Im Frühjahr 2020 hat unsere Autorin Helena mit der Zehntklässlerin Nathalie Gennutt über ihre Erfahrungen im Homeschooling gesprochen. Da die Schulen aufgrund der Corona-Pandemie erneut geschlossen wurden, lernt Nathalie wieder von zu Hause aus. Knapp ein Jahr später haben wir unser Gespräch wiederholt – inzwischen ist Nathalies Tag strukturierter, doch die sozialen Kontakte fehlen nach wie vor.
Nathalie Gennutt besucht inzwischen die elfte Klasse des Anne-Frank-Gymnasiums Erding. Ihre Lieblingsfächer sind momentan Mathe sowie Geschichte und Sozialkunde. Wenn sie nicht an ihrem Schreibtisch sitzt, fährt sie gerne Rad, geht wandern oder backt Kuchen.
Wie sieht aktuell dein Tagesablauf aus?
Nathalie (2020): Meistens stehe ich in der Früh auf und mache meine Schulsachen bis zum Mittag. Dann kocht meine Schwester Mittagessen oder ich übernehme das. Am Nachmittag mache ich entweder noch etwas für die Schule oder ich mache Sport und versuche mich ein bisschen abzulenken während dieser ganzen Situation.
Nathalie (2021): Ich stehe ganz normal um 8 Uhr auf. Um 8:15 Uhr beginnt oft schon die erste Videokonferenz. Im Moment machen die meisten Lehrer Videokonferenzen. Aber in Nebenfächern, wie Biologie und Geographie, haben wir oftmals auch Arbeitsaufträge, die wir selbstständig bearbeiten und abschicken müssen. Der Tag verläuft nach dem Stundenplan und danach muss ich trotzdem noch Hausaufgaben machen. Also im Prinzip ist es wie sonst auch, wenn ich Schule habe, nur halt von zu Hause aus.
Kommst du mit den Hausaufgaben gut allein zurecht?
Nathalie (2020): Man muss schon sagen, dass Schule ohne Lehrer und ohne wirklich in der Schule zu sitzen, enorm anders ist. Aber zurecht komme ich eigentlich gut. Es kommt immer darauf an, in welchem Fach und wie viel Mühe sich die Lehrer geben. Manche machen extra Youtube-Videos und posten die. Das ist total nett und man versteht den Stoff gut. Andere machen Videokonferenzen und wieder andere schreiben lieblos einen Kommentar, von wegen „jetzt sucht mal das und das raus und bearbeitet das“ und dann fällt es einem natürlich schon schwerer. Aber die meisten Lehrer geben sich Mühe und zeigen viel Verständnis. Außerdem kann man jederzeit Fragen stellen – zum Beispiel in Form von Online-Sprechstunden auf der Plattform „Teams“ – deswegen sind die Hausaufgaben nicht so ein großes Problem für mich.
Nathalie (2021): Ich habe selten Probleme mit den Hausaufgaben und das Feedback dazu ist meistens auch gut. Ich verstehe aber, dass Leute da Probleme haben, denn es ist echt etwas Anderes zu Hause. Aber da ich in der Oberstufe bin, gehört das auch dazu, dass man sich manchmal selbst informiert. Was auch super hilft und zum Beispiel unsere Bio-Lehrerin viel macht, ist in die Arbeitsaufträge Links zu Videos reinzuschicken, beispielsweise von Simpleclub. Außerdem bieten viele von unseren Lehrern an, dass wir sie anrufen können, wenn wir Fragen haben.
Glaubst du, dass es anderen Schülern schwerer fällt, im Homeschooling zu lernen?
Nathalie (2020): Ich glaube, es ist relativ schwer, einen Überblick darüber zu behalten, welche Aufgaben man bis wann abgegeben haben muss. Ich habe schon mit mehreren Leuten darüber geredet und die meinten auch, ihnen fällt es schwer, das Einreichdatum einzuhalten. Ich habe deswegen einfach meinen Kalender genommen und alles immer reingeschrieben. Ich bin jetzt in der zehnten Klasse und kann mich schon selbstständig organisieren. Aber es gibt Schüler, die damit Probleme haben – insbesondere, wenn sie nicht so fit sind mit den Medien.
Nathalie (2021): Ich kann es mir schon vorstellen, besonders in solchen Fächern wie Mathe. Da gibt es sowieso immer Leute, die sich schwertun. Ich glaube, dass es dann im Homeschooling noch schwieriger ist, gerade wenn man in solchen Fächern Schwächen hat. Allerdings fällt mir Mathe relativ leicht. Aber auch für mich gibt es Fächer wie beispielsweise Deutsch, wo es etwas komplizierter ist. Bei uns an der Schule ist es aber so, dass jeder Lehrer sehr offen ist und bei Problemen immer helfen will – deswegen funktioniert das auch problemlos.
Was vermisst du am meisten an der Schule?
Nathalie (2020): Am meisten an der Schule vermisse ich, dass man seine Leute sieht. Man verliert teilweise den Kontakt zu seinen Freunden. Klar, man kann auf Whatsapp schreiben, aber das ersetzt nicht ansatzweise den sozialen Umgang miteinander. Ansonsten vermisse ich diesen normalen Unterricht: Dass der Lehrer vorne steht und es dir erklärt und du immer was fragen kannst. Man lernt einfach besser, wenn die Person vor dir persönlich steht und du diesen persönlichen Kontakt hast.
Nathalie (2021): Am meisten vermisse ich den sozialen Kontakt, weil man in der Schule die Mitschüler sieht. Es ist nicht so wie in den Videokonferenzen, dass alle die ganze Zeit nur schweigen und dem Lehrer zuhören. In der Schule kannst du dich auch einfach kurz unterhalten. Das ist das, was ich am meisten vermisse, dieser Kontakt mit den Klassenkameraden.
Wie du sagst, ist die Schule auch ein sozialer Ort. Welche Initiativen gibt es jetzt, wo keine Schule ist, damit man trotzdem vernetzt bleibt?
Nathalie (2020): Meine Schule bietet eine Sport-App an. Dort werden regelmäßig Videos hochgeladen, um sich ein bisschen fit zu halten. Es werden auch Trainingspläne hochgeladen, die man dann umsetzen kann. Die sind sogar nach Altersstufen gestaffelt. Die Lehrer geben sich da Mühe und es ist wirklich für jeden etwas dabei, ganz egal ob Tanz oder Fußball. Gleichzeitig gibt es eine Sport-Challenge, bei der die Schüler während des Homeschoolings versuchen sollen, mehr zu laufen bzw. joggen oder wandern als die Lehrer. Das Ziel von dieser Challenge ist es, dass alle Schüler zusammen es schaffen, einmal die Route um Bayern zu gehen.
Nathalie (2021): Eine Sport-Challenge wie im letzten Jahr gibt es dieses Jahr bisher nicht. Dafür finde ich es sehr cool, dass die Zusatzkurse „CoolTour“ und „PluskursOper“ anbieten, dass man sich von der Bayerischen Staatsoper kostenfrei Aufnahmen anschauen kann. Normalerweise geht man mit diesen Kursen in die Vorstellungen und da das nicht geht, bieten sie diese Live-Streams als Ersatz an.
Gibt es auch etwas, das du am Homeschooling besser findest als am normalen Unterricht?
Nathalie (2020): Ja, man kann selbst entscheiden, wann man was macht und das ist schon praktisch. Ich stehe immer noch gerne morgens auf und mache da meine Schulsachen, damit ich es weg habe für den Tag. Dann kann ich am Nachmittag machen, was ich will oder muss nur wenig für die Schule machen. Du kannst so viel Pause machen zwischendurch, wie du brauchst oder wie du willst. Du kannst deine Sachen so schnell oder langsam lernen, wie du willst oder dir zusätzlichen Input aus dem Internet holen. So kann man mehr individuell arbeiten.
Nathalie (2021): Ich habe zwar vorher gesagt, dass der Unterricht bei uns oftmals um 8:15 beginnt, weil viele Lehrer ihre Konferenz nach dem Stundenplan machen. Aber wenn man Arbeitsaufträge hat, dann ist man viel freier, wann man die macht. Das heißt, man kann die theoretisch auch um 22 Uhr in der Nacht machen. Donnerstags ist es bei mir so, dass ich keine Konferenz am Morgen habe, da kann ich dann ausschlafen und meine Aufträge einfach später am Tag machen. Das finde ich schon cool, dass man sich ein bisschen selbst organisieren kann.
Andreas Grundig
Zum Thema Schule in Home Office bin ich ehrlich gesagt sehr skeptisch, da mindestens 50 % der Schüler schon dementsprechende Probleme bekommen haben! Besonders sozial benachteiligte Schüler oder Schüler aus kinderreichen Familien haben massive Probleme, die z. T. auch oft später erst zum Vorschein kommen! Präsenzunterricht ist für Schüler einfach besser! Die sozialen Kontakte mit den Mitschülern können nicht über WhatsApp, Twitter, Online oder über Facebook ersetzt werden. Dies ist für eine kurze Zeit realistisch und auch ok, aber diese persönlichen Kontakte benötigen wir Menschen. Alles andere führt zu Depressionen, Alleinsein und irgendwann auch zu Ängsten! Ein gewisses Wechselmodell Präsenz – Home Office ist im ausgewogenen Zeitrahmen ok, aber nicht dauerhaft! Z. B. 3/4 Präsenz und 1/4 Home Office wäre vertretbar. Man sollte immer bedenken, daß man auch Schüler mitnehmen muss, denen das Lernen schwerfällt und die in einem Klassenteam viel besser Förderungswürdig sind! Ein Lehrer muss dies als Grundlage fördern mit den Schülern direkt zu arbeiten und nicht nur alles online zu gewährleisten! Dies muss dringend Grundlage im Bildungsbereich bleiben!
Helena Gennutt
Vielen Dank für Ihren Kommentar, ich verstehe Ihre Kritik gut und halte diese auch für berechtigt. Gerade für Grundschüler und benachteiligte Schüler stellt das Homeschooling eine riesige Herausforderung dar und verlangt diesen Schülern sehr viel ab. Auch meine Interviewpartnerin hat ganz klar gesagt, dass ihr die sozialen Kontakte fehlen und als Studentin, die seit einem Jahr fast ausschließlich Zuhause lernt, geht es mir ganz ähnlich. Eine Mischung aus Präsenz- und Online-Lehre finde ich dagegen ebenfalls gut, zumal der Online-Unterricht in manchen Bereichen auch Vorteile bietet. Aber ich denke, alle Beteiligten sind froh, wenn sie wieder einen geregelten Schulalltag im Klassenraum haben.