Der Schulausschuss des NRW-Landtags stimmte am 20. Mai den Änderungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für die Sekundarstufe I. zu. Diese Änderungen sollen einerseits Hausaufgaben auf ein Minimum begrenzen und an Tagen mit Nachmittagsunterricht ganz verbieten, andererseits den Nachmittagsunterricht zurückfahren. Klassenarbeiten sollen nach dem Inkrafttreten der Änderungen zum Schuljahr 2015/16 ebenfalls minimiert werden, um den durch G8 verursachten zusätzlichen Stress und Druck bei den Schülern abzubauen. All diese Änderungen werden im kommenden Schuljahr verpflichtende Vorgaben für alle Gymnasien sein, wie Sylvia Löhrmann (Grüne) mitteilte. – Aber warum?
Grund für die diversen Änderungen sollen die sich häufenden Beschwerden von Eltern und Schülern sein, die die mangelnde Freizeit, fehlenden Sozialkompetenzen, zu viel Stress und zu hohen Leistungsdruck in frühen Jahren als Gründe für ihre Unzufriedenheit nennen. Ein Comeback für G9? Nein. Lieber „entfrachtet“ die rot-grüne Regierung laut Pressebericht den verkürzten Bildungsweg statt zu G9 zurückzukehren. Doch wie viel bringt eine „Entfrachtung“ und vor allem: Wie viel ist ein Abitur in Zukunft noch wert?
Wie sinnvoll sind die Veränderungen?
Zuerst sollte die Frage gestellt werden, ob es effizient ist Hausaufgaben abzuschaffen oder auf ein Minimum zu reduzieren. Hausaufgaben sind eine Nachbereitung zum Unterricht und sollen im Unterricht Erlerntes durch Anwendung vertiefen oder auch einen Transfer zu neuem Unterrichtsstoff leisten, um selbstständiges Denken und Verknüpfen von Informationen zu fördern. Durch die Abschaffung und Reduzierung von Hausaufgaben würde dieser Kompetenzerwerb größtenteils wegfallen.
Die Minimierung von Klassenarbeiten nimmt Schülern die Möglichkeit, unter Stress und Zeitdruck zu lernen, bestmögliche Leistungen abzurufen und sachgemäß zu Papier zu bringen. Klassenarbeiten sind also nicht nur Übungen für die Klausuren in der Sekundarstufe II und im Abitur, sondern bereiten auch auf Einstellungstests und Stresssituationen im gesamten weiteren Leben vor. Daher wäre es also recht sinnfrei, Klassenarbeiten zu minimieren.
Welche Auswirkungen haben die Änderungen für die Zukunft der Schüler?
Durch den Wegfall von Unterrichtsstunden können weniger Inhalte vermittelt werden. Da durch G8 die Lehrpläne sowieso stark gekürzt wurden, würden dann noch mehr spezifische Lehrinhalte wegfallen, die Schüler vergangener Jahrgänge noch vermittelt werden konnten und die Allgemeinbildung fördern. So werden die Schüler in Zukunft zwar nicht mehr so gestresst durch ihre Schullaufbahn gehen, jedoch ist damit das Problem nicht aus der Welt, sondern verlagert sich nur um einige Jahre, denn das „entfrachtete Abitur“ kann nicht mit dem Abitur mithalten, welches vor einigen Jahren noch der Schlüssel zum Studium war.
An den Universitäten müssen die für das jeweilige Studium benötigten, nun aber ausgesiebten, Unterrichtsinhalte nachgearbeitet werden. Dies verlangt den Studenten eine plötzliche Steigerung der Produktivität und Leistungsbereitschaft ab, was viele – nicht zu unrecht – überfordert. Besonders betroffen sind davon naturwissenschaftliche Studiengänge, bei denen es weniger Studienplätze gibt, wie Medizin. Durch hohe Einschreibe- und Abbrechquoten in den ersten Semestern erhöht sich der Numerus Clausus auf die jeweiligen Studienfächer, was jedoch auf den Schulen zu einem stark erhöhten Leistungsdruck in der Oberstufe und beim Abitur führt.
So verschieben sich die Probleme des G8 durch die für das kommende Schuljahr verpflichtenden Änderungen vorerst von der Schule Richtung Universität, jedoch sind sie dadurch noch nicht aus der Welt geschafft oder gelöst, sondern beeinflussen als Wechselwirkung den Leistungsdruck und Stress der Schüler aus einer anderen Richtung heraus.
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