Mit schnellen Schritten und einem breiten Grinsen betritt ESA-Astronaut Alexander Gerst das Podium, winkt, schaut in die Schar von Journalisten und nimmt auf einem Stuhl Platz. Die Journalisten applaudieren. Die Strapazen, die der 38-Jährige noch 72 Stunden zuvor durchlitten haben muss, sieht man ihm keineswegs an. Nach 166 Tagen auf der Internationalen Raumstation ISS kehrte Gerst am 10. November um 4:58 Uhr deutscher Zeit mit einer Sojus-Kapsel und zwei Raumfahrerkollegen aus Russland und den USA auf die Erde zurück. Der Start der Weltraummission am 28. Mai sei für ihn sehr emotional gewesen, eine „beeindruckende Sache“. Körperlich sei der Raketenstart aber nicht so anstrengend gewesen, wie die Landung.
Landung war wie Achterbahn fahren
Der Aufprall sei richtig hart gewesen. Die Atmung sei schwierig geworden, es habe ihm die Kehle zugeschnürt, berichtet Gerst, und sich gedacht „jetzt reicht es aber auch“. Womit die unsanfte Landung aber nicht zu Ende war, denn da gab es ja noch den Fallschirm, der die Landung eigentlich abbremsen sollte. Wegen des starken Windes, zog dieser die drei Tonnen schwere Kapsel noch rund 100 Meter durch die Steppe und ließ die Astronauten, die eigentlich aufrecht gelandet waren, noch einmal ordentlich durchschütteln und sich überschlagen. „Andere hätten dafür bestimmt Geld gezahlt, das war wie in der Achterbahn“, sagt Gerst lachend. Trotz allem sei es eine „tolle Landung“ gewesen.
Normalerweise sind Astronauten nach ihrer Rückkehr sehr geschwächt und können manchmal sogar einige Tage nicht laufen – aber nicht Alexander Gerst. Schon kurz nach der Landung in der kasachischen Steppe sprudelte er nur so vor Energie, winkte in die Kameras und unterhielt sich mit den vielen Helfern. Ärzte bescheinigten ihm schon kurz nach der Landung einen tadellosen Gesundheitszustand. „Ich weiß auch nicht warum, aber mir geht es gut, ich komme gerade vom Laufband und bin ganz baff, wie viele Leute hier sind“, sagt Gerst den Journalisten, die sich im European Astronaut Centre der ESA in Köln-Porz versammelt haben. Er verrät aber, dass er sich in der Schwerelosigkeit sehr wohl gefühlt habe und vorher sehr gut trainiert gewesen sei. „Ich habe gemerkt, dass es da oben sehr viel einfacher war zu leben, zu arbeiten und sich wohlzufühlen, als ich es vorher gedacht hätte“, erklärt Gerst. Aber auch die Tatsache, dass er ausgezeichnet auf seine Mission vorbereitet worden sei und er zudem ein „gutes Sportprogramm an Bord“ absolviert habe, hätten ihn die Strapazen gut überstehen lassen.
Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zeigte man sich äußerst zufrieden mit der Arbeit des 38-Jährigen auf dem Außenposten der Menschheit im All – Gerst habe nahezu alle geplanten Experimente durchgeführt oder gestartet. Aber natürlich ging nicht immer alles so, wie es geplant war. Beispielsweise beim Elektromagnetischen Levitator, einem in Deutschland entwickelten Schmelzofen, klemmte ein Bolzen. Nach langer Diskussion mit der Bodenkontrolle griff Gerst zur Säge, sprühte den Bolzen mit Rasierschaum ein und verhinderte so, dass Späne durch die Station flogen. „Lösung nach MacGyver-Art“, kommentiert der Astronaut lachend sein Vorgehen und hat damit auch die Lacher der Journalisten auf seiner Seite.
Endlich wieder in der eigenen Wohnung und Pizza essen
Er habe sich die Wiederanpassung an das Leben auf der Erde „viel schwieriger vorgestellt“. Er freut sich nun aber, dass er wieder mit seiner Lebensgefährtin und seinen Freunden zusammen sein und wieder in seiner eigenen Wohnung leben und Grün, sprich Wälder, sehen könnte – denn Grün gab es auf der ISS nicht. Freunde schickten ihm, während er mit 28.000 Kilometern in der Stunde um die Welt kreiste, ein Foto von seinem Garten, damit seine Sehnsucht nach Grün gestillt werden konnte. „Einfach mal das Grün zu sehen, das hat richtig gut getan“, so der ESA-Astronaut. Seine Lebensgefährtin konnte Gerst längst wieder in die Arme schließen, seine restliche Familie habe er noch nicht wiedergetroffen – die Rehabilitation steht noch im Vordergrund. „Was man vermisst hat, war jeden Tag unterschiedlich. Mal war es das Joggen im Wald, natürlich die Freunde und die Familie, mal wollte ich unbedingt einen Apfel essen“, sagt der Wissenschaftler. „Dann kamen Äpfel mit einem Care-Paket und ich wollte unbedingt Pizza“, berichtet er lachend.
Ein Blick auf die Erde ohne Ländergrenzen. Nächste Station Mars?
Kaum wieder auf der Erde, hat Gerst Fernweh. Das merkt man ihm an, wenn er von seiner Mission und seinen Eindrücken berichtet. Die Aussicht von der ISS in Richtung Erde und ins scheinbar unendliche All seien einfach beeindruckend. „Das war einer der überraschendsten Ausblicke den ich je gesehen habe. Ich hatte nicht erwartet, dass man die Sterne so sieht“, erklärt Gerst, „man hat tatsächlich Sternennebel mit bloßem Auge sehen können – und auch die Milchstraße.“. Der gebürtige Künzelsauer konnte selbst das Wahrzeichen Kölns, den Dom, aus dem All sehen. „Mit dem 800-Millimeter-Objektiv sieht man ihn astrein“, so Gerst, „selbst mit bloßem Auge kann man ihn sehen, nachts vor allem, weil der so schön beleuchtet ist“. Bis er seine Heimatstadt Künzelsau habe finden können, hätte es etwas gedauert.
Die Nordsee sei sein Orientierungspunkt gewesen, dann hätte er weit südlich von ihr gesucht. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich in der Schweiz gesucht habe“, gab der Wissenschaftler lachend zu. Nachdenklich wurde Gerst, als er von der Erde sprach. Es wirke „grotesk“ von oben zu sehen, dass die Menschen sich bekriegen, Wälder abbrennen oder die Umwelt verschmutzen würden. Ungewöhnlich sei auch der Blick auf den blauen Planeten ganz ohne Ländergrenzen gewesen. Das absolute Highlight sei aber der Außeneinsatz an der ISS am 8. Oktober gewesen – rund sechseinhalb Stunden war Gerst zusammen mit einem Kollegen im All, um Wartungsarbeiten an der ISS durchzuführen. Auf der Pressekonferenz im Hochsicherheitsbereich des DLR verriet Alexander Gerst, dass er auch gerne zum Mars fliegen würde. „Ich hätte nichts dagegen, das ist mein Beruf. Wo auch immer wir uns entscheiden hinzufliegen – das ist eine interessante Sache. Meine Zukunft liegt definitiv in der Raumfahrt“, so der 38-Jährige.
Seinen Twitter- und Facebook-Account will er weiter betreiben
Seine große Popularität hat Gerst vor allem seinen Aktivitäten bei Twitter (@Astro_Alex) und bei Facebook (Alexander Gerst) zu verdanken. Zusammen verfolgten auf beiden Plattformen fast 400.000 Menschen die Updates von Gerst aus dem All. Dabei begeisterte er vor allem durch seine spektakulären und faszinierenden Fotos von der Erde und dem All. Er wollte möglichst viel von dieser Mission speichern, mitnehmen, dafür habe er Tausende Fotos geschossen und Videos gedreht. Und möglichst viele Momente wollte er teilen. „Ich wollte eine andere Perspektive bieten auf die Welt“, sagt Gerst. Vor allem wollte er junge Menschen für die Wissenschaft und die Raumfahrt begeistern – was ihm sehr gelungen ist. Jedoch war eine Internetverbindung auf der ISS nicht immer vorhanden. „Die „Die Kommentare auf Facebook und Twitter zu sehen, das war schön“, so der Astronaut. Seinen Twitter- und Facebook-Account will er zur Freude aller seiner Fans weiter betreiben. „Ich habe noch so viele Bilder, die werde ich natürlich noch posten“, verspricht Gerst.
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