Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche trafen sich am 24. und 25. Oktober beim fünften „Colloquium on Christian Humanism in Economics and Business“ in Berlin, um für die Probleme der Armut, der Ungerechtigkeit und der Ungleichheit Lösungsansätze zu erörtern, die ein christlicher Humanismus bietet.

„Die Armen können nicht warten“
Eröffnet wurde der zweitätige Kongress mit einer Diskussionsrunde über das weite Feld der Armut. Prof. DDr. Schlag aus Rom sprach zu Beginn die Dringlichkeit der Thematik an: „Die Armen können nicht warten. Manchmal fehlt sogar das Nötigste, um die nächste Nacht zu überleben.“ Außerdem erinnerte er an die Motivation für den Kongress aus einem christlichen Humanismus heraus: „Wir alle teilen die Sorge für die Armen.“
Da die Armut viele Gesichter habe, gebe es für die Bekämpfung der Armut auch keinen Königsweg, meinte Prof. Dr. Resico von der UCA in Buenos Aires. Damit pflichtet er seinem Kollegen Prof. Dr. Kaboski von der Universität in Notre Dame bei, der eine Beschränkung auf den rein finanziellen Aspekt der Armut verneinte und weitere Punkte wie Bildung, medizinische Grundausstattung und Fragen der Migration aufzählte. Er grenzte die absolute Armut (unter 1,90 Dollar Einkommen pro Tag) von der relativen Armut (arm im Vergleich zum Rest der Gesellschaft in der man lebt) ab und fügte hinzu, dass das Problem der Armut nicht schlicht dadurch gelöst werden könne, dass das Einkommen jedes einzelnen Menschen über der Armutsgrenze von 1,90 Dollar gehoben werde. Zwei entscheidende Punkte in der Armutsbekämpfung seien vor allem stabile Regierungsverhältnisse und wirtschaftliches Wachstum, wobei Letzteres nicht immer automatisch allen Armen zu Gute käme.
Nobelpreisträger diskutiert mit Vertretern aus Kirche und Politik

Im zweiten Plenum diskutierte Wirtschaftsnobelpreisträger Prof. Myerson aus Chigaco zusammen mit Prof. Joseph Zahra (Council of Economic Affairs im Vatikanstaat) und Staatssekretär Dr. Michael Meister welche Schwerpunkte Wirtschaft, Kirche und Politik legen können.
Meister nannte hier zunächst die drei Prinzipien der kirchlichen Soziallehre: Subsidiarität, Solidarität und Gemeinwohl. Diese könnten einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten. Wenn man die Frage nach dem Umgang mit der Armut in Deutschland stelle, müsse man, vor der dem Hintergrund der Armut in anderen Teilen der Welt und dem daraus resultierenden Wunsch nach Migration, auch die Frage nach dem weltweiten Umgang mit der Armut stellen.
Myerson suchte die Lösung vor allem darin, vertrauenswürdige und verantwortungsvolle Regierungspersönlichkeiten heranzubilden, die sich für das Wohl der Bevölkerung einsetzen. Diese erreiche man durch mehr „Dezentralisierung der Demokratie“, also eine Verteilung politischer Verantwortlichkeiten auf autonome Lokal- bzw. – im Falle von internationalen Systemen – Nationalregierungen. So könnten sich auf regionale bzw. nationaler Ebene potentielle Regierungskandidaten beweisen und sich einer demokratischen Abstimmung auf höherer Ebene stellen. Eine Zentralisierung und Konzentrierung von Macht sei hierbei hinderlich.
Ausgehend von der katholischen Lehre legte Prof. Zahra dar, dass gute Regierungssysteme die Prinzipien der menschlichen Würde, der Solidarität und der Subsidiarität umsetzen müssten, um das Allgemeinwohl zu erreichen. Zu Letzterem gehörten der Respekt gegenüber der Person, das soziale Wohlbefinden und das Streben nach Frieden. Die Basis der Ökonomie müsse die menschliche Freiheit sein. Die heutige Krise könne nach Papst Franziskus, so Zahra, nur überwunden werden, wenn die Begriffe der menschliche Würde und der menschlichen Person nicht bloße „Catchwords“ blieben, sondern als tragende Säulen dienten, um „Shared Values“ und Strukturen zu erzeugen.

Gerecht oder ungerecht?
In der dritten Runde wurden Fragen der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit thematisiert. Prof. Dr. Haun von der Universität Leipzig startete mit der Vorstellung einer Studie an Kindern aus unterschiedlichen Nationen. Haun deutete die Daten der Studie wie folgt: Unabhängig von Herkunftsland und Kulturen würden alle Probanden es unfair finden, ungerecht behandelt zu werden. Allerdings zeige die Studie im zweiten Teil auf, dass die konkrete Umsetzung der Gerechtigkeit zwischen den Kulturen doch stark variiere. Seine Konklusion: Was einem gerecht und gerecht erscheine, hinge vom kulturellen Kontext ab. Allerdings möge es niemand ungerecht behandelt zu werden und es sollte auch niemand ungerecht behandelt werden.
Prof. DDr. Schlag verband die Frage nach der Gerechtigkeit mit der Verteilung der Macht. Gerechtigkeit sei die Tugend, die die Mächtigen vor Verderbtheit bewahre. Absolute Macht führe aber zur absoluten Korrumpierung. Die Frage warum ein Mächtiger gerecht handeln sollte, beantwortete Schlag mit dem Naturrecht. Die naturrechtlichen Prinzipien, so zitierte er C.S. Lewis, könne man nicht erschließen, sie seien Prämissen. Sie seien so offensichtlich eingängig, dass sie weder gefordert noch bewiesen werden könnten.
Gleiches mit Gleichen
Zum Abschluss des Colloquiums wurden die Thematik der Gleichheit und Ungleichheit behandelt. Lord Griffiths of Fforestfach, Mitglied des „House of Lords“, gliederte – ausgehend von einem christlich-jüdischen Blickwinkel – die Ungleichheit in drei Hauptbereiche: Ungleichheit in der Verteilung, Ungleichheit in den Möglichkeiten und Ungleichheit zwischen den Generationen. Die Lücke zwischen Arm und Reich sei außergewöhnlich groß. Als Ursachen nannte der dafür unter anderem die Globalisierung, den technologischen Wandel und die Deregulierung des Handels.
Die christlich-jüdische Perspektive erwarte von jedem, dass er Verantwortung in dieser Problematik übernehme. Und besonders die Christen seien angehalten, den Nächsten zu lieben wie sich selbst und jeden so zu behandeln, wie er selbst behandelt werden möchte.
Prof. Dr. Aguirre von der Universität of America in Washington D.C. stellte die Familie und ihre Strukturen in das Zentrum ihrer Betrachtung und welche Wechselwirkungen sich daraus für Ungleichheit und Armut ergäben.
Abschließend zeichnete Prof. Dr. Schallenberg von der Universität Paderborn eine theologische Skizze von der Bedeutung des Begriffs der Ungleichheit in der Menschheitsgeschichte. Entscheidend sei hier vor allem die „Franziskanische Revolution“. Franz von Assisi habe erkannt, dass es nicht ausreiche, den Menschen auf die Ewigkeit vorzubereiten, es bräuchte auch eine Änderung der äußeren Lebensverhältnisse. Aus katholischer Sicht sei die Frage nach der Gleichheit, mit dem gleichen Recht für alle, geliebt zu werden, zu beantworten.
Alles nur graue Theorie?
Während der zwei Tage wurde nicht nur im Plenum diskutiert, sondern auch mit kleinen Gruppen in Workshops gearbeitet. Dabei wurden unter anderem Projekte aus der Praxis vorgestellt, wie etwa der Ausbau der Infrastruktur und des Wasserversorgungsnetzes in den Slums von Medellin (Kolumbien). Durch die Beteiligung der Bevölkerung an den Bauprojekten und die Reduzierung von illegaler Wasserentnahme sowie einer verbesserten Reputation für das durchführende Unternehmen, entstehe eine Win-Win-Situation, meinte Prof. Dr. Melé.
Es geht um Projekte, bei denen den Armen und Bedürftigen unter Beachtung der Menschenwürde konkret geholfen wird. Projekte, die noch in größerer Zahl und mehreren Teilen der Welt in ähnlicher Weise gestartet werden müssen. „Am Beginn des menschlichen Handelns“, so ein Teilnehmer, „steht eine Idee.“ Die Ideen sind entwickelt, jetzt müssen Taten folgen. Denn Ausdruck der christlichen Liebe sind nicht nur Worte, sondern auch Taten.
Dieser Beitrag wurde finanziell möglich gemacht durch das Institut für Gesellschaftswissenschaften Walberberg. Schaut Euch auch die Homepage an: http://institut-walberberg.de/index.php?cID=1
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