Sie galt als „Engel der Armen“, der sich im Geist christlicher Nächstenliebe für die Notleidenden im indischen Kalkutta engagierte. Dieses Jahr wurde Mutter Theresa von Papst Franziskus offiziell heiliggesprochen. Pater Leo Maasburg war sieben Jahre lang ihr Weggefährte und sprach in Bonn über ihr Wirken, ihr Verständnis von Mission und über die vielfältige Kritik an ihr.


Mutter Theresa. In der katholischen Kirche wird sie als Heilige verehrt. Aber auch darüber hinaus fasziniert und inspiriert sie viele Menschen. 1979 erhielt sie für ihr Engagement den Friedensnobelpreis. Sie und ihr Wirken sind aber auch bis heute umstritten. Pater Leo Maasburg war ihr langjähriger Weggefährte und kannte Mutter Theresa dadurch besonders gut. Auf Einladung der Jakob-Christian-Adam-Stiftung kam er zu einem Pressegepräch in die Bonner Missionsprokur der Salesianer. Hier sprach er über seine Erinnerungen und seine ganz persönliche Sicht auf das Wirken der Heiligen.
Ein Pater als langjähriger Reisegefährte
Pater Leo Maasburg lernte Mutter Theresa bereits 1964 in seiner Zeit als Student und Mitarbeiter des slowakischen Exilbischofs Pavol Hnilica kennen. Er war dabei, wenn der Bischof Mutter Theresa in ihrer römischen Niederlassung San Gregorio besuchte. 1983 traf er sie erneut – nun als frisch geweihter Priester. Als Dolmetscher vermittelte er zwischen Bischof Hinilica und Mutter Theresa. Als er einmal mit ihr allein war, habe sie ihn gefragt, ob er mit ihr kommen wolle. Rückblickend war ihm klar: „Sie wollte mich einfach erziehen.”
Einsatz gegen Armut im umfassenden Sinn
Pater Maasburg wurde in den Jahren, in denen er Mutter Theresa von da an auf ihren Reisen begleitet hatte, besonders von ihrer Sicht auf die Armut inspiriert: „Wir sind alle arm.” Man muss nicht nach Kalkutta kommen, um Armut zu erleben. Mutter Theresa war überzeugt davon, dass es gerade in den reichen Ländern des Westens eine noch größere Armut als die materielle gibt. Eine soziale und spirituelle Armut. Diese von ihr so beklagte „Poverty of muchness” bewegte sie dazu, für ihre im Jahr 1950 gegründete Gemeinschaft der Missionarinnen der Nächstenliebe auch über Indien hinaus Niederlassungen zu gründen. So etwa in Rom, London, New York oder Washington. Unter den Millionären der USA habe sie „die Ärmsten der Armen” gefunden.
Mutter Theresa und ihre Kritiker
Doch fand sich unter diesen Millionären auch so manch ein fragwürdiger Spender für Mutter Theresa. So etwa der Sportler und Bankier Charles Keating, der wegen illegaler Geschäftspraktiken und Betrug vor Gericht stand. Mutter Theresa sah ihn aber trotzdem als einen Wohltäter an. Nach Maasburg dürfe aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass sie offen zugab, sich in wirtschaftlichen Dingen nicht auszukennen. Auch ging Mutter Theresa mit Großspenden vorsichtig und besonnen um: Wenn sie einen Spendenscheck erhielt, fragte sie immer zuerst, ob das nicht zu viel sei. Und sie fragte den potenziellen Spender auch immer: „Und wann kommst du selbst zu den Armen?“ So lenkte sie den Fokus weg vom Geld und hin zum persönlichen Engagement, zu persönlich geübter Liebe gegenüber denen, die Liebe brauchen.
Ein weiterer häufiger Vorwurf ist jener des mangelhaften hygienischen Zustands in ihrer indischen Klinik. Mutter Theresa wusste darum, doch ging es ihr in erster Linie darum, den Kranken einen würdigen Platz zum Sterben mit den gegebenen Mitteln zu schenken, betont Maasburg.
Doch vor allem gibt der Pater aus eigener Erfahrung zu Bedenken: Wenn Kritik sachlich ist, hat Mutter Theresa sie demütig angenommen. Sie fragte bei Kritik immer zuerst: „Ist das richtig, was er sagt?“ In den ganzen sieben Jahren, in denen Maasburg mit ihr unterwegs war, habe er sie nie ein negatives Urteil über jemanden fällen hören. Hier schien ihre tiefe Glaubensüberzeugung durch, dass Gott uns nie verurteilt und er uns trotz aller Schuld immer wieder einen Neuanfang schenkt.
„We bring them Christ“
Ein weiterer, häufig vorgebrachter Vorwurf, Mutter Theresas Absicht sei primär Missionierung und nicht die Linderung von Not gewesen, verkenne, dass für sie – wie für die Kirche – beides untrennbar zusammengehört. Letztlich verstand sie unter dem heute so unzeitgemäß erscheinenden Begriff „Mission“ nicht Bekehrung, sondern tätige Liebe.
Pater Maasburg, seit 2005 Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke Österreich, erinnert sich: In dem Satz „Ich muss sie nur lieben und die Liebe bekehrt, wen sie will“, brachte sie ihr Verständnis von Mission auf den Punkt. Die tätige Nächstenliebe ist Mission. So habe sie jede neue Niederlassung ihres Ordens als je neuen Tabernakel für Jesus angesehen. „We bring them Christ.“
Dabei war Mutter Theresa keineswegs „fundamentalistisch“, wie es ihr ebenfalls häufig vorgeworfen wurde. Für sie galt immer: Wir sind geboren, um zu lieben, egal welcher Religion wir angehören. So habe sie in Indien Hindus, die gegen ihr Wirken revoltieren wollten, eingeladen: „Schauen Sie doch mal, was wir tun.“ Sie und ihre Ordensschwestern hatten dabei keinerlei Scheu, einen kranken Hindu-Priester, der von seiner Familie verstoßen wurde, in einem Tempel der Göttin Kali zu behandeln.
Für einen ganzheitlichen Blick auf Mutter Theresa
Die Berichte Pater Maasburgs, seine auf eigenen Erfahrungen mit ihr gründende persönliche Sichtweise auf Mutter Theresa, lenken den Blick auf die Vielfalt ihres karitativen Wirkens, ohne deren negative Seiten zu verschweigen. Sie helfen dabei, ein umfassendes und unvoreingenommenes Bild von der Heiligen zu erlangen und mehr über ihre Motivation, ihren Umgang mit Kritik und vor allem über ihre tiefe Liebe zu den in jeglicher Hinsicht Armen zu erfahren.
Wer mehr über die persönlichen Erfahrungen Pater Leo Maasburgs mit Mutter Theresa erfahren möchte, kann diese in dem im Zuge der Heiligsprechung aktualisierten Buch „Mutter Theresa. Die wunderbaren Geschichten“ nachlesen.
Schreibe einen Kommentar