Vier Wochen, drei Klausuren – und jede Menge Stress. Aber muss das so sein? Klar, das Abitur ist eine Herausforderung. Nur warum nehmen manche Abiturienten ihre Abschlussklausuren auf die leichte Schulter und warum fallen andere in die Panik ihres Lebens? Eine Bestandsaufnahme von Pia Steckelbach.

Es ist der 18. März, für die meisten Schüler in NRW der letzte Schultag vor den Osterferien, für die Abiturienten ist es der allerletzte. Verabschiedung in der Schulaula, Autokorso und ausgelassene Stimmung. Wir feiern uns selbst schon jetzt, obwohl die eigentliche Aufgabe noch bevorsteht. Gut zwei Wochen bis zur ersten Klausur liegen vor uns. Wer noch nicht mit dem Pauken angefangen hat, sollte spätestens jetzt damit beginnen. Zwei Wochen, in denen wir Tagesablauf und Lernpensum selbst organisieren müssen. Eine völlig neue Situation, waren wir bisher an das strukturierte Schulleben gewöhnt. Ich kenne es nur zu gut von mir, dass mir in den Ferien schnell langweilig wird und ich mir selbst im Weg stehe.
Ich gehe mit einem mulmigen Gefühl in die Lernphase. Meine erste Klausur werde ich in Geschichte schreiben, dem Fach, das mir selbst am meisten bedeutet. Ich bekomme große Versagensängste und Selbstzweifel: Was mache ich, wenn ich gerade die Geschichtsklausur vermassele, wie stehe ich dann da? Ich lerne jedes Datum, das mir irgendwie wichtig erscheint, auswendig und verbringe Stunden damit, mir Videos auf Youtube mit Tipps für die Klausuren anzuschauen. Währenddessen knabbere ich mir vor Nervosität die Fingernägel ab und träume von merkwürdigen Dingen. Je näher das Datum der ersten Prüfung rückt, desto panischer werde ich. Währenddessen scheinen sich andere überhaupt keine Gedanken über ihr Abitur zu machen: „Ich mache mir da keinen Stress, das Abi ist doch wie jede andere Klausur auch.“
Minimaler Lernaufwand – maximale Coolness
Am Morgen vor der Klausur prahlen besonders die Herren aus dem Kurs damit, wie wenig sie bisher gelernt haben und versuchen sich gegenseitig zu überbieten: „Ich bin da ganz entspannt, habe mal ein bisschen gelernt.” Die Quellenauswahl im Geschichts-Abi ist ernüchternd, ich wähle einen Text zur Wiedervereinigung, obwohl ich mich dabei relativ unsicher fühle. Trotzdem, als die erste Abi-Klausur geschafft ist, stelle ich verwundert fest: So schlimm war es gar nicht! Als nächstes steht Englisch an, aber ich bin deutlich weniger aufgeregt als bei der ersten Prüfung. Danach habe ich genau eine Woche Zeit, um Bio zu lernen. Ökologie, Evolution, Neurobiologie und Genetik in sieben Tagen in den Kopf hämmern. Ich hätte früher anfangen sollen zu lernen, bemerke ich und ärgere mich über mich selbst. Vor der Bioklausur bin ich noch einmal richtig nervös. Als ich mit einer Freundin über ihre Erfahrungen spreche, bestätigt sie mir, dass ich nicht die einzige bin, die so fühlt: „Ich bin ein emotionales Wrack. Ich bin furchtbar launisch und fange bei jeder Kleinigkeit an zu weinen.“
Zerreißprobe Abitur
„An dem Tag vor einer Klausur hatte ich nach dem Lernen immer das Gefühl, ich weiß nichts mehr!“ Als wir uns im Freundeskreis über die vergangenen Wochen unterhalten, klagen besonders die Mädchen über Schlafprobleme und Reizbarkeit. Aber schlechte Laune, Müdigkeit und Angstanfälle sind jetzt erst einmal vorüber. Bis zur mündlichen Prüfung gönnen wir uns eine Pause von Büchern und Lernwebsites. Trotzdem frage ich mich: Habe ich mir zu viel Stress gemacht oder war es vielleicht sogar zu wenig für mich? Hätte die Bioklausur nicht besser laufen können, wenn ich mehr gelernt hätte? „Ich denke es ist ein Armutszeugnis für mich wenn ich das Abi nicht schaffe, deshalb besteht für mich erst gar nicht die Option zu scheitern. Wenn ich versage, habe ich es nicht verdient; aber ich weiß eben dass ich es verdiene, deshalb scheitere ich nicht“, so erklärt mir ein Freund seine Sichtweise als ich ihn auf mögliche Selbstzweifel anspreche.
Ein gesundes Ego und großes Vertrauen in sich selbst treffe ich meist bei den Jungs an, die ich zu ihren Erfahrungen befrage. Von Versagensängsten keine Spur. Mädchen hingegen scheinen die Klausuren physisch und psychisch zu belasten. Aber woran liegt das? Dass Mädchen generell unsicherer sind, ist doch ein veraltetes Klischee. Stehen sie vielleicht doch unter größerem Druck? Oder nehmen sie das Abitur einfach wichtiger als die Jungs? Einen gesunden Mittelweg zwischen zu viel Stress und zu wenig Engagement zu finden ist nicht leicht. Trotzdem fällt es mir schwer, zu glauben es liegt am Geschlecht, ob man eher selbstsicher oder selbstzweifelnd auftritt. Aber wie lassen sich die unterschiedlichen Herangehensweisen und Selbstwahrnehmungen erklären?
Ich kann endlich sagen, ich habe die schriftlichen Prüfungen hinter mich gebracht, und fühle mich so frei wie lange nicht mehr. Welche Erfahrungen habt ihr im Abitur gemacht und wie seid ihr mit dem Leistungsdruck umgegangen?
Aus meiner Sicht liegt der Grundstein für ein Abitur mit geringem Lernaufwand zuerst bei der Wahl der Leistungskurse und danach bei der Lernbereitschaft im Unterricht. In Sachsen legen die meisten Schüler schriftliche Prüfungen in Mathe sowie Deutsch ab. Dies sind beides Fächer, bei denen es vor allem darum geht, im Unterricht Aufmerksamkeit zu zeigen und aktiv mitzuarbeiten. Dadurch kann sich vieles Wissen verfestigen und muss nicht nochmal kurz vor dem Abitur wiederholt werden. (z.B. Ableitungen bilden in Mathematik) Als zweiten Leistungskurs habe ich Englisch gewählt und spätestens jetzt während der Abiturphase ist mir bewusst geworden, wie wenig man doch eigentlich für Englisch lernen kann, da man immer wieder die gleichen Fähigkeiten auf verschiedene Inhalte anwenden muss. Bei meinen Mitschülern aus den Leistungskursen Chemie sowie Geschichte sieht es da ganz anders aus, da dort ein viel größeres Augenmerk auf Wissen gelegt wird und dazu ist es nötig, auswendig zu lernen. Zum Beispiel hat der Lehrer des Geschichtsleistungskurses gemeint, wenn man alles aus dem Buch Grundwissen Geschichte (ca. 140 Seiten) weiß, liegt das Ergebnis im Dreier-Bereich.
In Hinblick auf meine eigene Kursstufe ist es etwas verwunderlich, dass nur relativ wenige Jungen Englisch als Leistungskurs gewählt haben, obwohl auch bei uns schon immer ein geschlechtsabhängiges Lerngefälle sichtbar war. Diejenigen, die Chemie und Geschichte gewählt haben müssen im Endeffekt genau so viel lernen wie ihre weiblichen Mitstreiter, da in diesen Kursen zwei Jahre gut Mitarbeiten nicht ausreicht um ein gutes Abiturergebnis zu erreichen.
Trotzdem würde ich der Vermutung zustimmen, dass Mädchen das Abitur ernster nehmen. Vermutlich ist ein Grund dafür, dass viele Jungen “strategisch” vorgehen und nur das Ergebnis erreichen wollen um für einen bestimmten Studiengang zugelassen zu werden. Frei nach dem Motto: “Warum benötige ich ein Abischnitt von 2,0 wenn der NC bei 2,6 liegt?” Mädchen sind da vielleicht eher bestrebt, noch alles herauszuholen und die bestmögliche Note zu erreichen.
Viel Erfolg bei den weiteren Prüfungen, ich darf am Freitag für meine letzte schriftliche Prüfung in Mathe antreten.
Franz
Das sehe ich genauso wie Du, Franz. Ich hatte mich in meinen Abiturfächern auf Deutsch und Spanisch konzentriert. Bei beiden Fächern kam es weniger darauf an, bestimmte Inhalte auswendig zu lernen. Eher war es wichtig, sich gut auszudrücken und exakt mit der Sprache zu arbeiten. Für alle Sprach-Abiturienten empfehle ich, einige gute Sätze zurechtzulegen und zu lernen, um eine gewisse Struktur zu haben, mit der man die Aufgaben angeht. Vieles geht über eine gute Struktur deutlich einfacher. Auch die Übergänge zwischen verschiedenen Aufgaben kann man bereits vorbereiten.
Bei uns war es ebenfalls so, dass die Jungs vor allem in Mathematik oder Physik sehr präsent waren. In Deutsch, Englisch und Spanisch waren wir ziemlich wenige. Ich glaube auch, dass Mädchen das Abitur ernster nehmen. Die Gründe, die Du nennst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Da ist was dran. Viel Erfolg bei der letzten schriftlichen Prüfung, Franz! 🙂
Liebe Pia,
ich bin dir durch das Abenteuer Abitur im letzten Jahr und studiere nun.
Der Trick ist eigentlich simpel, wie offensichtlich: Du musst da so oder so durch. Wie stressig das Ganze wird, entscheidest du selbst. Panik schieben und Abdrehen wird dir nur wenig helfen. Vertrau auf dich und die Zeit, die du zum Lernen investiert hast und dann wird das schon. 😉
Ich drücke jedenfalls alle Daumen und verfolge das weiter.
Allerliebste Grüße,
Emma
Huuuiii,
netter Bericht den du da verfasst hast :).
Echt ne coole Sache die Abiturprüfungen mal aus einer anderen Sicht zu sehen, denn ganz ehrlich, über die Situation vor den Prüfungen habe ich mit niemandem gesprochen, nur über die Abiprüfungen selbst.
Meine Abigeschichte fängt damit an, dass unsere Mathe-LK-Lehrerin uns vor den Weihnachtsferien eingeheizt hat, wir sollten möglich jetzt schon anfangen zu lernen… Totaler Schwachsinn aus meiner Sicht und auch bis ins Vorabi rein habe ich für die Abiprüfungen selbst…. garnichts gemacht.
Dabei ist das Abi für mich in diesem Zeitraum immer wichtiger geworden, weil sich der Wunsch manifestiert hat, Medizin zu studieren… Schon kacke wenn man dann mit einem 1,9 in die Abiprüfungen geht :/
In den Osterferien dann fingen meine Eltern und älteren Geschwister dann auch an zu nerven, ich solle doch gefälligst mit dem Lernen anfangen, es wäre so wichtig. Wiederwillig und ziemlich demotiviert hab ich mir dann mal einen Lernplan erstellt, der für jeden Tag bis zu den Prüfungen ein bisschen des Stoffes einplante, den ich können musste. Leider gabs in der letzten Schulwoche ein privates Ereignis, dass meine Motivation zum lernen auf Null geschraubt hatte.
Ich hing also schnell mit dem Stoff hinter meinem Lernplan, und aus der Kacke gezogen hat mich… mein älterer Bruder :). Jeden Tag bekam ich von ihm eine E-Mail mit motivierenden Worten, die nur wir zwei verstanden (Zitate aus Filmen, Büchern, gemeinsamen Erlebnissen, PC-Spielen), alles Dinge die uns über Jahre zusammengeschweißt hatten. Lange Rede kurzer Sinn, er wusste wie ich ticke und motivierte mich jeden Tag aufs neue für meine Prüfungen zu lernen und rasch holte ich den Stoff auf. Hauptsächlich gelernt wurde Bio und Mathe, für Religion mündlich hatte ich später noch Zeit und Englisch konnte ich einfach.
Ein Monat Zeit also.
Mein Lernen bestand daraus, mir die Klausurthemen vorzunehmen und sämtliche (!!!) Themen alleine komplett neu aufzuarbeiten. Die ersten drei Wochen waren also pure Recherchearbeit. Googlen, lesen, aufschreiben. Googlen, lesen, aufschreiben. Googlen, lesen, aufschreiben… und so weiter.
Die erste Prüfung, EnglischGK, kam und besondere Nervosität hatte ich nicht, schließlich war ich gut vorbereitet und mein Bruder hatte mir noch am morgen eine Email mit genau den richtigen beruhigenden Worten geschrieben. Die Prüfung an sich lief gut, nicht sehr gut aber doch zufriedenstellend.
So, jetzt einen Tag Zeit für MatheLK, kurz alles wiederholen und dann kam auch schon Das Matheabi, hier war ich noch am Morgen etwas nervöser aber nach der Mail meines Bruders stand mir das Grinsen bis hinter beide Ohren im Gesicht und ich bin mit einem Lachen in die Prüfung gegangen… Und auch mit einem Lachen wieder raus, sehr gutes Gefühl, jetzt nurnoch BioLK, 5 Tage Zeit. Auch hier nochmal ordentlich reingehängt und mit gutem Gefühl den Vorabend zur Prüfung beendet, am morgen wiedermal von meinem Bruder top motiviert und alle Gedanken ans Versagen, die noch irgendwo da waren, weggeblasen. Ehrlich gesagt hat mich die Nervosität, die meinen Mitschülern am Morgen anzumerken war nurnoch ruhiger gemacht, da ich für mich wusste, ich kann das. Dazu muss man sagen, ich hatte allen Grund nervös zu sein, schließlich hatte ich auf Lücke gelernt und somit keine Auswahlmöglichkeit mehr bei der Klausur, Genetik und Öko/Neuro musste ich nehmen, da Evo nicht in Frage kam.
Wie auch schon in Mathe, deutlich zu früh fertig geworden und mit sehr gutem Gefühl die Klausur abgegeben. Erstmal zwei Tage blau machen, und dann ab ins Finale. Reli mündlich, klingt unspektakulär, war aber krass umfangreich.
Witzigerweise bestand mein Lernen darin, mit sämtlich Inhalte (wieder mal) zu ergooglen, da ich Religion als Schulfach eher dazu verwendet habe, mit meinen Tischnachbarn Schere-Stein-Papier zu spielen, als zu lernen.
Sobald ich dann alles hatte, ab in die Sonne, sich braun brennen lassen und dabei wieder und wieder die Unterlagen durchzulesen.
Ehrlich gesagt war ich vor dieser Prüfung am meisten nervös, da ich nicht wusste, was kommt.
Und wieder nahm mir mein Bruder am Prüfungsmorgen sämtliche Sorgen und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht.
Der Prüfungstext war so lala und auch der erste Prüfungsteil eher… nicht so berauschend (Wie mein Lehrer mir später erzählte hätte er mir für einige Aussagen gerne eine reingehauen (dazu muss man sagen wir kennen uns seit Jahren) :DDD )
Der zweite Teil dagegen, 1A, super Gespräch mit dem Lehrer geführt (was dieser mir ebenfalls bestätigte)
Nunja, später dann die Prüfungsergebnisse bekommen.
Mathe 13
Englisch 12
Bio 15
Reli 13
Somit habe ich mich dann noch auf einen 1,5er Schnitt gerettet… was trotzdem nicht direkt für Medizin gereicht hat, aber die Chancen auf einen baldigen Studienplatz doch deutlich erhöht.
Zusammengefasst gesagt, wirklich Angst hatte ich nie vor den Prüfungen (danke großer Bruder), aber nicht deshalb weil ich ein Junge bin, sondern weil ich mich, und ich bin stolz das ehrlich sagen zu können, gut vorbereitet habe. Und das war es wert.
P.S.: Jetzt rate wer ich bin, wir haben zusammen Abi gemacht 😀
Hallo Matthias!
Ein Erfahrungsbericht der ganz anderen Art, vielen Dank fürs Teilen deiner Geschichte! Klar weiß ich wer du bist, 13 Punkte im mündlichen Reli Abi sind schon charakteristisch 😀
Die Unterstützung durch deinen Bruder finde ich großartig, daran sieht man, wie wichtig die Motivation in einer solchen Phase ist. Ich habe mich immer mit kleinen Ausflügen und Ablenkung belohnt, danach konnte ich meistens konzentrierter lernen. In der Nacht hatte ich meine Hochphasen, da habe ich bis morgens gesessen und gepaukt, aber vormittags und mittags konnte ich mich nie aufraffen – das ist bis heute so geblieben 😀
Ist es nicht verrückt, dass unser Abschluss schon ein Jahr her ist? Im Gegensatz zum Studium und einem selbstständigen Leben außerhalb der Schule war das Abi doch gar nicht so gravierend – man wächst mit seinen Herausforderungen 😀
Übrigens: Toll wie du deinen Schnitt durch die Prüfungen verbessern konntest! Hoffentlich inspirierst du mit deiner Erfahrung andere, mit kleinen Methoden wie die Aufmunterungen vom Bruder stressfreier durch die Prüfungszeit zu kommen!
P.S.: Wäre gerne in der Reli Prüfung dabei gewesen, das war bestimmt lustig!