Diese Woche ist das letzte Baumhaus der Besetzung im Dannenröder Forst gefallen. Noch wenige Tage zuvor war unsere Autorin vor Ort und hat sich ein Bild von der Räumung gemacht. Ein Kommentar.
Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal den Boden des Dannenröder Wald betreten habe. Seither hat sich dort einiges verändert. Es stehen nur noch zwei Barrios – „Oben“ und „Zukunft‘“. Die Schneise, die bereits gefällt worden ist, wurde eingezäunt und mit Stacheldraht versehen. Ich erkenne diesen Ort nicht wieder. Es fühlt sich so an, als befinde ich mich in einem ganz anderen Wald. Der Schnee und die grauen Wolken lassen die Gegend noch gespenstiger wirken als ohnehin schon.
Schritt für Schritt kämpfe ich mich durch den Matsch näher an das, was noch von der Besetzung übriggeblieben ist. Was mich erwartet, ist ein trostloser Blick. Über die bereits gerodete Fläche hinweg, sehe ich hinter den Barrikaden die letzten Baumhäuser. Menschen sammeln sich in dessen Kessel. Es gibt mehrere Lagerfeuer, um die sich kleine Gruppen bilden. In meinem Rücken befindet sich die abgesperrte Fläche, in der sich bereits zahlreiche Polizist:innen aufgestellt haben. Ich wage mich noch einige Meter in Richtung Camp, um das Geschehen aus näherer Sicht zu beobachten.
„Du bist nicht allein!“
„Die Polizei macht sich bereit!“, höre ich es aus dem Kessel laut rufen. Mehrmals warnen sich die Aktivist:innen mit dieser Aussage gegenseitig. Sie fordern sich dazu auf, sich nun anzuketten. Vorsichtig richte ich meinen Blick auf die Seite der Polizist:innen. Es fühlt sich an wie auf einem Schlachtfeld, wie ein Kriegsgebiet. Etwas anderes, ist es im Endeffekt auch nicht. Aus der Ferne sehe ich, wie sich der Zaun öffnet und langsam einige Polizist:innen in Richtung Besetzung marschieren.
Die Aktivist:innen und Beobachter:innen werden zunehmend lauter. Immer mehr Polizist:innen sammeln sich rund um die Besetzung und bilden eine Kette, damit sich auch niemand mehr Zugang zum Kessel verschaffen kann. Was folgt, ist eine Durchsage mit der Forderung, die Aktivist:innen sollen doch die Bäume verlassen, da sie damit einen „Rettungsweg“ versperren. Dieser Aufforderung folgen sie natürlich nicht.
Nur wenige Schritte von mir entfernt, unterhalten sich gerade zwei Männer mit einem Polizisten. Worüber genau sie sprechen, verstehe ich nicht. Ihre Stimmen sind zu leise, werden übertönt von den lauten Gesängen der Aktivist:innen. Plötzlich nimmt das Geschehen an Dynamik auf. Von hinten stürmt eine Polizist:innentruppe auf einen der Männer zu. Sie packen und zerren ihn in den abgesperrten Bereich. Die Menschen um mich herum zeigen sich sofort entrüstet und schockiert, denn es handelte sich um einen Beobachter und keinen der Aktivisti. Sofort rufen sie im Chor „Du bist nicht allein“ – ein gängiger Spruch, wenn eigentlich Aktivist:innen festgenommen werden. Dennoch bleibt die Frage offen, was der Mann gesagt hat und die Polizist:innen zu solch einer Handlung geführt hat.
Eine Fassungslosigkeit, die nur noch in Wut münden kann
Vorsichtig laufe ich die Polizist:innenkette entlang, in der Hoffnung einen Blick darauf werfen zu können, was auf der anderen Seite vor sich geht. Der Versuch scheitert. Auf dem Weg befindet sich zu viel Holz von den Bäumen, die zuvor gerodet worden sind. Also beobachte ich das Geschehen weiter aus der Ferne. Von da an dauert es auch nicht mehr lange bis zum ersten Mal eine Kettensäge zu hören ist. Darauf folgt nur ein lauter Knall. In mir breitet sich ein Gefühl der Machtlosigkeit aus. Was mir durch den Kopf geht, lässt sich kaum in Worte fassen.
Ich verweile noch ein wenig an der Stelle, bevor es Zeit wird, dem Ganzen den Rücken zu kehren. Es fühlt sich komisch an, zu gehen, während auf den Bäumen noch viele Aktivist:innen verharren. Trotz Kälte, trotz Regen. Mit diesem Bewusstsein nehme ich das Gesehene mit und trage die Geschichte aus dem Wald heraus. Begleitet werde ich dabei von einer Fassungslosigkeit, die nur noch in Wut münden kann. Wut über die Politik. Wut über unsere Gesellschaft. Wut über das, was aus uns geworden ist.
Für eine Mobilitätswende und Klimagerechtigkeit
Es mögen zwar unzählige Bäume gefallen sein, doch die Autobahn ist noch längst nicht gebaut. Die Kraft und Stärke der Klimabewegung bleiben bestehen. Wir sind hier noch nicht fertig. Es ging den Protestierenden immerhin nicht nur um den Schutz eines Waldes, sondern vor allem auch um eine zukunftsfähige Mobilitätswende und Klimagerechtigkeit. Wir dürfen nicht aufgeben und wir werden auch nicht aufgeben.
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