Jeder von uns hat schon einmal Belastungen erlebt. In jedem unserer Lebensbereiche gibt es sie. Besonders prägend und schwierig sind emotionale und psychische Belastungen, die wir nicht einmal aktiv merken. Auch wenn man nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Psychologen gehen möchte, gibt es Möglichkeiten, an uns selbst aktiv zu arbeiten.
Zwar haben wir in den letzten Jahrtausenden einiges erlebt, doch unser Sympatikus kommt manchmal nicht ganz mit. Oft belasten uns Emotionen oder wir sehen nicht einmal, dass sie uns wirklich belasten. Das liegt daran, dass unser Gehirn so gepolt ist, dass es Dinge verdrängen will, die uns belasten. Der Grund dafür ist ganz klar: Wenn uns etwas belastet, schränkt es uns ein, es macht uns Angst und fühlt sich nicht gut an. Es beeinflusst uns in unserem Alltag und macht unser Leben komplizierter. Was könnte also sinnvoller sein, als das zu verdrängen und damit in die hinterste Ecke zu stellen? Damit ist es leider oft noch nicht getan.
Die möglichen Folgen von Verdrängung: Ein Teufelskreis
Vielleicht hast du auch Dinge, an die du spontan erinnert wirst und plötzlich merkst: Das hatte ich ganz verdrängt! Vielleicht sind es peinliche Momente oder auch schmerzhafte Erfahrungen. Zwar kreisen deine Gedanken nicht permanent um dieses Thema, doch wirkt es sich auf andere Weise negativ aus. Es beeinflusst dein Handeln und Denken, ohne dass du sagen kannst, warum. Und genau das ist das Perfide an der Verdrängung: Es untergräbt dein gesamtes sein, indem es sich immer tiefer in dich hineinfrisst. Wir merken es oft daran, dass wir kaum allein sein können und oft Ablenkung brauchen, um bloß nicht auf diese Gedanken zurückzukommen, die uns in eine Abwärtsspirale bringen könnten. Wir wehren uns dagegen und das hat oft schwerwiegende Folgen. Deswegen verdrängen wir immer mehr und entwickeln mit der Zeit vielleicht sogar psychosomatische Beschwerden, die wir nicht direkt auf unsere Psyche zurückführen können. Ein Teufelskreis.
Natürlich sind wir alle individuell und uns helfen nicht immer dieselben Dinge. Aber im Grunde sind wir sehr ähnlich gestrickt. Es ist jedoch wissenschaftlich erwiesen, dass unsere psychische Gesundheit durchaus starken Einfluss auf unser körperliches (Un-)Wohlbefinden hat und somit steht diese auch mehr im Mittelpunkt. Das stellt wiederum die Frage, wie wir es schaffen können, uns unseren Problemen und Belastungen zu stellen, ohne in einem emotionalen Sumpf zu landen, aus dem wir alleine nicht wieder rauskommen.
Nur erkennen, nicht urteilen!
Es ist sehr wichtig, dass wir emotional sind. Aber es ist auch sehr wichtig, manchmal das genaue Gegenteil zu sein. Stell dir vor, dass jeder auf der Welt nur seinen emotionalen Impulsen folgen würde. Vermutlich hätten wir dann sehr viel Chaos und wenig Ordnung in der Welt. Wir müssen also manchmal auch den weniger emotionalen und analytischen Part übernehmen, um zu erkennen. Natürlich gibt es Themen, bei denen es sinnvoll ist, einen Therapeuten zu Rate zu ziehen. Aber bei sehr vielen Themen können wir auch selbst aktiv werden.
So können wir beispielsweise anfangen, unsere Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Ihnen jedoch keine Wertung zu geben. Wertungen sind etwas, was menschengemacht ist, in Wahrheit hängt unsere Wertung weitegehend von unserer Perspektive und unseren Erfahrungen ab. Seine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben hilft uns hingegen, Klarheit zu gewinnen, unsere Gedanken zu sortieren und verleiht ihnen die Legitimität, die von anderen womöglich schon einmal verneint wurde. Dadurch, dass wir schreiben, haben wir eine Möglichkeit, unsere Gefühle auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wir lernen eine andere Art von Objektivität und können unseren Gefühlen die notwendige Legitimation verleihen.
Gedankenlesen gibt es nicht!
Viele unserer Verletzungen und Belastungen hängen eng mit anderen Menschen (und ihren eigenen meist unerkannten Emotionen) zusammen. Wir sind oft geneigt, anderen Menschen Anteile von Schuld zugestehen, wenn nicht sogar die gesamte Schuld auf sie zu übertragen. Oft sind wir auch gerne bereit die Opferrolle anzunehmen, die eine Legitimation dafür bildet, dass wir nichts ändern (können). Aber Tatsache ist, dass unser Schicksal nur von uns und unserer Wahrnehmung abhängt. Wir sind verantwortlich dafür und wir sind die Autoren unserer Geschichte. Aber trotzdem trauen wir uns oft nicht, anzufangen und darüber zu sprechen; die Gründe dafür sind so vielfältig, wie es die Menschen sind.
Aber du kannst anfangen und etwas in deinem Leben verändern. Sprich über dich, darüber was du möchtest und was dir wichtig ist. Oftmals sind gerade wir selbst der entscheidende Teil einer Beziehung, der eine Veränderung im Gegenüber bewirken kann. Aber wir trauen es uns nicht zu, wir trauen uns nicht, schämen uns und versinken stattdessen in Selbstmitleid, wenn unsere unausgesprochenen Wünsche unbemerkt bleiben. Wie sollen wir denn sonst auch den anderen verstehen können? Wenn du nicht darüber sprichst, dass dich etwas verletzt oder belastet, gibst du anderen Menschen nicht einmal erst die Möglichkeit, etwas zu verstehen. Selbst wenn sie es noch so gerne würden. Auch das ist Tatsache: Wir Menschen können sehr vieles. Aber eines können wir definitiv nicht: Gedanken lesen.
Ärmel hochkrempeln und Veränderung schaffen!
Der wichtigste Teil eines Genesungsprozesses ist die Veränderung des eigentlichen Handelns und im Laufe der Zeit auch die Veränderung unseres Selbst. Ja, Veränderungen sind immer ein Risiko, das hat schon der Neandertaler gewusst. Aber Veränderungen sind auch notwendig, um weiterzukommen. Wenn der Neandertaler nicht weitergezogen wäre, nachdem keine Mammuts mehr zu jagen waren, wäre er vermutlich verhungert. Das ist zwar sehr plakativ gedacht, aber im Grunde auch auf deine Emotionen übertragbar: Manchmal zwingen uns die Umstände, etwas zu verändern. Und manchmal zwingen wir uns selbst. Meistens wenn wir merken, dass es so nicht weitergeht und wir innerlich ‚am Sterben‘ sind. Dann ist es Zeit für uns, weiterzuziehen und aktiv zu werden, trotz unserer Angst.
Wir haben viele Möglichkeiten und auch die Zeit, wenn wir sie uns bewusst nehmen. Doch diese Zeit kann man unterschiedlich nutzen. Die einen versetzen sich in einen Zustand, der einer Meditation gleicht, wie Basteln und andere widerum meditieren richtig. Jeder hat hier seine eigenen Präferenzen. Dennoch ist nur das kein Ersatz für aktive Handlungen. Es liegt an uns, eine gesunde Balance für uns zu schaffen, zwischen Erkenntnissen und Handlungen. Wir sollten darauf bedacht sein, dass Veränderung immer als erstes bei uns selbst beginnt und von uns aus auch an andere weitergegeben werden kann. Wenn wir Erkannt haben, akzeptiert haben, können wir anfangen, etwas zu verändern. Am Anfang vielleicht nur kleine Dinge: Wie wir mit negativen Menschen oder belastenden Situationen umgehen. Oder wie wir unsere Gedanken ausleben, woran sie uns hindern und was unsere Glaubenssätze sind.
Vieles geschieht auch in unserem Kopf, sobald es einmal ‚Klick‘ gemacht hat, wird es leichter. Wir gewinnen plötzlich andere Perspektiven und Handlungsweisen und fühlen uns insgesamt freier. Das, was uns früher belastet hätte, wissen wir nun einzuordnen und damit umzugehen. Vielleicht können wir damit nicht alle Belastungen umgehen oder wegwerfen, aber sie zumindest erträglicher und unschädlicher machen.
Selbsttherapie, aber wann?
Natürlich ist die Selbsttherapie nicht immer und bei allem wirksam. In diesem Artikel habe ich einfachere Interventionen zusammengefasst, um sich selbst akut helfen zu können und vielleicht auch zu verstehen, wie wir mit Problemen umgehen können. Es obliegt jedem einzelnen von uns, seinen Zustand und seine Verletzungen einzuschätzen und dann die notwendigen Schritte einzuleiten, sei es der Versuch einer Selbsttherapie oder die Therapie bei einem richtigen Therapeuten.
Gerade bei schweren Traumata oder Kindheitstraumata ist es sinnvoll, einen Therapeuten hinzuzuziehen und mit diesem eine Therapie in Betracht zu ziehen. Jedoch verlangt eine Therapie auch sehr viel Engagement und ist oft ein Kampf. Manchmal fehlt die Überwindung dazu und nicht selten fehlt auch das Vertrauen. Der Weg ist steinig, aber er lohnt sich, für ein selbstbestimmteres und glücklicheres Leben, das sich jeder von uns so sehr wünscht.
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