Er hat sich früh über Leistung definiert. Als Sportler, Wettkämpfer ging es ihm um Ergebnisse, um Herausforderung, Verzicht und Erfolg. Bei „Wetten, dass …?“ hat Samuel Koch einen schweren Unfall gehabt und musste seither sein Leben neu ausrichten. Wir haben mit ihm über Sinnfindung und neue Aufgaben gesprochen.
Lieber Samuel, viele Jahre nach Deinem schrecklichen Unfall bei „Wetten, dass …?“ machst Du Vielen mit Deiner positiven Lebenseinstellung Mut. Was ermutigt Dich jeden Tag?
Mich ermutigen sehr viele verschiedenen Dinge: Ich habe gerade einen kleinen Jungen getroffen, acht Jahre alt, der Diabetes 1 hat und seit drei Jahren echt aufpassen muss, gerade an Weihnachten ins Krankenhaus musste. Er hat mir seine Geschichte erzählt, kannte sich bestens aus mit seiner Diagnose. Er hat zwei meiner Hörbücher gehört, die ihn ermutigt haben. Das ist für mich eine wechselwirkende Ermutigung, weil es mich natürlich gefreut und gestärkt hat. Wir waren in unschönen Umständen miteinander vereint.
Was ermutigt Dich jetzt gerade, nicht aufzugeben, wenn Du im Rollstuhl sitzt?
Es gibt einfach mehr im Leben. Ein Mehr, wofür es sich zu leben lohnt, einen Sinn im Leben. Das habe ich gerade in der intensivsten Phase nach der Rehabilitation erfahren, als ich mich allein und unverstanden gefühlt habe. Viktor Frankl hat einmal gesagt: „Wer ein `Warum´ zu leben hat, kommt auch mit dem `Wie´ zurecht.“ Dieses `Warum´ in meinem Leben gefunden zu haben, ist für mich lebenserhaltend und antreibend.
Was ist dieses `Warum´ für Dich?
Mein Glaube. In den wirklich dreckigen Tagen habe ich mich öfter gefragt: „Was soll ich jetzt noch machen? Wie kann ich noch nützlich sein?“ Da ist der Glaube eine logische Konsequenz und ich habe mich an Gott gewandt. Wenn man nicht mehr weiterweiß, macht es Sinn, sich an den Hersteller zu wenden.
Hat sich Deine Glaubenshaltung nach Deinem Unfall verändert?
Ich habe viel gehadert und gerungen. Mein Glaubensleben hat sich relativiert. Der naive Glaube, der liebe Gott beschützt mich schon, ist von mir abgefallen. Mein Glaube im Alltag hat sich durch den Unfall intensiviert. Ich sehe Gott wie einen Trainer. Wenn ich scheitere, ist er der Erste, der tröstet. Er glaubt an mich, schützt mich und stärkt mich jedes Mal neu.
Du bist Schauspieler, spielst ständig an unterschiedlichen Orten. Was bedeutet Dir der Schauspielberuf?
Ich habe mich zuerst sehr dagegen gesträubt, nach meinem Unfall den Weg weiterzugehen. Zum einen konnte ich viele Fächermodule in meinem Studium, wie Fechten, Tanzen, Steppen, nicht mehr beenden. Zum anderen bin ich auch auf Widerstand gestoßen. Aber ich habe dann gemerkt, dass die Essenz des Schauspielens mir geblieben ist: Emotionen transportieren, Menschen zum Lachen oder im besten Fall zum Nachdenken bringen. Im Optimalfall verändert das ihr Denken und Reden, ihr Handeln, ihre Gewohnheiten, den Charakter usw.
Das ist aber ein hoher Anspruch …
Ich beschwere mich, wenn wirklich gute Sätze und Geschichten aus meinen Texten herausgestrichen werden. Ich wäre nicht ausgefüllt, wenn ich nur Unterhaltung spielen würde. Ich sehe eine Chance darin, Denkräume zu eröffnen. Das ist mein Ansporn, aber das Schauspielen ist auch nicht etwas, von dem ich nie abrücken würde. So lange ich die Fantasie und Kreativität habe, mache ich weiter.
Welche Rollen reizen Dich besonders?
Letztes Jahr habe ich Goethes `Faust´ sehr gerne gespielt, den deutschen Klassiker schlechthin. Einer meiner ersten großen Rollen war Heinrich von Kleists `Prinz von Homburg´. Ich spiele gerade den `Steppenwolf´ von Hermann Hesse. Einer meiner Lieblingsrollen ist Franz Kafkas `Bericht für eine Akademie´. Aber auch alberne Rollen machen manchmal Spaß, wie die Stimme des Kapitals oder als Ötzi eingefroren im Glassarg.
Dein Arbeits- und Lebensalltag ist durch Deinen Rollstuhl sicher nicht einfach. Dabei tut Deutschland sehr viel im Rahmen der Inklusion …
Sicher. Aber da ist noch Luft nach oben. Wir sind zwar ein gut aufgestellter Sozialstaat, der für Schwächere und Benachteiligte einsteht, aber nicht in dem Maße, wie es sein könnte. Ich habe in anderen Ländern bessere Erfahrungen gemacht.
Wo ganz konkret?
In England, der Schweiz, oder auch Südafrika. Wir in Deutschland sind super demokratisch. Wann immer ich fliege oder Zug fahre, muss ich oft größere Höhen überwinden. Wenn ich dann jemanden frage: „Können Sie meinen Assistenten beim rüberheben kurz helfen?“, lautet die Antwort fast immer: „Nein, ich bin nicht versichert“. Oder: „Nein, das ist nicht mein Zuständigkeitsbereich.“
Ich kann in München in fast keinem Laden allein einkaufen gehen. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und eine Rampe dabei. Viel schlimmer sind die Barrieren in den Köpfen der Menschen. Ich habe das Gefühl, dass der Slogan gilt: „Vorschrift statt Fortschritt“. Man vergisst oft, dass die Regeln für die Menschen gemacht werden und nicht umgekehrt. In Afrika ist nichts barrierefrei und trotzdem wird angepackt. In Deutschland stimmt der Auffahrtswinkel nicht und die Rampe kommt weg. In Afrika war ich barrierefreier und inklusiver unterwegs als in Deutschland. Da fragt keiner, da hilft man.
Ich nehme an, die Frage nach Deinem größten Wunsch erübrigt sich. Du möchtest wieder laufen können.
Auch wenn es mir schwerfällt, das zu sagen. Aber: „Es gibt Wichtigeres, als sich bewegen zu können“. Ich durfte feststellen, dass es mehr gibt. Gerade in Situationen, in denen ich keine Perspektive gesehen habe, keine Träume, keine Wünsche. Dann habe ich mich an Gott gewandt und etwas erfahren, das mich trotzdem zum Schmunzeln brachte. Einen inneren Frieden. Was nützt es mir, wenn ich gesund herumlaufe, aber verbittert bin? Ich fahre lieber mit dem Rollstuhl in den Himmel, als dass ich zu Fuß in die Hölle laufe.
Tina
Bedeutet das, dass Du als Fussgänger Dich so empfunden hast? In die Hölle laufend?
Reinhard Doleschal
Ich bewundere den Mann, in allem möchte Ich zustimmen. Ob ich selbst das so schaffen würde….?!