Was tun an Tagen, an denen man das Gefühl hat, dass einem die Kontrolle entgleitet? Was tun, wenn sich die Tage häufen und immer schwerer zu ertragen sind? Unsere Autorin weiß es selbst nicht, versucht sich aber an einem hoffnungsvollen Zukunftsblick.
Heute habe ich einen wütenden Tag. Ich bin wütend auf das Leben, auf graue Regentage, auf das Gefühl von Verlust und auf Menschen, die ihr Leben im Griff haben. Aber am meisten wütend bin ich auf mich selbst, weil mir die Kontrolle entgleitet und ich nicht mehr ich selbst bin. „Das ist die depressive Episode“, sagt mir mein Kopf, „das geht vorbei“.
Doch es ist nicht vorbei und mein Bauch sieht die Dinge ganz anders. Mein Bauch ist spannungsgeladen und kann sich nicht lösen von dem Gefühl, versagt zu haben. Mehr noch, immer wieder neu zu versagen. Ich gehöre nicht mehr zu den Menschen, die ihr Leben im Griff haben. Genau das verlange ich aber von mir.
Hohe Erwartungen, wenig Kraft
Ich erwarte von mir, mit einem vollen Terminkalender zurecht zu kommen und mich zu freuen auf das, was kommt. Ich erwarte von mir, leistungsstark im Job zu sein. Ich erwarte, dass ich für meine Freunde da bin und wenigstens ab und zu gute Stimmung verbreite. Die Realität sieht anders aus. Mein Terminkalender ist schon lange nicht mehr voll, weil mir schlicht die Kraft dafür fehlt.
Für den Job habe ich mich letztens eine Woche krankschreiben lassen, weil meine Emotionen übersprudelten und ich nicht mehr professionell arbeiten konnte. Vieles im Leben meiner Freunde zieht an mir vorbei und zur guten Stimmung trage ich schon seit Wochen nichts mehr bei. Sie unterstützen mich. Doch insgeheim frage ich mich, wie viel ich ihnen von mir zumuten kann – wo ich doch schon mir selbst zu viel bin.
Ein Blick in die Zukunft
Ich möchte einen Zukunftsblick wagen: Vielleicht wache ich morgen auf und realisiere, dass es keinen Sinn hat, härter zu mir selbst zu sein als zum Rest der Menschheit. Beim ersten Kaffee, den ich eigentlich nur schnell runterkippen wollte, scheint die Sonne in mein Gesicht und ich nehme mir ein bisschen Zeit, um entspannt in den Tag zu starten. Das Wort „Pause“ klingt auf einmal wie Musik in meinen Ohren – und wen kümmert es, dass ich davon zurzeit übermäßig viel brauche?
Auf der Arbeit läuft nichts, wie es soll und ich bin schon wieder sichtlich aufgewühlt, aber das ist okay. Starke Emotionen sind zurzeit nun mal Teil von mir. Bei meinen Freunden bin ich kein Sonnenschein, aber ich lasse es zu. Lasse zu, einfach in grauer Stimmung bei ihnen zu sitzen, ohne mich selbst unter Druck zu setzen. Ab und zu ziehen sich meine Mundwinkel sogar wie von selbst nach oben und ich empfinde so etwas wie echte Freude.
Mein Tag ist immer noch wütend.
Aber mit Hoffnung.
Und die Hoffnung halte ich ganz, ganz fest.
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