Von morgens bis abends beten, diverse Psalmen auswendig lernen und regelmäßige Lobgesänge – viele Menschen scheinen eine solche oder zumindest eine ähnliche Vorstellung vom Theologiestudium zu haben. Nicht wenige reagieren mit Ablehnung auf ein Studium solch einer „verstaubten“ Wissenschaft. Als evangelische Theologiestudentin muss ich mich oft für meine Studienwahl rechtfertigen – und das, obwohl ich mir kaum einen schöneren und vielfältigeren Studiengang vorstellen kann.

Die ersten Herausforderungen des Studiums
Schon der erste Blick ins Vorlesungsverzeichnis zeigte mir: Das ist genau das Richtige für mich. Von Vorlesungen über Forschungen zu verschiedenen Religionen über Seelsorge-Übungen bis hin zu Praxisseminaren in christlicher Publizistik ist für jeden Geschmack etwas dabei. Wenn ich könnte, hätte ich mich vermutlich für jede einzelne Vorlesung eingeschrieben, wären da nicht die drei alten Sprachen, die man innerhalb der ersten zwei Jahre des Studiums lernen muss: Latein, Althebräisch und Altgriechisch – es bleiben lediglich drei Monate, um diese Sprachen zu erlernen. Daran schließt sich ein Lektürekurs und die Abschlussprüfungen an. Neben den Sprachen muss man in zwei mündlichen Bibelkunde-Prüfungen sein Wissen zum Alten und Neuen Testament beweisen. Der Beginn des Theologiestudiums stellt erst einmal eine große Hürde dar.
Theologie ist außerdem ein sehr langer Studiengang: Zwölf Semester Regelstudienzeit sind für das Studium der Evangelischen Theologie vorgesehen – zumindest dann, wenn man alle drei Sprachen noch erlernen muss. Strebt man als Berufsziel das Pfarramt an, so muss man noch ein zweijähriges Vikariat nach dem Studium absolvieren sowie eine dreijährige Probezeit durchlaufen, bis man vollwertiger Pfarrer bzw. Pfarrerin ist. Das Studium selber wird in ein Grund- und Hauptstudium unterteilt. Nach dem Grundstudium absolviert jeder Theologe eine Zwischenprüfung. Mit dem Bestehen dieser Prüfung, die in der Regel nach sechs Semestern erfolgt, kann man aber leider noch keinen Abschluss vorweisen, wie das in den Bachelorstudiengängen der Fall ist.
Aber die Mühe lohnt sich! Man sagt, dass jemand, der seinen Magister Theologiae absolviert hat, sich im Verlauf des Studiums ein ziemlich breites Allgemeinwissen angeeignet hat. Das klingt nicht ganz abwegig, wenn man sich die Vielfalt des Theologiestudiums anschaut. Neben dem Erlernen der Sprachen und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Bibel befasst man sich beispielsweise auch mit der Kirchengeschichte. In diesem Fach wird einem bewusst, dass man die Geschichte Deutschlands oft besser nachvollziehen kann, wenn man sich die Rolle der Kirche in ihr vergegenwärtigt. Im Wahlpflichtbereich hat man als Theologiestudent die einmalige Möglichkeit, sich die Vorlesungen einer anderen Fakultät einmal anzuschauen und so sein Wissen auch auf andere Fachbereiche auszuweiten.
Auf der Suche nach den Antworten auf die existenziellen Fragen des Lebens
Woher komme ich? Warum bin ich? Wohin gehe ich? Mit diesen existenziellen Fragen wird sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens einmal zwangsläufig beschäftigen müssen. Im Philosophicum setzen sich Theologen mit diesen grundlegenden Fragen auseinander und lesen die Werke von großen Philosophen wie Hannah Arendt, Martin Heidegger oder Aristoteles.
Die Bibel als Grundlage des christlichen Glaubens spielt natürlich gerade für Theologen eine wichtige Rolle. Was weiß man heute über die Autoren, die die Schriften der Bibel verfasst haben? Welche Geschichten der Bibel lassen sich historisch belegen bzw. widerlegen? Und was kennzeichnet eigentlich ein Evangelium? Im Theologiestudium begegnet man den Mysterien der Bibel und darf dabei auch einmal in die Rolle des Historikers schlüpfen. Neben der „alten“ Schrift werfen Theologiestudenten auch einen Blick auf die aktuellen Konflikte. Ein Blick in die Nachrichten genügt dabei, um festzustellen, dass die Ursache vieler Kriege weltweit oft in Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Religionen liegt. Die verschiedenen Konfessionen und deren Glaubensvorstellungen zu verstehen und gleichzeitig zu hinterfragen, was das mit unseren heutigen Problemen zu tun hat, auch dem geht die Theologie nach.
Theologie: ein praxisorientierter und familiärer Studiengang
Im Laufe des langen Theologiestudiums hat man als Student immer wieder die Möglichkeit, in die Praxis einzutauchen. So wird im Gemeindepraktikum beispielsweise der Alltag im Pfarramt erfahrbar. Das Seelsorge-Tutorium gibt einen Einblick in die seelsorgerliche Arbeit im Krankenhaus oder im Gefängnis. Im homiletischen Seminar kann man sich als Theologe einmal im Predigen ausprobieren – auf der Kanzel und vor Publikum.
Während kleine Seminargruppen für Studierende anderer Fächer ein Traum bleiben, ist dies für Theologiestudenten schon jetzt Realität. Die theologischen Fakultäten zeichnen sich durch ein familiäres Klima aus und werden als solche auch sehr geschätzt. Nach einer Zeit kennt jeder Theologe so ziemlich jeden Kommilitonen und auch zwischen den Dozenten und Studenten herrscht ein sehr persönliches Verhältnis. Die Studenten sind dabei nicht nur Nummern, sondern werden mit Namen gekannt.
Klassische Vorlesungen sind an den theologischen Fakultäten allerdings eher eine Seltenheit. Durch die geringen Teilnehmerzahlen sind Übungen und Seminare im Theologiestudium sehr viel üblicher. Das hat den Vorteil, dass die Möglichkeit eines direkten Austausches zwischen den Studenten über unterschiedliche Glaubensfragen und religiöse Einstellungen besteht. Gleichzeitig verlangen die Seminare allerdings auch einen vergleichsweise hohen Arbeitsaufwand. Referate, Thesenreihen und schriftliche Hausaufgaben müssen erledigt werden – unabhängig davon, ob eine Prüfungsleistung für das jeweilige Seminar erforderlich ist oder nicht.
Vertragen sich persönlicher Glaube und wissenschaftliche Theologie?
Theologie zu studieren, bedeutet in erster Linie, sich wissenschaftlich mit Religion und Kirche zu befassen. Wer sich beispielsweise intensiv mit der Bibel auseinandersetzt, der wird früher oder später auch Tiefpunkte in seinem eigenen Glaubensleben erfahren. Fragen und Zweifel, was denn an dem eigenen Glauben noch wahr sein könne, begleiten so das gesamte Studium. Doch letztlich kann der eigene Glaube durch die intensive und kritische Reflexion sogar bestärkt werden, denn der Glaube kann reifen und tiefer gedanklich durchdrungen werden. Den eigenen Glauben in Gemeindegruppen, Gottesdiensten oder während religiöser Großveranstaltungen zu pflegen, hilft ebenfalls dabei, ein gewisses Gleichgewicht zwischen Wissenschaft und persönlichem Glauben herzustellen.
Ob bei Arbeitgebern, im Bekanntenkreis oder unter Freunden – außerhalb der Fakultät stößt man als Theologiestudent mit seiner Studienwahl nicht selten auf Ablehnung. Theologie sei nicht mehr zeitgemäß und könne zudem nicht als Wissenschaft angesehen werden, lauten die Vorurteile vieler Gegner. Oft ist eine Rechtfertigung notwendig. Während Theologie ursprünglich zu den klassischen Professionen zählte und als „Königin“ der Wissenschaften galt, können heutzutage viele Menschen nichts mehr mit Theologie anfangen.
Studium mit guten Berufschancen
Ein abgeschlossenes Studium ist heutzutage keineswegs mehr ein Garant für einen sicheren und schönen Arbeitsplatz. Wer Evangelische Theologie studiert, muss sich aber in der Regel keine Sorgen um seine Zukunft machen. Ob das Pfarramt, die Seelsorge, das Bildungswesen oder der Journalismus – mit einem abgeschlossenen Theologiestudium stehen den jungen Berufsanfängern viele Türen offen. Wenngleich sich viele Absolventen für das Vikariat entscheiden, so ist es doch auch nicht abwegig, eines Tages beispielsweise als Geschäftsführer bei VW zu landen. Es gehört ein bisschen Mut dazu, kann sich aber lohnen, wenn man sich auch auf Stellen bewirbt, die nicht explizit für Theologen ausgeschrieben sind.
Theologie – das ist ein Studium für Neugierige. Solche, die auf der Suche nach Antworten auf die existenziellen Fragen sind, die die Botschaft der Bibel begreifen und die Unterschiede der einzelnen Konfessionen verstehen wollen. Wer also einen vielfältigen Studiengang sucht, in dem man als Student vergleichsweise viele Freiheiten hat, der ist im Theologiestudium genau richtig. Nicht zuletzt zeichnen die guten Berufsperspektiven innerhalb wie außerhalb der Kirche diesen Studiengang aus.
Ich habe Theologie studiert, war Pfarrer für ein Stiftung, wurde krank, wurde Versorgungsempfänger.
Als ich mich wieder zurückmeldete bekam ich die Antwort, wir haben als Stiftung keinen Personalbedarf. Die Landeskirche kennt mich nicht! Ich bin schlichtweg zu teuer bei Wiedereinstellung!
Frau Gilbrich ich kann das genaue Gegenteil berichten zu ihrem Beitrag. Kirche kann ein grausamer Arbeitgeber sein!
Ein Pfarrer im auferzwungenen Ruhestand