Ganz gleich, wie man eine Sprache lernt, ob in der Schule, an der Universität oder zu Hause als Autodidakt: Das Üben mit Muttersprachler*innen ist der Schlüssel zum Fortschritt. Ich hatte mehrere Sprachtandempartner*innen, um mein Italienisch und Spanisch zu verbessern und habe dabei große Fortschritte gemacht, viel über die Kulturen meiner Tandempartner*innen gelernt und einige Freundschaften geschlossen, die bis heute bestehen.

In diesem Text möchte ich meine Erfahrungen teilen und folgende Fragen beantworten: Was ist ein Sprachtandem? Wie finde ich eine*n Tandempartner*in? Wie kann ich beide Sprachen am besten üben?
Was ist ein Sprachtandem?
Ein Sprachtandem besteht in der Regel aus zwei Personen mit unterschiedlichen Muttersprachen, die die Muttersprache des Gegenübers erlernen oder verbessern möchten. Bei regelmäßigen Treffen werden beide Sprachen gesprochen oder Übungen in beiden Sprachen durchgeführt. Die Personen, die an einem Sprachtandem teilnehmen, können als „(Sprach-)Tandempartner“ bezeichnet werden. Das Wort „Tandem“ bedeutet wörtlich „nebeneinander; zusammen“ – wie bei einem Tandemfahrrad, bei dem zwei Fahrer*innen sich ein Rad teilen und gleichzeitig in die Pedalte treten.
Ein Tandem finden
In den Jahren meines Bachelorstudiums in Deutschland und Frankreich habe ich verschiedene Möglichkeiten gefunden, ein*e Tandemparter*in ausfindig zu machen.
1. Per Facebook
Dies ist ein einfacher Weg für Menschen verschiedener Altersgruppen und Berufe, besonders in Großstädten. Es gibt in der Regel Facebook-Gruppen, die beispielsweise „Tandempartner [deine Stadt]“ oder „Language Exchange [deine Stadt]“ heißen. Man kann auf die Beiträge anderer Personen antworten oder selbst einen Post schreiben, in dem man beschreibt, woher man kommt, welche Sprache(n) man fließend beherrscht und welche Sprache man erlernen möchte. Ich habe mehrere italienische Tandems über Facebook gefunden. Da das erste Treffen mit der fremden Person wie ein „Blind Date“ ist, empfehle ich, sich zuerst an einem öffentlichen Ort zu treffen, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Wer in einer Kleinstadt bzw. auf dem Land lebt oder es vorziehen, Leute online zu treffen, kann es trotzdem nützlich sein, einer Facebook-Gruppe beizutreten. Ich empfehle, sich einer Gruppe namens „Learn [Zielsprache einfügen]“ anzuschließen und zu fragen, ob es in der Gruppe Muttersprachler*innen gibt, die bereit sind, mit einem ein Tandem zu bilden. Ich selbst habe diese Methode noch nicht ausprobiert, aber ein Versuch kann nicht schaden.
2. Durch einen Aushang in der Universität
Es mag in jedem Land etwas anders sein, in deutschen und französischen Universitäten jedoch gibt es Sprachzentren – Gebäude, die für die Sprachabteilung reserviert sind und in denen in der Regel ein Schwarzes Brett hängt, an dem man einen Aushang mit der Suche nach einem Tandempartner aufhängen kann. So habe ich meine erste italienische Tandempartnerin gefunden: Sie hatte einen handschriftlichen Zettel aufgehängt, auf dem stand, dass sie eine deutsche Person suche, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.
3. Über das Sprachtandem-Programm der Universität
Auch damit habe ich Erfolg gehabt. Wer studiert, kann auf der Website seiner Uni oder Hochschule nach einer Seite zur Vermittlung eines Sprachtandems suchen. Wenn die Uni eine solche Vermittlung anbietet, gibt man die eigene Muttersprache ein und die andere Person ihre. Anschließend gibt es meist die Möglichkeit, Prioritäten anzugeben, beispielsweise „Person im gleichen Studienfach“ oder „gleiches Geschlecht“. Mit etwas Glück erhält man bald eine E-Mail mit der Mitteilung, dass ein*e Tandempartner*in gefunden wurde, und den Kontaktdaten der Person. Meine kolumbianische Tandempartner*in und ich sind noch heute hin und wieder in Kontakt – drei Jahre später.
4. Durch persönliche Begegnungen
Dies ist vielleicht der schwierigste Weg, aber wer Möglichkeiten entdeckt, Muttersprachler*innen der Zielsprache zu finden, kann diesen vorschlagen, ein Sprachtandem zu bilden. Beispielsweise kann man dazu nach Veranstaltungen am eigenen Wohnort suchen, bei denen man mit hoher Wahrscheinlichkeit Menschen aus einem bestimmten Land begegnet. Ich bin zu einem traditionell kolumbianischen Fest namens “Día de las velitas“ an meiner Universität in Weimar gegangen und habe dort einen sehr netten Kolumbianer getroffen, der mir bei Small Talk sagte, er würde gerne sein Deutsch verbessern. Ich fragte ihn, ob er an einem Sprachaustausch interessiert sei, und wir trafen uns bald zu mehr oder weniger regelmäßigen Sprachübungen in Spanisch und Deutsch. Wir treffen uns seit über einem halben Jahr und sind Freunde geworden.
5. Über spezielle Websites
Ich persönlich habe damit keine Erfahrung, aber wenn man „Sprachtandem [Zielsprache einfügen]“ googelt, werden höchstwahrscheinlich verschiedene Websites gezeigt, die sich ausschließlich der Suche nach einem Sprachtandempartner widmen. Man kann dort auf neuere Beiträge antworten, die der eigenen Suche entsprechen, oder selbst einen Beitrag verfassen.
Wie man beide Sprachen spricht
Herzlichen Glückwunsch, du hast eine*n Tandempartner*in gefunden! Und was jetzt? Wenn du und dein*e Tandempartner*in die Zielsprache bereits auf einem guten Niveau oder als fortgeschrittener Sprecher sprechen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die beiden Sprachen zu üben. Nehmen wir an, ich als Deutsche habe einen italienischen Tandempartner gefunden. Eine Möglichkeit ist, dass ich nur Deutsch spreche und mein Tandempartner nur Italienisch. Üblicher ist es vermutlich, es umgekehrt zu machen: Ich spreche meine Zielsprache (Italienisch) und mein*e Tandempartner*in spricht meine Muttersprache (Deutsch), sodass wir jeweils die Sprache sprechen, in der wir uns weniger wohl fühlen, und diese verbessern.
Meine Lieblingsmethode besteht darin, jede der Sprachen für eine bestimmte Zeit exklusiv miteinander zu sprechen, sei es eine Viertelstunde oder eine halbe Stunde. Zuerst nur Deutsch, dann nur Italienisch. Dazu lässt sich auf dem Handy die Zeit stoppen oder man geht „mit dem flow“ und wechselt nach unbestimmter Zeit die Sprache. Ich halte dies für die natürlichste und hilfreichste Art, da es sich wie ein normales Gespräch anfühlt. Im echten Leben spricht man schließlich in der Regel auch nur eine Sprache und antwortet der anderen Person nicht in einer anderen Sprache.
Diese Gespräche können sich wie ein Treffen mit einem Freund oder einer Freundin gestalten, bei man über die eigenen Lebenserfahrungen, Interessen und Hobbys spricht, oder aber man wählt vorher ein Thema aus, zu dem man mehr Vokabular wissen möchte, und spricht darüber. Nehmen wir an, dass ich Musikwissenschaft studiere und für mein geplantes Auslandssemester in Russland entsprechende Vokabeln lernen möchte. Gemeinsam mit dem oder der russischsprachigen Tandemparter*in lassen sich so gezielt Möglichkeiten finden, Worte mit Musik-Bezug zu lernen. Es muss natürlich nicht das eigene Studium sein, sondern es lässt sich auch übers Kochen, ein Buchthema oder Politik sprechen.
Im nächsten Text meiner zweiteiligen Serie über Sprachtandems wird es um folgende Fragen gehen: (Wie) Können wir beide Sprachen von Grund auf neu beginnen? Was sollte ich vermeiden? Welche Alternativen gibt es, wenn ich nicht eine*n einzelnen Tandempartner*in finde?
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