Zwei Frauen machen sich auf den Weg. Bereits in der Frühe des dritten Tages eilen Maria von Magdala und Maria, die Mutter Jesu von Nazareth, an den Ort, an dem sie Jesus am Vorabend des Sabbats zur Ruhe gelegt hatten. Sie wissen eigentlich gar nicht ein und aus. Noch immer bedrückt sie das, was am Karfreitag geschehen war: Ihr Freund, Herr und Erlöser Jesus war gestorben. Wie sollte es nun weitergehen? War die Sache mit Jesus von Nazareth nun wirklich zu Ende?

Im Johannesevangelium lesen wir über den Lieblingsjünger Johannes, der das geöffnete Grab nach Petrus als zweiter betreten hatte: „Er sah und glaubte“ (Joh 20, 8). Johannes tritt ins Grab, er sieht die Leinenbinden Jesu und sein Schweißtuch, das an einer anderen Stelle liegt. Was war in dieser Nacht geschehen? Hatte man den Leichnam Jesu gewaltsam aus den Leinenbinden entfernt und gestohlen? War Jesus gar nicht am Kreuz gestorben? Hatte er sich etwa selbst aus den Leinenbinden befreit und schlich nun irgendwo am Tageslicht herum?
All das ging dem Jünger Johannes beim Anblick der Leinentücher Jesu nicht durch den Kopf. Er sah und glaubte. Er sah, dass die Leinentücher Jesu nicht verändert oder beschädigt worden waren, sondern so dalagen, als wäre der Leichnam einfach so aus ihnen verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Die Leinentücher waren schlicht in sich zusammengesackt. Die Bänder, die Leinentücher und Leichnam gewöhnlich zusammenhielten, waren noch an Ort und Stelle. Johannes sah dies und glaubte: Jesus war von den Toten auferstanden.
Auferstehung – Wandel, Übergang in die Ewigkeit Gottes
Doch was bedeutet Auferstehung ganz konkret? – In der Heiligen Schrift lesen wir davon, dass Jesus seinen Jüngern erscheint. Besser noch: Er, der lebt, begegnet ihnen – persönlich, berührbar, real. Die Begegnung mit dem Auferstandenen ist genauso vertraut wie außergewöhnlich. Jesus lebt. Er ist ganz derselbe, wie ihn seine Jünger kennen und kannten. Und dennoch ist die Begegnung mit ihm anders als vorher.
Auferstehung bedeutet nicht Rückkehr zum Alten, in die irdische Existenz, sondern Wandel, Übergang zum Neuen, in die Ewigkeit Gottes. Mit Jesus wird nicht mehr alles so, wie es früher einmal war. Gott macht die Passion und den Tod seines Sohnes nicht einfach ungeschehen. Eben deshalb kann Jesus auch nicht mit seinem irdischen Leib aus dem Grab „kriechen“ und sich seinen Jüngern zeigen. Sein irdischer Leib wurde am Kreuz zerstört. Am Leichnam Jesu vollzieht sich eine Verwandlung: Gott schenkt Jesus einen verklärten neuen Leib, an dem die Wundmale des Gekreuzigten bleibend sichtbar sein werden. Er begegnet den Menschen bereits aus der Ewigkeit, aus der er kommt und in die er wieder zurückkehren wird: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. […] Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ (Joh 20, 17).
Was hat sich in dieser Nacht ereignet, in der Jesus Christus von den Toten auferstanden ist? – Auferstehung, Rückkehr zum Leben, Übergang ins ewige Leben – und zwar als ein ganz realer und geschichtlicher Vorgang, bei dem Gott selbst in die Welt eingegriffen hat. Paulus führt uns die Bedeutung der Auferstehung deutlich vor Augen: „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos“ (1 Kor 15, 14). Gott erweckt Jesus Christus von den Toten – und lässt dabei seinen gekreuzigten Leichnam nicht links liegen. Jesus lebt nicht als „reiner Geist“ oder als „reine Seele“ weiter.
Am Ostermorgen hat sich die Materie des in das Grab gelegten Leibes Jesu in verklärte Materie, in Energie, in Licht verwandelt. Der Münchener Philosoph Béla Weissmahr SJ spricht im Zusammenhang mit Jesus Christus von „personalisierter Materie“: In Jesus Christus ist die Entfremdung von Geist und Materie so überwunden, dass Jesus in Geist und Materie so sehr zu sich selbst gekommen, so sehr bei sich, dass sein Körper von seiner Person, von seinem Geist durchdrungen ist. Seine Leiblichkeit ist daher nicht bloße Materialität, sondern personalisierte und geistige Materie, die in der Osternacht zu verklärter und erhöhter Materie wird.
Auferstehung als liebende Hingabe des Vaters
Die Auferstehung Jesu ist die letzte Konsequenz der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Wenn Jesus Zeit seines Lebens und bis hinein in den Tod, immer nur vom Vater her und auf den Vater hin lebte, mithin die reine Beziehung der zweiten göttlichen Person war, so konnte er nicht im Grab bleiben. Seine Beziehung zum Vater errettete ihn vielmehr aus dem Tod. Es war die ewige Liebe des göttlichen Vaters zum göttlichen Sohn und des göttlichen Sohns zum göttlichen Vater, die die „Sprengkraft“ der Auferstehung mit sich brachte: Durch diese Kraft schaute der irdische Leichnam Jesu die Verwesung nicht (Apg 13, 37) und konnte am dritten Tag von „personalisierter Materie“ in einen verklärten Auferstehungsleib übergehen.
Der Auferstehungsleib ist ein ewiger und unvergänglicher Leib, der die Male des irdischen Leibes Jesu trägt. Der Kreuzweg ist mit der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi nicht annihiliert, ignoriert oder vergessen, sondern aufgearbeitet, vollendet und erhöht. Am Auferstehungsleib Jesu wird deutlich: Die Passion war notwendig, sie hat allerdings nicht das letzte Wort. So schreibt der hl. Johannes Chrysostomos über den irdischen und den verklärten Leib Christi: „Wenn du das erloschene Auge siehst und den entstellten Mund und den regungslosen Leib, so denke nicht bei dir selbst: Jetzt redet nimmer dieser Mund, nimmer schauen diese Augen, nimmer wandeln diese Füße; alles verfällt rasch der Auflösung. Sage lieber: Dieser Mund wird besser reden, diese Augen Größeres schauen, diese Füße über Wolken schreiten, der verwesliche Leib wird mit Unsterblichkeit sich umkleiden, und herrlicher bekomme ich den Sohn wieder. Und wenn das, was das Auge schaut, dich zur Trauer stimmt, so sprich zu Dir selbst: Ein Gewand ist es, das er abgelegt hat, um es kostbarer zurückzuerhalten; ein Haus ist es, das abgebrochen wurde, um glänzender wieder zu erstehen.“
Die heilige Eucharistie – der Leib Christi
Vielleicht führt uns diese Betrachtung über den verklärten Leib Christi auch zu einem besseren Verständnis der heiligen Eucharistie, in der Jesus Christus auch heute ganz real auf der Erde gegenwärtig wird. Wie der irdische Leib Jesu in der Auferstehungsnacht durch die Liebeskraft Gottes in einen neuen Leib verwandelt wurde, so wird bei der Wandlung durch die Vergegenwärtigung der Lebenshingabe Jesu an seinen Vater die Natur des Brotes und die Natur des Weines in Leib und Blut Christi verwandelt. In der Eucharistie empfangen wir also weder Brot noch ein Stück aus dem irdischen Leichnam Jesu. Vielmehr empfangen wir den ganzen auferstandenen und verklärten Christus selbst, der den Relationen von Raum und Zeit entzogen ist und aus der Ewigkeit in uns eingeht.
Weil wir den verklärten Leib Christi und nicht seinen irdischen Leib, der von Maria geboren worden ist, empfangen, merken wir an den äußeren Gestalten von Brot und Wein auch keine Veränderung. Doch Christus hat verborgen mit seinem Leib in diesem Brot bereits Wohnung genommen, wie er einst mit seinem Leib die Wand des Abendmahlsaals durchschritt. In der Eucharistie empfangen wir nicht irgendein Symbol, sondern den ganzen und realen Jesus Christus, der für uns den Kreuzweg gegangen und auferstanden ist. Und wenn uns der Priester beim Spenden der Kommunion „Leib Christi“ sagt, so wissen wir: Hier ist wirklich Christus gegenwärtig. Wir empfangen ein „Stück“ aus der Ewigkeit, Jesus Christus selbst, der Raum und Zeit überwunden hat.
Zur Vertiefung: Georg Dietlein, Unter dem Geheimnis des Kreuzes. Betrachtungen zum Kreuzweg, München 2014.
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