Nach einem Aufenthalt im Wald fühlen wir uns meist besser. Im Wald sind wir der Natur nah und erleben ihn mit all unseren Sinnen. Für einige Momente geraten dann sogar alle Sorgen in den Hintergrund. Aber was macht der Wald mit uns?
Dem Alltagsstress entfliehen: Shinrin Yoku
Es gibt viele Menschen, die gerne ein heißes Bad nehmen, um sich zu entspannen. Sie fühlen sich danach ruhig, aber dennoch belebt. Den gleichen Effekt, ohne viel Wasser zu verbrauchen, können wir mit einem bewussten Spaziergang im Wald erreichen. Dafür „springt“ man einfach ins Grüne und lässt den Wald auf sich wirken. Ohne jeglichen Druck, etwas erreichen zu müssen, können wir so dem Alltagsstress entfliehen.
Sich in das „Hier und Jetzt“ zu begeben, kann laut Psychologen im natürlichen Umfeld besser erfolgen als sitzend auf einem Meditationskissen vor einer kahlen Wand. Der Geist komme in der Natur besser zur Ruhe, denn er ist mit all den aufkommenden und überraschenden Naturreizen beschäftigt. Den schönen Blüten, den singenden Vögeln, dem würzigen Duft von Bäumen, dem Rascheln der Blätter unter den Füßen…
Das Verweilen in dieser angenehmen Atmosphäre des Waldes wird als Waldbaden (japanisch: Shinrin Yoku) verstanden. Shinrin Yoku gilt in Japan als bewährte Methode zur Gesundheitsvorsorge und Stressreduktion. Außerdem ist die Waldmedizin dort ein Forschungszweig und wird an Universitäten gelehrt.
Für das Waldbaden gibt es keine bestimmten Regeln. Mit geöffneten Sinnen wird die Umgebung im Wald bewusst und achtsam wahrgenommen. Es kann mit weiteren Entspannungsübungen wie z.B. einer Atem- oder Gehmeditation ergänzt werden.
Die Wirkung des Waldes auf Geist und Körper
Dass der Wald eine positive Wirkung auf Psyche und Körper hat, zeigt sich in vielen Studien. Nach kurzer Zeit des Verweilens im Wald, sinkt der Cortisolspiegel, der Blutdruck und der Puls. Es kommt folglich zu einem gesteigerten Wohlbefinden.
Die Formen und Muster im Wald, wie die Schattenspiele der Bäume, wirken beruhigend auf den menschlichen Organismus. Das Einzige, was uns im Wald ablenkt, ist der Wald selbst (wenn das Handy wirklich in der Tasche bleibt). Außerdem wirkt laut Farbpsychologie die Farbe Grün beruhigend auf das Nervensystem.
Das Waldklima
Auch das Waldklima trägt dazu bei, dass wir uns entspannter fühlen. Durch das dichte Kronendach der Bäume wird die Luft kühl und feucht gehalten, die Atemwege werden befeuchtet und sind weniger anfällig für Bakterien und Viren. Im Wald herrscht zudem eine hohe Konzentration an Sauerstoff in der Luft. Wir atmen besser durch und klären unsere Gedanken. Die Bäume schützen nicht nur vor greller Sonneneinstrahlung, sondern auch vor Lärm. Das Dämmerlicht im Wald ist angenehm für die Augen und zusammen mit dem Lärmschutz, wird das Parasympathikus, also der Ruhenerv, aktiviert.
Der japanische Waldforscher, Qing Li stellte in seinen Studien fest, dass die Botenstoffe der Bäume, die sogenannten Terpene, die natürlichen Killerzellen in ihrer Aktivität und Anzahl im menschlichen Blut erhöhen. Diese chemischen Verbindungen in der Luft würden wir nicht nur einatmen, sondern auch durch unsere Haut aufnehmen. Dies konnte er durch eine Vorher-Nachher-Messung feststellen. Die natürlichen Killerzellen sind Teil des Immunsystems und zerstören kranke Körperzellen. In einfachen Worten wird so das Immunsystem gestärkt.
Das Grün macht uns gesund
Dass der Anblick von Grün die Genesung stärkt, hat der schwedische Forscher, Roger Ulrich, in einer Studie in Science im Jahr 1984 belegt. Laut der Studie erholten sich Patienten in Zimmern mit Aussicht auf eine natürliche Umgebung, nach einer Operation schneller, als eine Kontrollgruppe in Zimmern mit Blick auf eine Mauer. Zudem brauchten die Patienten mit schönerer Aussicht weniger Schmerzmittel.
Schon vor ungefähr 900 Jahren sprach die Universalgelehrte Hildegard von Bingen, dass die Heilkraft der Natur ihre „Grünkraft“ ist.
Der Mensch als Teil der Natur
Das Großstadtleben ist geprägt von Hektik, Lärm und Schmutz. Viel Grün ist nicht zu finden. Im täglichen Alltagsstress vergessen wir darum schnell unseren natürlichen Ursprung. Aus diesem Grund ist es so wichtig, sich auf seine Wurzeln zu besinnen, kleine Pausen zu nehmen und ins Grüne einzutauchen.
Auch der Evolutionsbiologe Edward O. Wilson wusste, dass der Wald uns gut tun würde. Wir hätten ein existenzielles Bedürfnis nach Natur. Wir seien dafür gemacht und uns läge es in der DNA geschrieben, dass wir den Wald lieben. Demnach sei der Evolutionsprozess das Resultat für unsere Verbundenheit und Liebe zur Natur bzw. zu all dem Lebendigen. Diese Liebe nannte er Biophilia.
Mehmet C.
Ein sehr interessanter und schön verfasster Beitrag.