alten Klassiker von Goethe, Schiller und ihren Kollegen eher abschrecken, als Lust auf mehr zu machen. Kein Wunder eigentlich, denn Faust, die Pflichtlektüre für alle bayrischen Abiturienten, ist auch kein einfacher Schmöker; es ist nichts für eine Gute-Nacht-Geschichte vor dem Einschlafen. Ich selbst bin eine der wenigen, die Faust tatsächlich gelesen hat – im Nachhinein war es aber eine Zeitverschwendung. Es soll zwar intellektuell wertvoll sein, einen solch imposanten Klassiker gelesen zu haben, doch ohne Vorinformationen verstand ich das im Blankvers geschriebene Drama gar nicht. Als wir es dann später im Unterricht besprachen, merkte ich erst, wie viel ich falsch verstanden hatte. Die Stunden, die ich damit zubrachte, mich durch das gelbe Reclam-Heft zu quälen, hätte ich mir also sparen können.
Das Problem bei der ganzen Sache ist lediglich, dass Literatur nicht mehr dasselbe ist, wie zu Zeiten von Goethe. Ein zeitgenössisches Werk komplett im Blankvers geschrieben findet man höchstens noch im englischen Kulturraum. Wäre meine einzige Quelle für die Begeisterung zum Lesen also die Schule gewesen, wäre ich heute wohl eine der vielen, die nur lesen, wenn sie müssen.
Internet und Fantasie – ein Konkurrenzkampf
Bücher waren für mich nicht nur eine Art Auszeit, sondern auch in meiner Erziehung und Entwicklung unglaublich wichtig. Ich bin überzeugt, dass ein großer Teil meiner lebendigen Fantasie und Kreativität darauf zurück zu führen ist, dass ich von klein auf viel gelesen habe. Das sind Fähigkeiten, die auch heutzutage im Berufsleben immer mehr gefragt sind. Zu fragen, „warum eigentlich nicht?“, anstatt einfach aufzugeben, wird geschätzt und innovative Ideen werden gesucht; auch wenn jeder dank des World Wide Webs schon alles gesehen hat.
Ironischerweise scheint gerade das Internet ein Grund dafür zu sein, weshalb so wenige heutzutage noch lesen; wer hat heute noch Interesse an einem Buch, wenn der Rest der Welt mit nur einem Mausklick entfernt ist? Wir Jugendliche, ich zähle mich hier sehr wohl dazu, verbringen unsere Zeit lieber auf Facebook, Youtube, Twitter und was es sonst noch so gibt. Dadurch haben wir alles, was man möglicherweise wissen kann oder will, immer in unseren Händen oder mindestens griffbereit. Mit den richtigen Stichworten findet Google alles. Anstatt also ein Buch zu lesen, googeln wir lieber die Zusammenfassung oder warten einfach auf die Verfilmung im Kino.
Die eigene Fantasie wird damit begraben, Nachdenken ist nicht mehr Pflicht und Bücher, tja, die werden dann zur Ausschussware. Dabei bieten sie genau das, was wir doch alle so dringend möchten aber auch brauchen: unbegrenzte Möglichkeiten und uneingeschränkte Freiheit außerhalb der eigenen Realität. Denn wie Albert Einstein schon so schön sagte, „Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“
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