„Rettet die Bienen“ – das ist das Motto des Volksbegehrens zum Erhalt der Artenvielfalt gerade in Bayern, das noch bis 13. Februar läuft. Ein Interview mit Rudolf Wittmann, dem 1. Vorsitzenden des Landesverbandes für Vogelschutz (LBV) in Ingolstadt.

Wissenschaftler und Naturschützer sprechen schon lange vom größten Artensterben seit der Zeit der Dinosaurier. Seit letztem Jahr wurde insbesondere das Insektensterben durch zahlreiche Medienberichte der Allgemeinheit bekannter. Wo zeigt sich das Insektensterben in Deutschland und insbesondere in Bayern am meisten?
Die Krefeld-Studie hat für großes Aufsehen gesorgt. Es wurde festgestellt, dass in 30 Jahren gut 75 Prozent der Fluginsektenmasse in einem Naturschutzgebiet zurückgegangen ist. Hier in Bayern gibt es Untersuchungen, die ein Professor Reichhold in Niederbayern um sein Dorf herum gemacht hat. Er sagt, in der üblichen Agrarlandschaft ist der Insektenrückgang wesentlich erheblicher. Er meint, dass noch vier Prozent der Insekten dort vorhanden sind, die einst einmal da waren. Es gibt nicht sehr viele Untersuchungen.
Vier Prozent der Insekten sind nur noch auf den Agrarflächen übrig? Was bedeutet das für das gesamte Ökosystem und den Menschen?
Insekten helfen dabei, dass wir gesunde Nahrungsmittel bekommen. In China etwa gab’s so eine Situation, da war der Spatz der größte Schädling, der die Getreideernten für den Menschen bedroht. Dann sind die Spatzen vernichtet worden. Es gab keine Vögel mehr und in der Folge sind dann auch die Bienen verschwunden. Da klettern jetzt die Menschen mit ihren Pinseln auf die Obstbäume und befruchten dort die Apfel- und Birnenblüten. Ziemlich verrückt.
Das Volksbegehren möchte das Artensterben aufhalten. Was sind die Hauptforderungen?
Die Forderungen sind noch relativ landwirtschaftsnah. Wir wollen grundsätzlich erreichen, dass weniger Pestizide eingesetzt werden. Daraus resultiert, dass im Jahr 2025 in Bayern 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Biolandbau sein soll und ab 2030 30 Prozent.
Seitdem es 2011 ein neues Bundesnaturschutzgesetz gibt, ist es in allen Bundesländern, mit Ausnahme Bayern, verboten, an direkten Flussufern und sonstigen Gewässer zu düngen und zu spritzen. Ansonsten stopft es bei Starkregenereignissen dann den ganzen Humus, Dünger und Spritzmittel in den Fluss hinein. Daher wollen wir ganz klar fünf Meter Abstand von den Bächen.
Wir fordern auch, dass eine Biotopvernetzungsstruktur aufgebaut wird. Zum Beispiel dürfen dann vorhandene Feldhaine nicht mehr abgeholzt werden, Feldgehölze und Hecken müssen stehenbleiben. Ganz toll ist auch, dass Naturschutzthemen in Zukunft in die Ausbildung von Landwirten und Forstwirten einfließen soll. In den Wäldern wollen wir mehr natürlich bewirtschaftete Wälder mit Altholz- und Totholzstrukturen erreichen. Die Regierung muss jedes Jahr berichten, inwieweit sie den Naturschutz und den Artenschutz vorangebracht hat.
Wo sind die größten Lücken im Artenschutz in Bayern, die das Volksbegehren schließen will?
Unser größtes Problem für den Artenschutz ist die industrielle Landwirtschaft. Der massive Einsatz von Düngemittel und Pestiziden, insbesondere von Insektiziden, ist ganz fatal. Wir haben ganz viel in den letzten Jahren über Glyphosat diskutiert. Glyphosat ist ein Herbizid, ein Unkrautbekämpfungsmittel. Für uns Naturschützer war immer klar: Werden die blühenden Unkräuter totgespritzt, dann finden die Bienen nichts mehr zu fressen, weil es dann keinen Nektar mehr gibt. Seit Ende letzten Jahres wissen wir aber, dass der entscheidende Faktor noch ein ganz anderer ist: Die Bienen haben bestimmte Darmbakterien. Bakterien gehören zum Pflanzenreich, die durch Glyphosatreste oder minimale Massen von Glyphosat abgetötet werden. Die Bienen verhungern dann.
Grundsätzlich ist natürlich der Siedlungs- und Straßenbau auch ein Problem. Es verschwinden ungeheuer viele Flächen. Momentan sind es in Bayern etwa zwölf bis dreizehn Hektar pro Tag. Das sind natürlich auch Flächen, die der Landwirtschaft wieder abgehen. Und da beißt sich die Katze dann wieder in den Schwanz. Dann wird auf der verbleibenden Fläche einfach intensiver bewirtschaftet. Wir sind da schon in einem Teufelskreis angekommen.
Der größte Widerstand gegen das Volksbegehren kommt vom Bayrischen Bauernverband, viele weitere Landwirte fühlen sich angegriffen. Hat das Volksbegehren auch einen Nutzen für die Landwirte?
Von diesem Volksbegehren hat nur die Landwirtschaft einen wirtschaftlichen Vorteil, weil die Landwirtschaft ist ja angewiesen auf Bestäuberinsekten. Wir können keinen Einfluss nehmen auf die Förderpolitik, wenn es dann zum Volksentscheid kommt und das neue Naturschutzgesetz rechtskräftig wird. Dann muss die Regierung Fördermöglichkeiten finden, um diese Ziele zu erreichen. Jeder Bauer, der zum Beispiel Hecken stehen lässt oder Landschaftspflege im Sinne des Naturschutzes macht, muss zwangsläufig mehr Geld bekommen. Dann geht den anderen, also den eher industriell arbeitenden Landwirten, irgendwo die Kohle ab. Die Ausgestaltung der Förderpolitik wäre dann Aufgabe der Regierung.
Damit ein Volksbegehren in Bayern zustande kommen kann, müssen sich mindestens 45 000 Bürger eintragen, doch es waren schon wesentlich mehr. Ist das bereits ein unerwarteter Erfolg?
Genau, wir hatten schnell 100.000 Unterschriften zusammen. Den Erfolg des Volksbegehrens können wir aber erst nach dem 13. Februar messen. Aber die Tendenz ist gut. Auch was alles auf Twitter, Facebook und WhatsApp geschrieben wird, ist Wahnsinn. Ich sag jetzt einfach mal so aus dem Bauch raus: Wenn alle, die etwas zum Volksbegehren posten. auch hingehen und sich eintragen lassen, dann ist es schon gewonnen.
Gibt es auch Bereiche im Naturschutz, in denen Bayern bereits erfolgreich ist?
Natürlich gibt es auch positive Aspekte. In Bayern wird sehr viel Landbewirtschaftung gefördert, die dem Naturschutz dient, wie zum Beispiel die Almwirtschaft. Tolle Erfolge im Artenschutz haben wir in Bayern auch bei den Großvögeln. Wir haben nicht nur mehr Weißstörche, sondern auch mehr Schwarzstörche. Vor 40 Jahren waren wir bei zwei bis drei Brutpaaren angekommen. Jetzt haben wir wieder einige hundert. Auch der Seeadler kommt zu uns. Es gibt Erfolge beim Wanderfalken, der sich wieder mehr und mehr etabliert und schon mal vom Aussterben bedroht war. Das sind natürlich auch charismatische Arten, aber bei der Masse der Arten haben wir erhebliche Verluste.
Wie können Bürger das Volksbegehren unterstützen?
Es reicht nicht, nur zu unterschreiben. Man muss wirklich mit Personalausweis ins Rathaus gehen. Man kann dabei die ganze Verwandtschaft und den ganzen Freundeskreis mitnehmen. Wenn jemand richtig aktiv werden will, kann er sich beim Aktionsbündnis melden und zum Beispiel Standdienst mitmachen. Und wenn jemand richtig gut ist, dann kann er sich überlegen, einen Flashmob zu machen oder sich zu verkleiden. Und wie gesagt, die sozialen Medien haben heute einen ganz entscheidenden Einfluss auf Meinungsbildung.
Seit mehreren Wochen wächst die Jugendbewegung FridaysForFuture immer mehr zu einer internationalen Jugend-Bewegung für den Klimaschutz heran. Würde eine solche Bewegung auch dem Artenschutz helfen?
Ich würde sagen, bei FridaysForFuture kann doch der Artenschutz miteingebaut werden. Auf Twitter bin ich einer der Follower von Greta Thunberg und ich finde es einfach stark, was das Mädel macht. Ich habe auch mit 16 Naturschutz erfolgreich vorangebracht. Man kann was tun und ich bin richtig ergriffen von ihren Worten, die sie jetzt in Davos an die Erwachsenen gerichtet hat.
Ein Ziel des Volksbegehrens ist auch, den Artenschutz mehr in die Bildung einzubringen. Was wäre da als erstes wichtig?
Beim Volksbegehren geht es darum, die Lehrpläne der Forstwirte und Landwirte auszumöblieren. Es wäre grundsätzlich auch wichtig, mehr ökologische Zusammenhänge auch in den Schulen zu lehren. Da gehört einfach ein bisschen Artenkenntnis dazu. Ich glaube, es wäre schon sehr geholfen, wenn die häufigen Arten von den Kindern wieder bestimmt werden können. Nur wenn ich weiß, was ich nicht mehr finde, kann ich auch den Artenrückgang feststellen. Wenn ich keinen Spatz mehr kenne, dann merke ich auch nicht, wenn er nicht mehr da ist.
Welche Möglichkeiten gibt es für jeden einzelnen auf dem Balkon und im heimischen Garten, die Artenvielfalt zu fördern?
Ganz wichtig: den eigenen Garten umgestalten, wenn es notwendig ist. Wir brauchen blühende Gärten. Wir brauchen einfach viel mehr Blüten im Garten. Das lässt sich auch auf dem kleinen Balkonkasten schon bewerkstelligen. Es gibt ein paar Zauberpflanzen, da gehören unsere meisten Kräuter dazu. Salbei, Rosmarin, Lavendel, Thymian und viele weitere blühen die ganze Vegetations- und Blühperiode durch und locken Insekten und Bienen an. Wer Platz hat, kann auch ein kleines Bienenhotel basteln. Man braucht allerdings eine gute Bastelanleitung, weil auf dem Markt leider auch sehr viel ungeeignetes Material unterwegs ist. Und dann kann man auch wirklich etwas für die Insektenvielfalt tun.
Vielen Dank für das Interview, Herr Wittmann!
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