Am 27.01.2016 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 71. Mal. Unser Autor Alexander Ertl berichtet von seinen Eindrücken und Zeitzeugeninterviews vor Ort, die er im Rahmen einer internationalen Begegnung für Nachwuchsjournalisten macht.

Sonntag, 24.01.2016 – Dritter Tag: Ankunft der Zeitzeugen
Der Sonntag beginnt für mich anders als für die meisten anderen Teilnehmer. Ich entscheide mich nämlich gegen eine individuelle Besichtigung der Gedenkstätten. Ich habe gestern bereits genügend Eindrücke gesammelt, die mich noch immer sehr beschäftigen.
Im Frühstücksraum lerne ich dann einen slowenischen Priester der sogenannten „liberalkatholischen Kirche“ kennen. Es handelt sich um eine scheinbar freikirchliche Gemeinschaft mit theosophischem, gnostischem und esoterischem Hintergrund. Er redet viel von Licht und Dunkelheit und davon, dass es bei ihnen keine Dogmen gebe. Ich frage mich, wie man ganz ohne Prinzipien denn glauben könne und wundere mich nur, dass er ein Kollarhemd trägt. Interessant finde ich, dass er den seligen Pater Rupert Mayer verehrt. Er spricht von der angenehmen Stille in der Bürgersaalkirche in München, wo sich die sterblichen Überreste des Märtyrers befinden. Ich stimme ihm zu.
In der Hauskapelle bete ich dann aus meinem Stundenbuch. Es gestaltet sich hier, so nahe am Ort der Vernichtung von hunderttausenden Menschen sehr schwierig für mich zu beten, darum bin ich außerordentlich dankbar für vorgegebene Gebetstexte. Die Laudes, das Morgenlob der Kirche aber kommt mir an diesem Morgen unwirklich vor. Wie hier, an diesem Ort, Gott loben und preisen für seine Herrlichkeit, für seine Erhabenheit und für seine guten Taten? Erst mit der Kurzlesung aus dem Buch Ezechiel finde ich hinein in das Morgenlob: „So spricht Gott, der Herr: Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel. … Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig, und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich führe es aus.“
Beim Mittagessen treffen die ersten drei Zeitzeugen ein. Die Begrüßungen fallen sehr herzlich aus. Bei einem ersten Kennenlernen machen sich die zwei Damen und ein Herr erst einmal mit uns vertraut. Wir teilen uns in zwei Gruppen auf und jeder erzählt einmal ein wenig über sich. Leider versteht nur eine Frau deutsch, sodass wir auf eine Übersetzung ins Polnische angewiesen sind. Interessiert hören die Zeitzeugen uns zu und fragen auch nach. Wir erzählen über unsere Familie, unsere Hobbys und welche Träume uns begleiten. Herr Majerowicz hingegen meint am Ende, mit über neunzig Jahren wäre es idiotisch, noch Träume zu haben, er wünsche sich lediglich, dass die Jugend auf dem Weg des Friedens bleibe.

Danach schließt sich die Feier der Sonntagsmesse an. Ihr steht der Pfarrer Dr. Deselaers vom „Zentrum für Dialog und Gebet“ vor. In seiner auf polnisch und englisch gehaltenen Predigt schlägt er den Bogen von den gehörten Texten aus der Heiligen Schrift hin zur Botschaft: „God is healing the world.“ Versöhnung, Vergebung, Heilung – gerade dies gelte es, an diesem Ort zu vermitteln. Am Abend bekommen wir eine Einführung in das Zeitzeugengespräch. Zunächst seien dies nämlich Augenzeugen in den NS-Prozessen der Nachkriegszeit gewesen, mit deren Aussagen die Sicht der Täter vor Gericht widerlegt wurde. Erst ab den 1970er Jahren habe man die Überlebenden vermehrt in Schulen eingeladen, um jungen Menschen die unfassbaren Geschehnisse zu veranschaulichen. Die Geschichtswissenschaft als exakte, objektive Wissenschaft habe sich jedoch lange Zeit gegen diese sehr subjektiven Aussagen gesträubt, aber mit der Methode der „oral history“ sei der Zeitzeuge immer stärker in den Fokus gerückt. Vielleicht am bekanntesten dürften die Darstellungen bei der ZDF-Geschichtssendung „history“ mit Guido Knopp sein, bei der der Zeitzeuge nur mehr als eine Medienfigur agiert. „Man sieht meist nur eine kurze Sequenz. Tränen und Emotionen sind wichtiger als das, was der Zeitzeuge sagt“, stellt die Historikerin Dr. Danuta Konieczny bei ihrem Vortrag abschließend fest.
Aus journalistischer Sicht gibt es auch noch einige einführende Worte von Andrea Beer vom SWR und Nicole Stroth aus der „Stabsstelle Kommunikation“ der Erzdiözese Freiburg. Zunächst sei es wichtig, dass man vor den Zeitzeugen keine Angst zu haben brauche: „Sie wollen erzählen!“ Andererseits aber gelte es, Vorsicht walten zu lassen, denn die Zeitzeugen seien mittlerweile hochbetagt und die alten Erinnerungen hervorzurufen bedeute für sie Stress. Daneben sei es auch wichtig, die Zeitzeugen als normale Menschen anzusehen und sie nicht in irgendeiner Form zu mystifizieren oder glorifizieren. Selbst wenn sie in ihren Schilderungen Fehler machen, dürfe man sie keinesfalls sofort korrigieren, dies gebiete der Grundrespekt. Mit originellen Beispielen für die Medienarbeit eröffnen uns die beiden Journalistinnen eine neue Perspektive auf diese schwer kommunizierbare Thematik. Der französische Dokumentarfilmer Claude Lanzmann etwa legt in seinen Reportagen sein Augenmerk auf die Erzählungen der Augenzeugen der Shoah. Durch die unübliche Darstellungsart (er interviewt etwa einen Friseur während seiner Tätigkeit des Haareschneidens in seinem Salon kann auch der Hintergrund besser verstanden werden.
Frau Beer spart auch provokative Formen der Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte nicht aus. So sorgte der BILD-Titel „Hitler hatte nur einen Hoden“ vor einigen Wochen für Gesprächsstoff und auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) sorgte mit einem Bericht über die Wahl einer „Miss Holocaust“ 2013 für einiges Aufsehen. Dass es Postkarten aus Auschwitz zu kaufen gebe, finde ich dann sehr makaber.
Der Tag endet schließlich mit einem Musikvideo. Ein älterer Herr, Überlebender des KZs, tanzt dort zusammen mit seinen Enkeln vor den Kulissen des ehemaligen Konzentrationslagers. Ist das geschmacklos? Darf er das? Wiederum bringt Henryk M. Broder hierzu eine kluge Analyse vor: „Auf den ersten Blick ist ‘Dancing Auschwitz’ – so heißt das kleine Kunstwerk – ein Tabubruch, auf den zweiten eine Provokation, auf den dritten aber eine kluge Antwort auf die Frage, wie man an etwas erinnern kann, das im Steinbruch der ‘Erinnerungskultur’ längst zu historischem Schotter verarbeitet wurde: auf Konferenzen und Seminaren, in Filmen und TV-Serien, bei Demos und Gedenkfeiern, auf denen mit jahrzehntelanger Verspätung dazu aufgerufen wird, ‘den Anfängen zu wehren’. Wie man also sinnfreien Ritualen etwas entgegensetzt, das die Kraft des Lebens feiert und nicht den Tod als finalen Höhepunkt menschlichen Versagens zelebriert.“

Montag, 25.01.2016 – Vierter Tag: Erstes Zeitzeugeninterview
Alina Dabrowska ist eine ältere Dame vorgerückten Alters, aber dennoch hellwach. Bevor sie ihre Erlebnisse in Auschwitz schildert, erzählt der Geschäftsführer des Maximilian-Kolbe-Werks, Wolfgang Gerstner, von seinen persönlichen Erlebnissen mit der 92-jährigen Alina, die er mit ihrem Vornamen anspricht. In ihren einführenden Worten macht Frau Dabrowska klar, dass sie so viel von ihren Erlebnissen erzählen wird, wie es ihr nur möglich ist und bittet gleichzeitig um Entschuldigung dafür, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache sei. Dennoch ist ihr Deutsch freilich tadellos. Sie erzählt auch davon, wie sie, anstatt der französischen Sprache das Deutsche am Gymnasium lernte. Ihr Erzählstil ist alles andere als verkrampft und wirkt sehr lebhaft. Sie nennt ihren Deutschunterricht ein „Zeichen der Vorsehung“. Ein anderes Zeichen ist für sie das Datum der Verhaftung am 13.05.1942, dem Fatima-Gedenktag. Ein Datum, auf das nicht nur das Attentat auf Johannes Paul II. 1981 fiel, sondern sie auch persönlich betreffe. Auch Frau Dabrowska machte darum später aus Dankbarkeit eine Pilgerreise zu diesem Marienwallfahrtsort.
Während der ersten Kriegsjahre arbeitete Frau Dabrowska im damaligen Litzmannstadt, dem heutigen Łódź, in einer Motoren-Fabrik, der sogenannten Lohmann-Werke aus Bielefeld. Ihre gesamte Familie sei im Widerstand, im „patriotischen Kampf“ organisiert gewesen. Ihr Bruder war Mitglied in der Pfadfinderschaft „Szare Szeregi“. Sie war in der Rüstungsfabrik als Sekretärin angestellt. Die Dokumente dort lagerten in einem offenen Schrank. Am 13. Mai 1942 kam der Hauptdirektor zu ihr und befahl ihr lediglich, mitzukommen. „Man fühlte eine gewisse Unruhe in der Fabrik. Ein SS-Mann hatte einige Dokumente vor sich liegen und schrie mich an. Zu meinem Leid kam, dass ich keinen Schlüssel hatte für meinen Schrank, jeder konnte ihn also öffnen. Jeder konnte kommen. Im Verhör war ich alleine, ich habe keinen Namen genannt.“
Daher wurde Alina im Laufe des Nachmittags in der Fabrik verhaftet. Ein anderer Arbeiter, Jan, sei weggelaufen und habe daraufhin versprochen, Priester zu werden. Fünfzig Jahre später habe sie ihn wieder getroffen und er sei wirklich Priester geworden. Sie unterbricht ihren Erzählverlauf kurz und nippt an der Teetasse. „So kam ich also ins Gefängnis, die Adresse war Danziger Straße 13; Zelle 13. Und nach 13 Monaten wurde ich nach Auschwitz geschickt. So hat mich also diese Zahl begleitet. In der Zelle waren wir 20 Personen.“ Als sie dies realisierte, habe sie geweint vor dieser ungewissen Zukunft. Nach einigen Tagen habe man sie in ein SS-Amt gebracht, wo sie erfuhr, dass zwei Wochen nach ihrer Verhaftung auch ihr Bruder festgenommen wurde. „Man entdeckte bei ihm eine Flugschrift. Er wurde im Gefängnis in Łódź erschossen. Ich konnte das damals nicht glauben. Aber auch er verriet niemanden.“ Im Gefängnis gab es weder Dolmetscher noch irgendeinen Zeugen bei der Befragung, sodass Alina Dabrowska schließlich unterschrieben habe, dass sie ein Feind des Deutschen Volkes wäre und Hochverrat begangen hätte. „Es gibt unterschiedliche Worte dafür. In einigen Fällen wird das mit dem Tod bestraft, bei mir endete das im Konzentrationslager. Nach dem Krieg erfuhr ich, wer schuld an meiner Festnahme war. Dieser Mann wurde in Auschwitz aufgehängt.“ Von Auschwitz hörte sie zuvor nur sehr wenig.
„80 Personen aus dem weiblichen Gefängnis fuhren mit mir dorthin. Ich hatte keine Bagage mit mir dabei. Man schnitt mir die Haare ab.“ Alina krempelt einen Ärmel hoch und zeigt ihre kleine, unauslöschliche Tätowierung auf dem linken Unterarm. „Man gab mir eine Nummer, mit der ich dann in den nächsten drei Jahren gerufen wurde. Das Schlimmste bei der Ankunft aber waren die Baracken. Hunderte von Frauen. Sie haben geschrien auf ihren Betten. Mir wurde ein Platz auf dem Boden zugewiesen, ich befand mich auf den nackten Ziegeln. Am nächsten Morgen rief man mich zum Appell.“ Im Juli 1943 kam sie im Lager an. Das Sammeln von Kräutern am Morgen habe der ganzen Hygiene und dem Frühstück gedient.
Im Lager selbst kam Alina an verschiedenen Stellen zum Einsatz. „Was eben gerade anstand. Ich muss hinzufügen, dass ich immer auf der Suche nach meinem Bruder war. Wenn die Männer im Lager an mir vorbei gingen, da schaute ich immer zu ihnen oder fragte sie sogar, ob er bei ihnen wäre. Eines Tages erblickte ich einen Bekannten. Ich fragte ihn nach meinem Bruder und er sagte mir, dass er nicht mehr lebte.“ Neben dem tiefen Schmerz war sie aber auch andererseits froh, dass er nicht in „diese Hölle“ musste. „Ich sah, dass sie geschlagen wurden oder harte Arbeit machen mussten.“ Eines Tages sei eine Frauengruppe aus Bessarabien angekommen und Frau Dabrowska habe für sie als Dolmetscher gewirkt. „Für diese Frauen habe ich deutsche Briefe geschrieben. Zweimal im Monat durfte man nämlich einen Brief schreiben. Ich habe noch einen Brief, einige Zeilen sind durchgestrichen, dies gefiel der Zensur nicht, sodass sie es unleserlich machten. Hauptsache war, dass man unterschrieb, dass sie wussten, dass man lebt. – Denn was sonst sollte man schreiben?“
„Diese Situation änderte sich im Oktober 1943. Ich habe erst hinterher erfahren, dass man mich erwählt hatte für die pseudo-medizinischen Experimente von Dr. Mengele. Ich hatte Typhus. Ich hatte sehr viel Durst. So habe ich geträumt, dass meine Mutter viel Sauerkraut und Wasser für mich bereithält. So lief ich also dorthin, wo ich meinte, sie zu erblicken, bis mir klar wurde, dass ich mich getäuscht hatte.“ Als sie wieder stark genug war, ging sie nach einem Monat zurück in die Baracke. „Es freuten sich besonders die Frauen gefreut, für die ich die Briefe schrieb. Meine Haare wurden wieder länger, also sah man, dass ich schon lange hier war.“ Da sie deutsch konnte und mit der Schreibmaschine umgehen konnte, meldete sie sich zu einer ihr zugetragenen Aufgabe. „Es ging um die Todeslisten. Später habe ich eine Arbeit bekommen, nämlich, eine Decke zu reparieren. Ich sagte, ich kann das, ich bin eine Näherin.“ Doch es gelang ihr nicht ganz so gut, wie gedacht, sodass sie schließlich in der Effektenkammer-Gruppe landete, wo die Kleidungsstücke der Häftlinge aufbewahrt wurden.
Sie sei von Anfang bis Ende Zeuge der Geschehnisse in Auschwitz gewesen. „Mein Fenster ging so hinaus, dass ich sah, wie sie das Krematorium sprengten. Im Dezember ’44 wurden jüdische Frauen aufgehängt. Ich war also Augenzeuge der ‘Endlösung der Judenfrage’.“ Gegen Ende kam die Effektenkammer-Gruppe, in der Alina wirkte, in das Gebäude vor dem Männerlager, in ein großes Ziegelhaus. Das war für sie „ein ganz anderes Land. Man hat uns die Wäsche gewechselt. Unten konnte man sich waschen, es war ganz, ganz anders. Dort hatten wir sehr humane Bedingungen.“ Nachrichten erhielt sie trotzdem nicht von außen. „Und auf einmal mussten wir uns auf den Todesmarsch vorbereiten. Das war am 18. Januar 1945. Tagsüber gingen wir, nachts schliefen wir in den Scheunen.“ Über Breslau seien sie nach Ravensbrück gekommen. „Es war dort aber kein Platz für uns. Wir hatten keine Decken, nur Bretter auf die wir uns legen konnten.“
Dort erfuhr Alina auch zum ersten Mal von einer Konferenz in Jalta. „Auf einmal bekam ich mit, dass man kämpft und dass wir eines Tages frei werden. Das hat mir viel Hoffnung gegeben. Später führte man uns nach Leipzig. Das war schon im April. Das war ein anderer Todesmarsch. Wir waren viele Kameradinnen. Jeden Tag gab es ein Stückchen Margarine, sonst nichts. Am dritten Tag kam ein Flugzeug und schoss auf uns. Da entschloss ich mich, bei der erstbesten Möglichkeit wegzulaufen. Lieber wollte ich frei sterben.“
Selbst die Wächter haben um die Lage zu diesem Zeitpunkt gewusst und sie gehen lassen. „In dem Moment, als wir vier Mädchen flohen, bemerkte uns zum Glück niemand.“ Bereits auf der Straße sah man nicht mehr, dass sie Häftlinge waren, weil sie zivile Kleidung trugen. „Der Krieg war schon in einigen Teilen zu Ende. In einem Städtchen, wohin wir kamen, waren Engländer, sie wollten uns Transporte organisieren, aber wir wollten nicht. Eines unserer Mädchen war aus der Ukraine, sie hat mit anderen Soldaten russisch gesprochen. Das war natürlich leichter. Bei der russischen Armee waren auch polnische Soldaten.“ Über Posen kam die Gruppe wieder nach Łódź. „Am 11. Mai, also zwei, drei Tage nach Ende des Krieges, war ich schon zuhause. Aber ich war erschrocken, ich war ganz fremd in dieser Welt.“
Wenn sie später auf der Straße unterwegs war, und auf jemandem aus dem Lager traf, tat Frau Dabrowska so, als würden sie einander nicht kennen. „1947 habe ich begonnen, in einem Ministerium in Warschau zu arbeiten und ging 1991 in Pension.“ Es dauerte ganze fünfzig Jahre, bis Alina Dabrowska wieder nach Auschwitz kam, doch war sie zuvor schon in vielen anderen Lagern. „Aber dies hier war ganz anders. Ich habe immer die Haufen von Toten gesehen, die todgeweihten Kinder. 1944 haben die Deutschen Ungarn okkupiert. Es war eine spezielle Gruppe, die hassten Juden. Sie hatten schon alles vorbereitet. Vierhunderttausend Juden wurden ermordet in Auschwitz. Eine spezielle Linie für die Bahn wurde vorbereitet, um die Leute näher zum Krematorium zu bringen. Auf den Wiesen mussten die Leute auch gehen. Ich musste das sehen. Das dauerte bis ungefähr Oktober ’44. Dann begann schon die Zerstörung der Anlagen. Die Deutschen hatten keine Zeit mehr im Januar ’45. Man organisierte da einen Todesmarsch, wie ich bereits sagte. Man wartete, bis die Russen kamen.“
Sie erlebte allerdings auch eine lange Geschichte nach den schrecklichen Ereignissen im Konzentrationslager. „Aber das Leben in den fünf Monaten in fünf Lagern und zwei Todesmärschen war sehr bewegend für mich. Jeder Tag brachte etwas neues. Und wenn keine unerwartete Überraschung kam, so war das umso besser. Dass mir das Leben nicht genommen wurde, war eine echte Arznei für mich und half mir zu überleben. Ich fühle mich nicht wie ein Häftling, sondern wie ein Mensch.“ Beinahe zwei Stunden berichtet sie von ihrem eigenen Schicksal. Zum Abschluss zeigt sie stolz noch einige Berichte über ihre Person. Es ist spannend und bewegend, was Alina Dabrowska zu sagen hat. Sie sei auch besorgt über neue antisemitische Töne, sagt sie. Sie wünsche sich mehr Menschlichkeit.
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