Weihnachten folgt in vielen Familien einem strengen Ritual. Was gegessen werden muss, steht fest. Wie der Christbaum geschmückt wird ebenso. Schließlich muss auf jeden Fall „Stille Nacht“ gesungen werden – sonst ist es kein richtiges Weihnachten. Kein Fest begehen wir mit so festen Regeln und Abläufen, Bräuchen, Schmuck und festlichen Mahlzeiten wie Weihnachten. Das war nicht immer so – Weihnachten hat aber eine lange Geschichte hinter sich. Unser Autor Benedikt Bögle fasst die wichtigsten Stationen einer beinahe 2.000 Jahre langen Entwicklung zusammen.
Sicher ist: Die ersten Christen haben Weihnachten nicht gefeiert. Erst ab dem frühen vierten Jahrhundert gibt es Belege dafür, dass die Christenheit der Geburt Jesu mit einem eigenen Feiertag gedachte. Schon vorher hatten Gelehrte immer wieder versucht, das genaue Datum der Geburt Jesu zu ermitteln – ohne Erfolg, da es in der Bibel hierzu keinerlei Anhaltspunkte gibt. Zunächst wurde Weihnachten im Frühjahr gefeiert. Der Grund: Christus ist im Frühjahr gestorben, deswegen gedachte man zu der Zeit auch seiner Geburt. Nur kurze Zeit später feiern die Christen in Rom das Fest jedoch nicht mehr zu Beginn des Jahres, sondern mitten im Winter: Am 25. Dezember.
An diesem Tag beging das römische Imperium eigentlich das Fest des unbesiegbaren Sonnengottes. Dem gegenüber wollten die Christen Jesus Christus als das eigentliche, das wahre Licht in den Vordergrund stellen und legten so das Geburtsfest des Gottessohnes auf den Festtag des Sonnengottes. Zugleich wollte man so wohl verhindern, dass auch getaufte Christen weiterhin den Sonnengott feierten – indem man ihnen ein eigenes Fest gab: Weihnachten. Seit dem vierten Jahrhundert wird Weihnachten deshalb am 25. Dezember gefeiert; nicht etwa, weil das der historische Termin der Geburt Jesu ist, sondern vielmehr, weil Weihnachten das heidnische Fest verdrängt hat.
Weihnachten betont die Menschheit Jesu
Von Rom aus eroberte das Fest ganz Europa. Das liegt zu einem großen Teil auch an theologischen Gründen. In den ersten Jahrhunderten gab es immer wieder Diskussionen darüber, wer Jesus Christus eigentlich genau gewesen ist: Gott? Mensch? Die Antwort der Kirche: Jesus war ganz Gott und zugleich ganz Mensch. Immer wieder gab es jedoch Bewegungen, die nur seine Gottheit betonen wollten und leugneten, Jesus sei auch Mensch gewesen. Deswegen wurde an vielen Orten das Weihnachtsfest gefeiert: Wo man der Geburt Jesu gedachte, betonte man zugleich, dass er ganz und gar Mensch gewesen ist. Gerade im Norden Europas passt der Weihnachtstermin zur Lichtsymbolik: Mitten im Winter, zu dem Zeitpunkt, an dem die Nacht am längsten ist, wird ein Fest des Lichts gefeiert. Bis heute spielen deswegen Kerzen und Licht eine große Rolle im Brauchtum des Advents und an Weihnachten: Vom Adventskranz bis zu den Lichtern am Christbaum.
Christbäume gab es seit dem Mittelalter
Seit wann Menschen an Weihnachten Bäume aufstellen und sie schmücken, ist unklar. Schon in der Antike wurden die Häuser zum Jahreswechsel mit Zweigen geschmückt, im europäischen Brauchtum ist das aber nicht nur an Weihnachten üblich: Im Frühjahr werden Maibäume aufgestellt, zum Richtfest eines neuen Hauses wird ein kleiner Baum auf das Dach gestellt. Im Mittelalter gedachten manche Kirchen an Weihnachten auch der Erschaffung des Menschen: Im Paradies stand, so die biblische Erzählung, der „Baum der Erkenntnis“. Von ihm sollten Adam und Eva nicht essen – taten es aber trotzdem und wurden aus dem Paradies vertrieben. Das stellte man im Rahmen eines Theaterspiels im Mittelalter nach. Möglicherweise hat der Christbaum auch hier seine Wurzeln. Sicher jedoch ist: Ein Kupferstich von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1509 zeigt einen geschmückten Weihnachtsbaum – spätestens damals musste der geschmückte Baum also schon zum Brauchtum gehört haben. Populär wurde dieser Brauch jedoch erst im 19. Jahrhundert, langsam verbreitete sich der Weihnachtsbaum von Deutschland und Österreich aus auch in andere Länder und Kontinente. Zunächst stellten vor allem Familien aus der gehobenen Schicht einen solchen Baum auf, bald aber auch ärmere Familien. Heute ist der Baum auf der ganzen Welt ein wichtiger Bestandteil des Weihnachtsfestes.
Weihnachten ohne Geschenke?
Mindestens genauso wichtig ist heute die Bescherung an Weihnachten – was wäre das Fest auch ohne Geschenke? Ursprünglich wurden diese Geschenke zum Nikolausfest am 6. Dezember verteilt. Der Sage nach wollte ein armer Mann aus Myra, der Bischofstadt des Heiligen Nikolaus, seine drei Töchter gegen ihren Willen verheiraten, weil er sie nicht mehr ernähren konnte. In einer Nacht soll der heilige Bischof deswegen in das Haus dieses Mannes geschlichen sein und drei Äpfel aus purem Gold dort hinterlassen haben. Als Erinnerung an dieses Geschenk entstand der Brauch, sich zum Festtag des Heiligen Nikolaus zu beschenken, bis diese Bescherung auf Weihnachten verschoben wurde. Im deutschsprachigen Raum findet diese Bescherung meist am Abend des 24. Dezember statt – obwohl Weihnachten ja erst am nächsten Tag gefeiert wird. Der Grund: Wie für das Judentum beginnen auch für das Christentum hohe Feiertage schon am Vorabend. Deswegen bricht das Weihnachtsfest schon in den Abendstunden des 24. Dezember an.
Wie man Weihnachten genau feiert, unterscheidet sich von Familie zu Familie, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent. Zugleich ist es eines der wenigen christlichen Feste, das auch Andersgläubige oder Konfessionsfreie feiern können und wollen. Vielleicht liegt das daran, dass gerade im Winter, in der Kälte und Dunkelheit ein klein wenig Licht niemandem schaden kann.
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