Im Sommer letzten Jahres besuchte mich mein Bruder Adrian für einen Monat in Israel. Gegen Ende dieser gemeinsamen Zeit verbrachten wir zu zweit eine Woche Urlaub in Jordanien. Dafür fuhren wir in den südlichsten Zipfel Israels, überquerten zu Fuß die Grenze und stellten uns eine Tour von Akaba bis Amman mit Stationen im Wadi Rum, Petra, Dana Village, Wadi Mujib und Madaba zusammen. Insgesamt war die gesamte Reise aus meiner Sicht perfekt abgestimmt und aufgebaut und hielt einige Überraschungen bereit. Spürt in dieser Reihe von Berichten gemeinsam mit mir den einmaligen Erlebnissen im Wüstenland Jordanien nach.
Gestrandet?!
Kennt ihr Filme, die mit einer Szene anfangen, in der die Hauptperson hinter dem wegfahrenden Bus erscheint, vollbepackt an einer Bushaltestelle mitten im Nirgendwo? Genauso begann das Abenteuer Jordanien mit meinem Bruder Adrian. An einem heißen Septembertag im vergangenen Jahr stiegen wir in der staubigen Wüste kurz vor Eilat aus dem Bus, um uns herum Sand, Stein und eine Tankstelle.
Die letzte Strecke bis zum jordanischen Grenzübergang mussten wir zu Fuß hinter uns bringen. Also kraxelten wir den Hügel der Straße herunter und hofften, nicht allzu sehr von der Mittagssonne verbrannt zu werden. Kurz darauf sammelte uns ein hilfsbereiter Israeli mit seinem Auto ein, weil er uns die 15 Minuten Marsch in Hitze und Staub ersparen wollte. Welch eine niedliche Abkürzung mit Hinblick auf Hitze und Staub, die uns in der kommenden Woche erwarten würden.
Der Grenzübergang war menschenleer und wir kamen ohne Umschweife auf die andere Seite. In der jordanischen Grenzanlage waren deutlich mehr Menschen in Uniform unterwegs als in Israel (so schnell befindet man sich in einer anderen Realität). Und trotzdem mussten wir auf die eine Person warten, die die Maschine zum Durchleuchten unserer Wanderrücksäcke bedienen konnte. Zwei- oder dreimal haben wir unsere Iris scannen lassen und dann durften wir den Weg zum Taxistand einschlagen.
Action-Schauplatz Grenzübergang
An diesen Grenzübergängen geht immer meine Fantasie mit mir durch, oder habe ich einfach zu viele Action-Filme geschaut? Ich sehe innerlich Szenarien, in denen entweder schwer bewaffnete Soldaten auf mich zustürmen und ich in einen hell beleuchteten Befragungsraum gesperrt werde. Oder ich trete einen Meter zu weit zur Seite und löse eine riesige Explosion damit aus. Nicht, dass ich solche Situationen jemals außerhalb von Filmen erlebt hätte. Natürlich blieb auch an diesem Tag alles ruhig und wir saßen wenig später im Taxi in Richtung Zentrum von Akaba.

Ganz an den Haaren herbeigezogen sind diese Sorgen aber auch nicht. Während unserer Woche Urlaub in Jordanien (genau zwei Tage nach unserer Einreise) kamen am King Hussein Grenzübergang (Allenby Bridge) zwischen den palästinensischen Gebieten und Jordanien auf Höhe Jerichos drei israelische Zivilisten, die zum dortigen Sicherheitspersonal gehörten, in einem terroristischen Angriff ums Leben. Wir waren froh, dass die Grenze bei unserer Rückkehr über Akaba-Eilat wieder geöffnet war. Also haben wir von dem Vorfall nicht mehr als Medien-Berichte mitbekommen.
Gleichzeitig bin ich schockiert über mich selbst, dass ich diesen tragischen Vorfall so beiläufig nennen kann. Auch damals war meine größte Sorge, dass man uns nicht wieder zurück nach Israel lassen würde. Mittlerweile muss ich zugeben, dass ich mich daran „gewöhnt“ habe, dass solche Situationen immer wieder stattfinden. Und dann muss ich mir aktiv ins Bewusstsein rufen, dass es nicht einfach Zahlen und Namen sind, um die es hier geht, sondern dass diese Menschen Angehörige und ein Leben wie deins und meins hinterlassen haben.
Erstes Etappenziel: Essen finden
In Akaba angekommen haben wir unser Mietauto in einer sketchy Europcar-Filiale abgeholt und anschließend keinen geeigneten Ort zum Essen gefunden, weil dort an einem Freitagmittag kaum Geschäfte geöffnet haben, denn zu dem Zeitpunkt soll in muslimischen Kulturen gebetet werden.
Nach einem eher ernüchternden Besuch einer Einkaufs-Mall sind wir schließlich zum Markt aufgebrochen, der wiederum nach guter arabischer Manier sehr bevölkert war und wo sich ein Geschäft an das andere reihte. Trotzdem war es gar nicht so einfach, sich dort zurechtzufinden und sinnvolle Lebensmittel einzukaufen, die vor dem Verzehr nicht noch gekocht werden mussten. Schließlich haben wir eine Bäckerei gefunden, in der uns der Verkäufer zunächst alle, und zwar wirklich alle Baklava-Variationen zum Probieren gab.

Willkommen in der roten Wüste!
Mit Brot, Wasser und Baklava sind wir dann in Richtung Wadi Rum aufgebrochen. Glücklicherweise hatten wir die Unterkunft bereits vorher gebucht, denn genau danach wurden wir an den zahlreichen Checkpoints von der Tourismus-Polizei gefragt. Im Wadi Rum Village wurde uns zunächst ganz nach arabischer Gastfreundschaft heißer Tee in der Wüstenhitze serviert.
Nach einem Nachmittagsschläfchen hat uns unser Gastgeber ins Camp gefahren, denn vorher wären die Temperaturen noch zu hoch gewesen (was am nächsten Tag aber keine Bewandtnis mehr hatte). Im Wadi Rum gibt es unzählige solcher Camps in den unterschiedlichsten Comfort- und Preisklassen. Wir hatten uns für eine einfache Unterkunft entschieden, um dem Beduinen-Leben zumindest ein wenig nachzuspüren.

Wadi Rum liegt im Süden Jordaniens und ist das größte Tal des Landes (720 km2), das durch einen Fluss gegraben wurde. Es ist von einigen der höchsten Gipfel Jordaniens umgeben oder beinhaltet diese im eigenen Gebiet. Seit 2011 zählt es als UNESCO Weltkulturerbe, da es Zeugnisse antiker Zivilisationen wie der Nabatäer aufweist.
Insbesondere am „Eingang“ zum Wadi, wo wir das Dorf mit dem Geländewagen verließen, türmen sich die roten Sandsteinklippen an den Seiten auf. Funfact: Wadi Rum ist in der Filmindustrie als Kulisse (verständlicherweise) sehr beliebt, denn einige Star Wars-Filme und auch Dune und andere Filme wurden teilweise dort gedreht.

Unter Beduinen
Im Camp angekommen bezogen wir eins der traditionellen Beduinen-Zelte (in denen zwei Personen komfortabel Platz hatten und aufrecht stehen konnten), nur um die Nacht doch draußen unter dem unbeschreiblichen Sternenhimmel zu verbringen. Mein Bruder und ich waren die einzigen Gäste in der sonst hochtouristischen Phase. Der Camp-Inhaber erzählte uns, dass er einer der jüngeren Söhne von insgesamt mindestens 30 Brüdern desselben Vaters war, wenn ich mich richtig erinnere.
Laut seiner Schilderung ist dieses Familienoberhaupt auch der Gründer des Dorfes gewesen, das heute mehrere hundert Einwohner des Zalabieh-Stammes zählt. Unser Guide, jedenfalls, war 28 Jahre alt, hatte vor kurzem geheiratet und baute gerade ein eigenes Haus für seine bald entstehende Familie im Dorf. Der kriegsbedingt ausbleibende Tourismus bedeutete für das gesamte Wadi schwere Zeiten und verzögerte auch seine Bau-Pläne.

Adrian und ich schliefen ziemlich bequem direkt neben der Feuerstelle. Am nächsten Morgen wurden wir von einem jüngeren Bruder unseres Gastgebers in einem etwas klapprigen Gefährt für unsere Tagestour abgeholt. Die einzelnen Stationen könnt ihr besser auf den Fotos bestaunen. Unser Fahrer brachte uns an die jeweiligen Orte und setzte sich dann häufig zu den anderen Guides ins Zelt zum Shisha-Rauchen, während wir ungesichert auf Felsen kraxelten und die herrliche Aussicht bestaunten.
Ein Abenteuer nach dem anderen

Zum krönenden Abschluss durften wir noch auf einem Snowboard eine Düne heruntergleiten, wenn man denn des Gleitens mächtig ist. Adrian sah lässig aus, meine Abfahrten wurden jeweils von lautstarkem Schreien aus meiner vollen Kehle begleitet. Gruselig war’s. Und am Ende hatte ich in nun wirklich jeder Körperpore Sand. Doch eine solche Gelegenheit darf man sich auch von Angst nicht nehmen lassen!

Der Sonnenuntergang wurde natürlich vom besten Ausblick gebührend zelebriert. Als wir ins Camp zurückkehrten, wartete das köstlichste, von der Frau unseres Gastgebers zubereitete, warme Abendessen auf uns. Es war so reichlich, dass wir trotz unseres großen Hungers beim besten Willen nicht alles aufessen konnten. Nach einer zweiten Nacht unter dem Sternenhimmel und bei romantischem Lagerfeuer verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg Richtung Weltwunder Petra.

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