In der Bundesrepublik finden sich fast keine plattdeutschen Muttersprachler mehr. Doch es gab Zeiten, in denen diese charmant raue Sprache buchstäblich in aller Munde war. Heute kämpft sie jedoch gegen das zunehmende Vergessen.
Hoch im Norden Deutschlands gibt es eine Sprache, die so platt wie das Land dort ist. Wer die hügellosen Weiten des Nordens kennt, den wundert es nicht, dass man hier Plattdeutsch spricht. Wirklich aktiv gebraucht wird es allerdings nur noch in Ostfriesland, dem Emsland, im Elbe-Weser-Dreieck und im westlichen Schleswig-Holstein.
Zuerst muss natürlich geklärt werden, ob Plattdeutsch überhaupt eine eigene Sprache ist? Viele sehen es eher als einen Dialekt oder eine Mundart an. Nicht wenige Linguisten widersprechen jedoch an dieser Stelle: Das Platt- oder auch Niederdeutsche – wie es fachsprachlich genannt wird – hat einen eigenen Wortschatz und seine Grammatik weicht erheblich von der des Hochdeutschen ab. Zudem teilt sich das Plattdeutsche in weitere Dialekte auf, was für eine eigenständige Sprache typisch ist. Zu guter Letzt sei gesagt, dass auch die Bundesrepublik Deutschland Plattdeutsch als offizielle Minderheitensprache anerkennt.
Die lingua franca der Hanse
Vom 12. bis zum 16. Jahrhundert war das Plattdeutsche wahrlich eine internationale Sprache. In der ganzen damals bekannten Welt fanden sich Sprecher, die meisten auch zu dieser Zeit schon in Norddeutschland. Denn Plattdeutsch war die offizielle Handelssprache der Hanse. Die Sprache steckte damals noch ziemlich in ihren Anfängen und wird in der Fachwelt „Mittelniederdeutsch“ genannt. Als vermeintliche Hauptstadt der Hanse prägte seinerzeit Lübeck die Form des Plattdeutschen.
Der zunehmende Rückgang an Sprechern setzte akut um das Jahr 1815 ein. Ab dieser Zeit begann Preußen keine anderen Sprachen neben Hochdeutsch in seinem Staatsgebiet zu tolerieren. Die Bürokratisierung, der auf Hochdeutsch gehaltene Schulunterricht und die Massenmedien sorgten im 20. Jahrhundert für eine weitere Verdrängung des Plattdeutschen. Mittlerweile schätzt man die aktiven Sprecher in Deutschland zwischen zwei und vier Prozent der Bevölkerung. Der Anteil der Muttersprachler liegt noch einmal deutlich geringer. Allerdings gibt ein Viertel der deutschen Bevölkerung an, Passivsprecher zu sein. Das bedeutet, dass diese Menschen Plattdeutsch verstehen, es aber selbst nicht mehr sprechen.
Wie klingt Plattdeutsch?
Ein kleiner Sprachexkurs darf an dieser Stelle natürlich nicht fehlen. Werfen wir also einen genaueren Blick auf die vermeintliche Fremdsprache. Einige plattdeutsche Wörter sind ihren hochdeutschen Entsprechungen sehr ähnlich. Dies rührt daher, dass sie denselben Ursprung haben. Allerdings blieb das Plattdeutsche von der zweiten oder auch deutschen Lautverschiebung im Sechsten Jahrhundert unberührt. Wo ehemals ein „t“ gesprochen wurde, änderte sich der Laut zu „z“. Oder wo einst ein langes „i“ war, sprach man nun ein „ei“. So sagt man im Hochdeutschen „keine Zeit“, im Plattdeutschen dagegen „kien Tied“.
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Lautverschiebungen, aber natürlich auch ganz eigene plattdeutsche Wörter. Einige davon haben sogar Eingang ins Hochdeutsche gefunden. Das Wort „Fliese“ ist eigentlich plattdeutsch, wird aber freilich auch im Hochdeutschen für Kacheln verwandt. Die norddeutsche Bezeichnung „Mett“ für gehacktes Schweinefleisch finden wir im Hochdeutschen in der „Mettwurst“ vertreten. „Kniepen“ wurde aufgrund keines passenden eigenen Wortes zu „kneifen“ verhochdeutscht und „verrotten“ verwendet auch der Hochsprachler manchmal statt „verfaulen“.
Plattdeutsch zeugt von Heimatgefühl und Nähe
Die wenigen Regionen, in denen Hoch- und Plattdeutsch nebeneinander existieren, machen Hoffnung, dass dieses norddeutsche Kulturgut weiterhin bewahrt bleibt. Plattdeutsch ist wieder im Trend. Jugendliche sprechen es in ihrem Freundeskreis und auf der Arbeit ist gerade für ältere Kollegen das Plattdeutschsprechen fast ein Muss.
Da im Plattdeutschen zwar eine Höflichkeitsform existiert, diese aber fast nie Verwendung findet, wird durch den Gebrauch dieser Sprache automatisch Nähe aufgebaut. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich wird Plattdeutsch sehr geschätzt. So freut sich der Bauer, wenn der Landmaschinenmechaniker ihn auf Platt anspricht. Die Sprache trägt dabei zur Generationen- und sogar Völkerverständigung bei. In den deutsch-niederländischen Grenzregionen wird nämlich ein gemeinsames bzw. sehr ähnliches Plattdeutsch gesprochen. Es steht also gar nicht allzu schlecht um das Plattdeutsche. Es findet eine Rückbesinnung statt und junge Leute sind ebenfalls davon ergriffen, so frage auch ich auf Emslänner Platt: „Ik prot Platt, du ok?“
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