An wen richtet sich Gottes Wort in erster Linie? Die Antwort bietet das Evangelium des vierten Fastensonntags. Ein Impuls von Benedikt Bögle.
Gott fordert einen untadligen Lebensstil, gute Werke, eine fromme Gesinnung. Folglich ist er in erster Linie ein Gott der Frommen und der heiligen Menschen. Das ist eine Ansicht, die man so immer wieder hören kann. In der Kirchengeschichte traten immer wieder Gruppen auf, die von sich behaupteten, die „wahren“ Christen, die Reinen oder die Heiligen zu sein – die ersten Ansprechpartner Gottes. Entspricht das der Realität?
Jesus und die Sünder
Das Evangelium des vierten Fastensonntags (Lukas 15,1-3.11-32) zeichnet ein vollkommen anderes Bild. Zöllner und Sünder kommen zu Jesus, um ihn zu hören. Zöllner standen immer im – oft auch durchaus begründeten – Verdacht, mehr Gebühren zu erheben, als offiziell vorgegeben. „Sünder“ kann viele Menschen meinen. Sie alle kommen zu Jesus, die Pharisäer und Schriftgelehrten empören sich über das Verhalten Jesu: Wie kann er nur! Es sind ja Sünder, mit denen er hier zusammensitzt. Besteht da nicht die Gefahr, sich mit ihrer Sünde gemein zu machen, sie vielleicht sogar gutzuheißen?
Eine zerbrochene Familie
Nein, findet Jesus, und erklärt das Ganze mit einem Gleichnis, das wohl das bekannteste der ganzen Bibel sein dürfte. Es geht um einen Sohn und seinen Vater. Der Sohn lässt sich sein Erbe vorzeitig ausbezahlen, verlässt die familiäre Landwirtschaft und geht in die weite Welt. Das Ziel: möglichst viel Spaß. Es dauert gar nicht lange und das Erbe ist aufgebraucht. Der arme Sohn muss als Schweinehirt arbeiten. Zu Essen hat er kaum, also isst er aus dem Trog der Schweine. Für das jüdische Umfeld, in dem Schweine unreine Tiere sind, muss dieser Sachverhalt beinahe unerträglich geklungen haben. Da ärgert sich der Sohn über sein eigenes Verhalten, das ihn in diese Situation gebracht hat. Zuhause bei seinem Vater haben sogar die Tagelöhner ein gutes Leben!
Ein unerwarteter Empfang
Also beschließt er, zurückzukehren. Er hofft gar nicht darauf, der Vater möge ihm verzeihen und als Sohn wieder aufnehmen. Er könnte schon mit einer einfachen Anstellung leben – hat die Rechnung aber ohne seinen Vater gemacht. Der nämlich wartet längst mit ausgebreiteten Armen auf seinen „verlorenen Sohn“ und vergibt ihm. Er lässt ein prächtiges Fest ausrichten: „Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ Ein sehr berührendes Verhalten. Mit dieser Geschichte will Jesus zeigen, wie Gott ist: Er trägt nicht nach, sondern wartet auf den Sünder, vergibt ihm.
Doch das gefällt nicht allen. Denn der verlorene Sohn hat einen älteren Bruder. Der ist der perfekte Sohn. Er hat nicht seinen Erbteil durchgebracht und den Vater verlassen, sondern hat immer brav und fleißig gearbeitet. Er ist erschüttert über das Verhalten des Vaters, der für den zurückgekehrten Sohn sogar ein Mastkalb schlachten ließ. Er sagt zu seinem Vater: „Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich ein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.“ Für ihn keine Ziege, für den sündigen Bruder aber ein ganzes Kalb!
Loyalität ohne Lohn?
Genauso hatten sich die Schriftgelehrten und Pharisäer geäußert: Sie, die alle Gebote beachten, sind nicht die ersten Ansprechpartner Jesu – sondern die Sünder. Für sie macht Gott alles. Das widerspricht jeder menschlichen Logik, die Loyalität eigentlich belohnt sehen möchte. Der Treue soll den besten Platz bekommen. Diese Logik spielt für Gott aber keine Rolle. Dem Verlorenen verzeiht Jesus nicht nur, sondern geht ihm nach. Wer ihn verlässt, wird freudig mit einem Fest aufgenommen.
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