
Du stehst auf dem Deck, das Steuer fest in der Hand, der Wind peitscht dir durch das Gesicht. Niemand kann dich aufhalten! Vor dir braut sich ein Sturm zusammen, doch du fürchtest dich nicht. Du kennst dein Ziel und nichts wird dich davon abhalten, es zu erreichen!
So oder so ähnlich müsste es wohl sein, wenn man sein Leben fest im Griff hat. Die Wahrheit ist: Wir haben unser Leben sehr selten ganz im Griff…Wir stehen zitternd am Steuer, ziehen energisch an den Seilen herum oder verdrücken uns lieber in die Kajüte. Neue Dinge reizen uns – aber nur wenn wir wissen, dass sie uns nicht überfordern. Wie genau sieht es aus in deinem Leben? Die folgenden drei Fragen können dir helfen, eine Antwort auf diese Frage zu finden:
Frage 1: Wo befinde ich mich auf meinem Schiff?
Frage 2: Wer steuert mein Schiff?
Frage 3: Was ist mein Kurs?
Natürlich wäre es möglich, noch viele weitere Fragen zu stellen. Diese drei sollen zunächst aber genügen.
Frage 1: Wo stehe ich auf meinem Schiff?
a) Die Kajüte: „Oben am Deck ist es mir zu ungemütlich. Ich werde ständig nass und der Wind ist kalt. Hier in der Kajüte ist es schön warm. Auch wenn es ab und zu einmal schaukelt, lässt es sich hier eigentlich ganz gut leben.“
b) Die Kombüse: „Ich muss das Leben genießen, solange ich kann. Außerdem weiß ich nicht, wann ich wieder Land sehen werde. Daher ist es unbedingt notwendig, immer genug Vorräte an Bord zu haben.“
c) Das Deck: „Ich muss an den richtigen Seilen ziehen, sonst läuft hier gar nichts! Leider muss ich auch noch das Steuer halten…Und wie sieht mein Schiff eigentlich aus? Man müsste einmal wieder die Planken schrubben!“
Frage 2: Wer steuert mein Schiff?
a) „Was für eine dumme Frage – Ich natürlich! Ich lasse mir da von niemandem reinreden. Jetzt muss ich nur aufpassen, dass hier nicht alles aus dem Ruder läuft…“
b) „Die anderen wissen viel besser, wohin mein Schiff steuern soll. Ich habe ja überhaupt keine Erfahrung und würde es sowieso nur auf ein Riff laufen lassen. Dann steckt das Schiff fest und es wäre meine Schuld.“
c) „Keiner. Man muss das Schiff gar nicht steuern! Ich lasse es einfach treiben, der Wind wird es schon zur rechten Zeit an den richtigen Ort lenken. Und wenn nicht, was macht das schon? Dann genieße ich eben etwas länger die frische Seeluft!“
Frage 3: Was ist mein Kurs?
a) „Der Weg ist das Ziel! Ich schaue mir die schönen Wellen an oder liege auf dem Deck. Wenn das Wetter schlecht ist, rudere ich ein bisschen und falls einmal ein Sturm kommen sollte, wachse ich an der Herausforderung.“
b) „Ich stecke mir immer wieder neue, kleine Ziele. Mal überquere ich den Ozean, mal suche ich mir eine nette Insel und bleibe dort ein paar Tage. Das schaue ich dann spontan. Am besten ist es, einfach alles auf sich zukommen zu lassen und schwere Gewässer zu vermeiden.“
c) „Es gibt ein Ziel, das ich erreichen möchte. Ich werde immer wieder vom Kurs abgetrieben, aber ich gebe nicht auf. Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich noch auf dem richtigen Kurs bin. Dann heißt es, lange Karten zu studieren und bei einer Flaute auch mal zu rudern…“
Vielleicht fragst du dich nun, was diese Fragen mit deinem Leben zu tun haben? Ganz einfach: Das Schiff ist ein Bild für dein Leben. Die erste Frage betrifft deine Einstellung zum Leben, die zweite Frage zeigt, welche Rolle andere Menschen in deiner Lebensführung spielen, die dritte Frage zielt darauf hin, welche Ziele du im Leben hast. Fest steht: Niemand von uns steht immer nur auf dem Deck oder sitzt ständig in der Kombüse. Mal steuern wir selbst, manchmal rutscht uns aber auch angesichts des Sturmes das Steuer aus den Händen. Manchmal haben wir einen festen Kurs und stellen dann fest, dass wir das Ziel nicht erreichen können.
Das Beste aus dem machen, was man hat
Jeder versucht, irgendwie das Beste aus seinem Leben zu machen. Wir stecken uns kleine Ziele, geben darauf Acht, dass wir möglichst keinen Schiffbruch erleiden und unbeschädigt die Reise zu überstehen. Wir gehen in die Schule, wollen gute Noten haben, lernen auch ein bisschen. Dann machen wir eine Ausbildung oder studieren. Wieder müssen wir lernen, um den Abschluss zu erreichen. Nebenbei treffen wir uns noch mit Freunden, haben Hobbys, pflegen ab und zu unsere Kontakte (und unseren Facebook-Account). Vielleicht heiraten wir, haben dann wieder einen neuen Kurs, kümmern uns um die Kinder und um das Haus und wenn wir alt sind, um unsere Rente. Wie gesagt: Jeder macht eben das Beste aus dem, was gerade ansteht. Ist das also alles, was das Leben ausmacht? Kann man einfach nicht mehr erwarten…?
Letzte Frage: Unter welcher Flagge segle ich?
Diese Frage könnte dich überraschen: Warum ist es wichtig, welche Flagge auf meinem Schiff weht? Die Frage nach der Flagge könnte man auch so übersetzen: Was ist mir im Leben wichtig? Der Punkt ist nämlich, dass alle zuvor gestellten Fragen von der Antwort auf diese eine Frage abhängen! Wenn es dir wichtig ist, in deinem Leben möglichst nicht zu kentern, von niemandem verletzt zu werden und niemals zu scheitern, wirst du jedes Risiko meiden und versuchen, alle Dinge zu kontrollieren. Wenn es dir am wichtigsten ist, das Leben zu genießen, wird dein ständiges Ziel das Wochenende oder der nächste Urlaub sein. Wenn du dir die Frage nach dem, was dir im Leben wichtig ist, niemals gestellt hast, dann lebst du nicht dein Leben, sondern du wirst gelebt. Weil es nichts gibt, wofür du bereit bist, ein Risiko einzugehen, wirst du niemals ernsthaft für etwas kämpfen – und auch nie über dich selbst hinauswachsen. Deine Flagge ist entscheidend dafür, ob du dich in der Kajüte, auf dem Deck oder in der Kombüse befindest. Sie ist entscheidend dafür, wer das Steuer in den Händen hält. Und in gewisser Weise ist sie auch mit dem Ziel verbunden, denn das, was ich mir wünsche, das, wofür ich mich abmühe, zeigt auch, was mir im Leben wichtig ist.
Wie kommt es dazu, dass wir uns mit einer so wichtigen Frage so selten auseinandersetzen? Wir reden über das letzte Wochenende, gehen auf Partys und machen Pläne für die (nahe) Zukunft. Aber wann hast du das letzte Mal mit jemandem über das gesprochen, was dir wirklich wichtig ist? Was dich wirklich bewegt? Vielleicht liegt der Grund dafür, dass wir über solche Themen nicht sprechen, darin, dass es überhaupt nicht notwendig ist, darüber zu sprechen. Schon in der Art und Weise, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe, und über was ich spreche, zeigt sich, was mir wichtig ist. Und das lässt sich nicht nur auf den Umgang mit meinen Mitmenschen beziehen, sondern auch auf den Umgang zu mir selbst, zu meiner Arbeit, zu meinen Hobbys. Wenn ich die letzten zwei Wochen meines Lebens betrachte, kann ich sehen, welchen Kurs ich gefahren bin – Ist es wirklich der Kurs gewesen, den ich fahren will? Ich kann die Überzeugung haben, dass mir Freundschaften sehr wichtig sind. Aber habe ich mir in den letzten zwei Wochen wirklich Zeit für diese Freunde genommen? Die Familie kann mir theoretisch sehr wichtig sein – Wie kommt es dann aber, dass ich, wenn ich nach Hause komme, lieber den Fernseher anschalte, statt mit meinem Ehepartner, meinem Bruder oder meiner Schwester zu reden?
Ein ehrlicher Blick auf unser Leben zeigt es: Unser Handeln deckt sich selten komplett mit unseren Überzeugungen. Das Leben bleibt eine Herausforderung. Die Auseinandersetzung mit ihm kann daher manchmal sehr schmerzhaft sein. Warum sie dennoch lohnenswert ist? Weil gerade in ihr großes Potenzial liegt! Wer bereit ist, ehrlich auf sein Leben zu schauen, hat auch die Möglichkeit, den Kurs zu korrigieren – und das Leben nicht mehr als unüberwindliche Herausforderung oder sinnlosen Zufall, sondern als wundervolles Abenteuer zu erfahren! Aber ob du diesen Kurs einschlagen möchtest, das hängt davon ab, unter welcher Flagge du segelst.
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