Im September 2013 beschloss ich, den Tieren zuliebe vollständig auf Tierprodukte zu verzichten: Sei es bei Lebensmitteln, Kleidung, Kosmetik oder durch den Verzicht auf Zoobesuche und Reiten. Seitdem habe ich nicht nur zahlreiche ungefragte Ernährungstipps bekommen, sondern auch aufschlussreiche Erkenntnisse gewonnen.

Als ich mit 15 Jahren Veganer*in wurde, wurden einige Menschen plötzlich zu Ernährungswissenschaftler*innen, die sich legitimiert fühlten, ihr Halbwissen mit mir zu teilen. Schließlich demonstrieren alle Menschen gerne, was sie über Ernährung zu wissen glauben: „Aber man braucht Milch für starke Knochen, oder?!“ (Falsch.) „Du musst doch Fleisch essen, um genug Eiweiß zu bekommen!“ (Falsch.) „Pass‘ auf, dass du mit deiner veganen Ernährung nicht zu viel Gewicht verlierst!“ (Keine Sorge, ich habe sogar leicht zugenommen, nachdem ich Veganerin geworden bin.)
Damit behaupte ich nicht, dass eine vegane Ernährung automatisch gesund ist – das ist sie nämlich nicht immer. Es gibt auch Fast-Food-Veganer*innen, die nur vegane Würstchen, Kekse und Burger essen. Eine pflanzliche Vollwert-Ernährung ist natürlich deutlich gesünder. Übrigens: Die Müdigkeit, die viele Menschen nach dem Essen verspüren, stammt meist von tierischen Produkten. Als Veganer*in ist man nach dem Essen in der Regel voller Energie und fühlt sich nicht schläfrig (meine veganen Freunde würden dem zustimmen).
Offenbleiben, auch wenn es schwerfällt
Es war ein Fehler, nur mit Veganern auszugehen. Lustige Anekdote: Ich lernte meinen Partner kennen, als er sich bei einer öffentlichen Veranstaltung neben mich setzte und eine Bratwurst aß. Obwohl mich sein Essen und dessen Geruch anwiderte, konnte ich meine unmittelbare Sympathie für ihn nicht leugnen. Als wir uns besser kennenlernten, wurde er schließlich Vegetarier und ernährt sich inzwischen fast ausschließlich pflanzlich. Davor waren die einzigen Typen, mit denen ich ernsthaft ausgegangen war, Veganer, und ich hatte es so gewollt – mit ihnen hat es jedoch, aus verschiedenen Gründen, in Sachen Dating nie funktioniert. Deshalb kann ich es nur meinen Mit-Veganerinnen und Mit-Veganern sagen: Selbst wenn ihr leidenschaftlicher Tierschützer*innen sind, bleibt aufgeschlossen.
Man sollte sich außerdem als Veganer*in nicht auf ein Gespräch über Veganismus einlassen, während man an einem Tisch mit Mischköstler*innen isst. Wir sind uns einig, dass Gesprächsthemen wie Durchfall und Verstopfung schnell den Appetit verderben, richtig? Aus genau diesem Grund wird es nicht funktionieren, jemanden auf das Sterben und Leiden von Masttieren hinzuweisen, während diese Person versucht, ihr Steak zu genießen. Was soll die Person tun? Mit dem Essen aufhören? Oder leicht wütend werden, weil man ihr Esserlebnis ruiniert hat? Es ist in jedem Fall besser, über das Thema in einem anderen Kontext zu sprechen (auch wenn man beim gemeinsamen Essen aktiv auf die vegane Lebensweise angesprochen wird).
Falsche Vorstellungen über Veganer*innen
Nicht alle Veganer*innen lieben Tiere. Ich zum Beispiel respektiere sie einfach – genug, um ihnen nicht ihr Leben zu nehmen oder von sie als Ressourcen zu betrachten. Daher finde ich es seltsam, dass viele Menschen sagen, sie würden Tiere lieben, aber gleichzeitig Tiere essen. Diese Kluft zwischen eigenen Handlungsweisen und Vorstellungen ist in der Wissenschaft als kognitive Dissonanz bekannt.
Heutzutage lässt die Anwesenheit eines Veganers die Menschen um mich herum sagen: „Ja, weißt du, ich habe meinen Fleischkonsum wirklich reduziert. Ich esse inzwischen total viel vegetarisch.“ Vor sieben Jahren fühlten sich die Fleischesser*innen, die ich getroffen habe, in ihren Essgewohnheiten sicherer (und das sage ich nicht ohne Augenzwinkern). Ich schätze jeden kleinen Schritt hin zu weniger tierischen Produkten!
„Missionieren“: Zum Scheitern verurteilt

Einige Leute werden meinem Weg folgen, andere nicht. Ich habe meinen Freundeskreis nie wirklich über Veganismus belehrt (was, wie ich finde, eine gute Entscheidung war), aber einige von ihnen wurden schließlich von mir inspiriert oder es kamen andere Faktoren in ihr Leben, die sie dazu brachten, Veganismus auszuprobieren oder mehr pflanzliche Produkte in ihr Leben zu integrieren. Es ist immer schön, das zu sehen! Ich denke, dass dies neben dem gesellschaftlichen Trend in Deutschland vielleicht mit dem „Law of Attraction“ zu tun hat, das besagt, dass Gleiches sich anzieht: Die meisten meiner Freunde waren bereits oder wurden Vegetarier*innen oder Veganer*innen – allerdings auch nicht alle. Und das ist in Ordnung. Meine veganen Kekse werden von allen gern gegessen.
Zu viel diskutieren kann nach hinten losgehen. In meiner engsten Familie fiel es mir, anders als im Freundeskreis, immer schwer, stumm dabei zuzusehen, wenn sie Tierprodukte aßen. So versuchte ich über mehrere Jahre, sie zum Veganismus zu bewegen. Meine Bemühungen waren letztlich erfolglos, denn meine Mutter, die mehrere Jahre lang fast vegan gegessen hatte, und meine Schwester, die einige Zeit lang Vegetarierin war, entschieden schließlich, dass ich sie zu sehr dazu „gedrängt“ hätte und sie nun wieder Fleisch, Fisch und Co. essen wollten. Das kann man auch als „Rebound“-Effekt bezeichnen: Wenn Menschen das Gefühl haben, mit Argumenten „vollgeprasselt“ zu werden, verstärkt das oftmals ihre Ursprungsposition.
Es braucht mehr Essens-Alphabetismus oder „Food Literacy“
Es ist eine gute Angewohnheit, die Zutaten eines Produktes zu lesen. Auch wenn es anfangs vielleicht nervig ist – eigentlich sollte jede*r wissen, welchen Müll manche Lebensmittelhersteller in ihren Produkten verarbeiten. Das gilt für jede Essgewohnheit, die man befolgt, ob pflanzlich oder nicht. So schafft man Bewusstsein für den eigenen Konsum.
Zu meinem anfangs großen Erstaunen wissen viele Menschen nicht, woher einige ihrer Lebensmittel stammen und was eigentlich pflanzlich ist. Ich wurde gefragt, ob Kartoffeln oder Pilze vegan seien und ob es überhaupt vegane Schokolade gebe (ja selbstverständlich, da die Grundzutaten Zucker und Kakaobutter vom Kakaobaum sind). Food Literacy, was ich am ehesten als Essens-Alphabetismus übersetzen würde, wird nicht jeder Person in der Familie oder Schule beigebracht. Er ist jedoch entscheidend für gesunde Ernährungsgewohnheiten!
Kreativität und Gewohnheit sind das A und O
Alles ist „veganisierbar“: Sei es Lasagne, Tiramisu, Pizzakäse, die Lieblingssüßigkeiten, Eiscreme, phänomenales Gebäck, Würstchen, Steaks – wenn du es noch nicht in Geschäften oder Restaurants gefunden hast, gibt es mit Sicherheit online ein Rezept. Veganer*innen sind verdammt kreativ. Aufgepasst allerdings in Italien: Dort gilt Mozzarella nicht als Käse. Ich habe in Mailand eine Pizza „senza formaggio“ (ohne Käse) bestellt und eine mit Mozzarella bekommen… Italienische Freund*innen haben diese „Logik“ bestätigt.
Praktisch: Nach einiger Zeit als Veganer*in betrachtet man Käse, Fleisch usw. nicht mehr als Nahrungsmittel. Wenn ich in den Supermarkt gehe, gehe ich einfach schnurstracks an den offensichtlichen Tierprodukten vorbei – als ob es sie nicht gäbe.
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