In der Debatte um das Abtreibungsgesetz in unserem Nachbarland Polen spielt der Glaube eine wichtige Rolle. Aber nicht nur Polin und Katholikin zu sein, sondern gleichzeitig auch im Bereich “Schwangerschafts-(Konflikt)-Beratungen” in Deutschland zu arbeiten, ist ungewöhnlich. firstlife hat eine Diplom-Pädagogin interviewt, die genau zwischen diesen verschiedenen Seiten der Abtreibungsdebatte steht.
Seit Januar galt in Polen das neue Abtreibungsrecht, nach welchem ein Fötus mit schweren Schädigungen nicht mehr abgetrieben werden darf. Die Gesetzesänderung wurde mit andauernden Protesten, auch während der Corona Pandemie, begleitet. International wurde debattiert und Organisationen, wie Amnesty International, beklagten einen Rückschritt der fundamentalen Menschenrechte. Ähnlich ist die Meinung unser Interviewpartnerin, die in Polen aufgewachsen ist und die deutsche Staatsbürgerschaft hat: „Die Situation ärgert mich. Zum einen denke ich, das kann jetzt nicht wahr sein, in welchem Jahrhundert leben wir? Andersherum kenne ich auch die Geschichte Polens und das Land ist schon sehr katholisch geprägt“.
Damit erwähnt sie einen der Kernfaktoren, die hinter dem neuen Abtreibungsgesetz stehen. Rund 87 Prozent der polnischen Staatsbürger gehören der römisch-katholischen Kirche an. Ihr wird ein großer Einfluss in dieser Debatte nachgesagt, in welcher sie das komplette Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen fordert. Die Beraterin für Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonflikt-Beratungen spricht sich klar gegen eine solche Vorgehensweise aus: „Ich frage mich, wie man die Bedürfnisse der tausenden Frauen und die Notlage der Betroffenen, die auf die Straßen gehen, einfach nicht ernst nehmen kann.“
Wider dem Glauben
Frauen mit ihren Nöten in einer solchen Lage ernst zu nehmen, ist ein wichtiger Aspekt in dem Beruf unser Interviewpartnerin, die hier lieber anonym bleiben möchte. Sie führt auch Schwangerschaftskonflikt-Beratungen durch, die Frauen durchlaufen müssen, um eine legale Abtreibung in Deutschland durchführen lassen zu können.
Ihr katholischer Glaube lehrt sie, dass jedes Menschenleben von der Empfängnis an, zu schützen ist, was laut der Beraterin auch ein Grundprinzip der Schwangerschaftskonfliktberatung ist. Für die Polin lassen sich dieser Glaubensansatz und ihre Arbeit problemlos miteinander vereinen. „Ich sehe da nichts Widersprüchliches. Ich bin für die Frauen da und berate sie so, dass sie für sich eine Entscheidung treffen können, wobei die meisten schon mit einer Entscheidung in die Beratung kommen“, erklärt sie.
Genau dieses Vorgehen ist es auch, welches die Familienberaterin im Zusammenhang mit ihrer Arbeit betont. „In der Beratung geht es darum, den Frauen alle Möglichkeiten aufzuzeigen und auszuarbeiten, welchen Weg die Frauen gehen möchten. Meine Rolle ist es, ein offenes Ohr zu haben, genau hinzuhören und zu schauen, welche Informationen sie noch brauchen. Es geht nicht um persönliche Meinungen“, so die Diplom-Pädagogin.
Eine Debatte der Generationen
Dass sich in ihrem Leben die beiden Seiten der Abtreibungsdebatte verbinden, stellt für die selbstbewusste Frau kein Problem dar. Trotzdem hat sie für ihre Arbeit auch Kritik von ihrer polnischen Familie bekommen. „Ich hatte es zwei, dreimal, dass ich während des Besuchs damit konfrontiert worden bin, wie ich so etwas machen kann (Frauen, die einen Abbruch erwägen, zu beraten). Da hatte ich schon das Gefühl, dass ich mich rechtfertigen muss. Aber auch in meiner Familie gibt es da unterschiedliche Haltungen. Es ist auf jeden Fall deutlich, dass es da einen Generationen-Unterschied gibt“, beschreibt sie die Situation.
Diese Aussage passt zu den Bildern der vergangenen Monate. Vor allem die jüngere Generation protestierte laut in den polnischen Städten gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Fast 100.000 Menschen gingen Ende Oktober auf die Straße, auch aus Angst vor der Zukunft. Denn durch die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen werden die Betroffenen nun für einen solchen Eingriff ins Ausland gehen müssen, was oftmals mit hohen Kosten verbunden ist.
Fragliche Zukunftsaussichten
„Das ist nicht die richtige Lösung. Wenn etwas verboten wird und jemand es trotzdem machen möchte, dann findet er auch einen Weg dahin“, kommentiert die Dipl. Pädagogin die Situation. „Ich denke, dass es ein Grundrecht ist, was wir alle haben sollten, dass wir, egal in welchem Bereich, die Wahlmöglichkeiten haben sollten, um Entscheidungen treffen zu können. Dafür müssen wir natürlich umfangreiche Informationen haben und so sehe ich meine Arbeit. Ich versuche, den Frauen so viel zu vermitteln, dass sie alle Fragen für sich selbst beantworten können“, reagiert sie auf die Frage, wie sich die Lage in ihrer Heimat ändern sollte.
Von dieser Wunschvorstellung rückt unser Nachbarland aber gerade eher mehr und mehr ab. So ist die Diskussion um Abtreibungen nur eine von vielen Entwicklungen, die gerade scharf kritisiert werden. Das wiederkehrende Problem scheint vor allem zu sein, dass, selbst wenn sie zu tausenden auf die Straße gehen, nicht alle Menschen in dem Land gehört werden. Ob die Gesetze um Schwangerschaftsabbrüche zukünftig wieder gelockert werden, ist fraglich. Bis dahin fehlt den Frauen in Polen die Freiheit, eine Wahl zu treffen, die mit mehr Optionen, vielleicht zu einem anderen Ergebnis führen würde.
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