Am 6. Januar begeht die katholische Kirche das Dreikönigsfest. Vor mehr als 2000 Jahren kamen drei Weise aus dem Morgenland zum Jesuskind und schenkten ihm laut biblischer Überlieferung Gold, Weihrauch und Myrrhe. Diese Gaben drücken eines aus: Religion darf sinnlich sein [erstveröffentlicht am 06.01.2013].

Sein naturgegebener Glanz fasziniert die Menschen seit Jahrtausenden: Das Edelmetall Gold dient der Herstellung von Schmuck, Geld und rituellen Gegenständen. Die Gier, die es nach sich zog, führte in der Menschheitsgeschichte aber auch zu grausamen Kriegen und Eroberungszügen. Exemplarisch für seine religiöse Verwendung sind vor allem die prächtigen, mit Gold ausgestatteten Kirchengebäude. Reine Prunksucht und Verschwendung oder Ausdruck dafür, dass Gott das Wertvollste gebührt?
Weihrauch, der Duft des Himmels, ist ein luftgetrocknetes Gummiharz und wird sowohl zu kultischen als auch zu therapeutischen Zwecken genutzt. Aus dem römischen Kaiserkult kommend, wird er in der katholischen Liturgie seit dem 4. Jahrhundert verwendet. Wie die Schwaden des Weihrauchs so sollen auch die Gebete der Gläubigen zum Himmel emporsteigen. Überflüssiger Qualm und Hustenreizer oder duftende Symbolisierung der Allgegenwart des Göttlichen?
Myrrhe ist ebenfalls ein Baumharz, welches als Räucherwerk verwendet wird. Der Name bedeutet so viel wie „bitter“ und drückt damit aus, dass Myrrhe zwar essbar, aber nicht unbedingt genießbar ist. In der christlichen Deutung steht Myrrhe daher unter anderem symbolisch für die Bitterkeit, die das menschliche Leben vor allem in Zeiten des Leids, wie auch beim Leiden Jesu Christi, annehmen kann. Gehört die Bitterkeit des Leidens verdrängt oder gehört sie zum Leben dazu?
Sinnlichkeit gehört zur Liebe dazu
Die Gabentrias wird gemäß dem Matthäusevangelium von den drei Weisen an das Jesuskind verschenkt. Doch was soll es damit? In Bezug auf Gott könnte man auch fragen: Was soll er mit materiellen Gaben, wo er doch reiner Geist ist? Sind da die spirituellen Höhenflüge nicht wichtiger als die umfangreiche Verwendung sinnlicher Zeichen und Gegenstände, wie sie besonders die katholische Kirche praktiziert und wofür man sie nicht selten kritisiert? Und am Dreikönigstag feiert sie das auch noch.
Nein, überflüssig ist das alles nicht, denn der Mensch ist nicht nur Geist, sondern Geist in Leib. Der Leib wird nicht nur im katholischen Christentum, sondern auch in anderen Religionen in die Gottesverehrung miteinbezogen. In einer Liebesbeziehung ist es genauso: Man will nicht nur daran denken, wie man den Partner oder die Partnerin liebt, sondern man will dies auch leiblich zum Ausdruck bringen; durch Umarmungen, durch Küsse. Die Sinne wollen die Liebe zum Ausdruck bringen.
Plädoyer für eine sinnliche Spiritualität
Gold, Weihrauch und Myrrhe stehen für die drei Sinne Sehen, Riechen und Schmecken. Sie sind keine überflüssigen materiellen Dinge. Sie haben im Bereich von Religion und Spiritualität eine Bedeutung. Die Leiblichkeit des Menschen, zu dem seine Sinne und seine Sinnlichkeit gehören, hat seinen Wert. Auch Verletzlichkeit und Leiden gehören deshalb zum Leben dazu. Die pauschale Unterstellung von Leibfeindlichkeit ist unreflektiert und wird katholischer Spiritualität sicher nicht gerecht. Die Symbolik der drei Gaben ist deshalb ein Plädoyer dafür: Religion darf sinnlich sein!
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