Was sich schon einige Zeit abgezeichnet hat, ist nun Realität: Vital Heynen, der Bundestrainer der deutschen Volleyballer, legt zum Ende seines Vertrages im September diesen Jahres sein Amt nieder. In seiner Stellungnahme via Twitter heißt es: „auch alles Schöne geht einmal zu Ende“.

Heynen steht im deutschen Herrenvolleyball für eine Ära, in der er eine hochveranlagte Mannschaft zu einem der besten Teams der Welt formte. Der Belgier, der stets gute Laune verbreitet und auch in Stresssituation immer für einen Scherz zu haben ist, ist bekannt für seine unkonventionellen Trainingsmethoden. Vor Turnieren schickt er seine Spieler bevorzugt zu Überlebenstrainings oder ins Kloster, statt in den Kraftraum oder in die Halle. Er ist ein Motivator, der den Sport liebt und lebt, und der ein Team in allen Belangen hervorragend auf eine bevorstehende Aufgabe einstellen kann. Die erzielten Erfolge geben ihm Recht – ein Blick zurück.
Vor fast genau vier Jahren stellte der Deutsche Volleyball-Verband Heynen als Spitze eines neuen Trainerstabs ein. Damals fand Heynen eine talentierte Mannschaft vor, deren großes Ziel die Qualifikation für die in London stattfindenden olympischen Spiele war. Heynens Auftrag: sich für London qualifizieren, die Mannschaft weiterentwickeln. Die Qualifikation für die olympischen Spiele gelang. Beim Olympiaqualifikationsturnier in Berlin besiegte man den Favoriten aus Kuba in einem unfassbaren Krimi mit drei bis zwei Sätzen. Die Mannschaft legte unter der Führung des Belgiers gewissermaßen ihre erste Reifeprüfung ab, belegte am Ende einen guten tollen fünften Platz beim olympischen Turnier in London.
Von der grauen Maus zum Spitzenteam
Doch die größte Aufgabe wartete noch auf den neuen Bundestrainer. Mit Georg Grozer stand einer der weltbesten Diagonalangreifer, mit Ferdinand Tille und Markus Steuerwald gab es zwei der besten Liberos der Welt in der Mannschaft. Drumherum formierte sich ein hoffnungsvolles Team, allerdings fehlte ein Stück zur Weltklasse. Doch Vital Heynen schaffte innerhalb von kurzer Zeit das, was Vorgänger Lozano nicht schaffte: Er homogenisierte sein Team, formte aus den jungen Talenten Kampa, Kaliberda und Co Spieler mit Weltklasseformat. Der Druck konnte nun auf mehrere Schultern verteilt werden. So war es 2012 noch Georg Grozer, der die Kubaner mit 35 (!!!) Punkten quasi im Alleingang besiegte. Ein Jahr später war beispielsweise auch ein Dennis Kaliberda dazu fähig, in diese Rolle zu schlüpfen. Im Laufe der Zeit sollte dies auch weiteren Spielern gelingen.
Die Europameisterschaft 2013: knapp 20 Monate war Heynen nun im Amt, der nächste Schritt sollte folgen. Die Vorrunde jedoch war denkbar schwer. Mit Angstgegner Bulgarien und Olympiasieger Russland hatte das Team gleich zwei Schwergewichte des Weltvolleyballs in der Gruppe. Mit drei Siegen marschierte das Team aber nahezu mühelos durch die Gruppe, scheiterte dann extrem unglücklich im Viertelfinale. Dennoch war es mit diesem Turnier gelungen, die Mannschaft komplett umzubauen (viele ältere Spieler verließen das Team, junge Spieler kamen dazu) und ihr einen Spielstil auf den Leib zu schneidern. Das variable Angriffsspiel des deutschen Teams in Verbindung mit einer stabilen Abwehr war geboren – dank Heynen.
Historische Weltmeisterschaft
Die Weltmeisterschaft 2014, sie wurde zur Krönung des Erfolgstrainers. Recht souverän überstand das Team die ersten drei Runden, und fand sich plötzlich im Halbfinale des Turniers gegen Gastgeber Polen wieder. Die erste WM-Medaille seit 1970, sie war zum greifen nah. Nach einer Niederlage im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister konnte Frankreich im „kleinen Finale“ glatt mit drei zu null bezwungen werden. Heynen „Projekt Deutschland“ – es hatte sein Ziel erreicht. Es war der Höhepunkt in Heynen Amtszeit. Aus einer durchschnittlichen Mannschaft mit überdurchschnittlich starken Spielern wurde eines der besten Teams der Welt.

Pech und mangelnde Unterstützung
Doch die logische Konsequenz, der Gewinn einer Medaille bei der Europameisterschaft 2015 in Italien und Bulgarien blieb aus, es kam zu ersten Unstimmigkeiten mit dem Verband. Heynen bemängelte die Arbeit des Verbandes im Nachwuchs, man sei nicht konsequent genug in der Förderung der jungen Spieler, schaffe es nicht, Talente so auszubilden, dass er sie in seine Mannschaft eingliedern könne. Außerdem wog der Rückzug des Teams aus der ersten Gruppe der Worldleague schwer, da man sich zwar sportlich qualifiziert hatte, der finanzielle Aufwand dem Verband aber wohl einen Strich durch die Rechnung machte. Im Zuge der gescheiterten Olympiabewerbung Hamburgs für die Spiele 2024 zeigte sich Heynen geschockt, die Sportlandschaft Deutschlands bestehe nur aus Fußball. Deutschland tue gut daran, auch andere Sportarten wertzuschätzen.
Das Mammuterbe
Letztendlich dürften das wohl die ausschlaggebenden Punkte für das nicht ganz so überraschende Ende des Erfolgstrainers beim DVV sein. Dass Deutschland noch vor wenigen Wochen in Berlin die Olympiaqualifikation verpasste, als man das Qualifikationsturnier mit einem vierten Platz hinter Weltmeister Polen, Europameister Frankreich und Olympiasieger Russland abschloss, passt dazu, dürfte die Entscheidung jedoch nicht entscheidend beeinflusst haben. So grotesk das klingt: das Turnier zeigte erneut, dass Heynen seinen Job, das Team in der Weltspitze zu etablieren, mit Erfolg gemeistert hat. Ein Ziel hat gibt es aber noch: bei der diesjährigen Weltliga will Heynen dem Team unbedingt zum Aufstieg in Gruppe 2 verhelfen. Bis zuletzt werde er „alles geben“, wird der Belgier zitiert. Ruft man bei Wikipedia den Artikel zur deutschen Volleyball-Nationalmannschaft der Herren auf, so findet sich in der Einleitung folgender Satz: „[…] Ihre bisher größten Erfolge waren der fünfte Platz bei den Olympischen Spielen 2012 und der dritte Rang bei der Weltmeisterschaft 2014 […]“ Erfolge, die Vital Heynen zu verdanken sind.
Die neue Herausforderung für den Belgier wartet nun in seiner Heimat auf ihn. Heynen wird das Nationalteam der Herren ab 2017 übernehmen. Seine Mission: Olympia 2020. Die Ausgangslage ist übrigens der bei Amtsantritt in Deutschland 2012 sehr ähnlich. Auch in Belgien findet Heynen ein hochveranlagtes Team rund um den Jungen Superstar Sam Deroo vor. Der älteste Spieler des Kernkaders ist mit 28 Jahren gerade im besten Sportleralter. Das Potential ist also da, auch in der Heimat Großes zu erreichen. Zuzutrauen ist dem Belgier der erneute Erfolg ohne Zweifel.
Schöner Artikel
Die Herren-Nationalmannschaft war in den letzten beiden Jahren endlich wieder einmal schön anzuschauen!