Während Pressesprecher versuchen, ihre Themen in den Medien unterzubringen, sollen Journalisten möglichst unabhängig handeln. Trotzdem können Presse und PR nicht ohne einander. Sie beeinflussen sich und sind abhängig voneinander. Eine Verhältnisbestimmung von Elisabeth Heiß.
Journalisten sollen ihre Leser, Hörer und Zuschauer informieren und unterhalten, sollen die Politik kontrollieren, Kritik an Missständen üben und vor allem: unabhängig bleiben. Diese Werte und Ziele sind allerdings normativ, die Realität kann durchaus anders aussehen. Ohne Journalisten mutwillig unsaubere Methoden zur Generierung von Schlagzeilen vorzuwerfen, kann man sagen, dass auch das Umfeld, in dem Medien produziert werden, Schwierigkeiten verursachen kann.
Auf Journalisten lastet ein enormer ökonomischer und zeitlicher Druck. Jeder Mediennutzer bekommt die neuesten Nachrichten auf sein Smartphone gesendet. Obwohl eine Wochenzeitung zum Beispiel erst nach sieben Tagen erscheint und so eigentlich relativ viel Zeit für die Recherche und das Schreiben von Artikeln bleibt, ist an die Redaktion heutzutage eigentlich in fast jedem Medium eine Onlineredaktion gekoppelt. Die hat diese Zeit nicht. Über soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook oder natürlich die Website der Zeitung müssen die neuesten Nachrichten praktisch minütlich aktualisiert werden, um anderen Medien nicht hinterherzuhinken. Das führt zu einem enormen Konkurrenzdruck innerhalb des Mediensystems. Gleichzeitig steht in den Redaktionen immer weniger Personal zur Verfügung, um die einzelnen Aufgaben zu erledigen. Oft wird kritisiert, dass keine Zeit für Recherche bleibt.
Tasche Information gegen Aufmerksamkeit
Pressemitteilungen von Unternehmen haben es so oft einfacher, in die Medien zu gelangen. Themen können nicht immer selbst von den Journalisten anrecherchiert werden, sie gelangen über Pressesprecher in die Medien. Journalisten sind auf Pressesprecher angewiesen, um an Informationen zu kommen. Denn in Deutschland haben private Unternehmen erst einmal keine Auskunftspflicht gegenüber Journalisten. Fazit: Der Journalismus braucht Public Relations.
Umgekehrt stellt dieses Fließenlassen von Informationen das Hauptziel der Public Relations dar: Das eigene Unternehmen, die eigene Organisation in den Medien präsent zu machen, und das auf eine Art, die dem Unternehmen nützt. Durch eigene Webseiten, Twitter- und Facebookprofile haben Unternehmen längst die Möglichkeit, direkt mit möglichen Kunden in Kontakt zu kommen. Medien sind trotzdem sehr wichtig, denn diese Art von Berichterstattung gilt als nicht parteiisch und unabhängig. Diesen Vorteil versuchen Pressesprecher mit dem gestiegenen Druck auf die Medien zu verbinden. Der Tausch heißt: Information gegen Aufmerksamkeit in der Berichterstattung. Auch die Unternehmen brauchen also die Journalisten, um ihre Ziele zu erreichen.
Journalismus beeinflusst Public Relations – und umgekehrt
Aber ist die Berichterstattung über Unternehmen wirklich unabhängig? Nur teilweise. Tatsächlich haben Studien bewiesen, dass Public Relations einen erheblichen Einfluss auf den Journalismus haben. PR bestimmt sowohl die Themen, als auch das Timing, wann welche Themen in die Medien kommen. Durch Pressemitteilungen und Konferenzen entscheiden Unternehmen und Organisationen, wann Journalisten von wichtigen Themen erfahren. Die müssen sich meist, wenn keine Möglichkeit für investigative, also verdeckte, Recherche bleibt, nach den Pressesprechern richten. An denen führt oft kein Weg vorbei.
Gleichzeitig beeinflusst der Journalismus aber auch die PR: Die Darstellungsformen verändern sich, Texte werden immer journalistischer gestaltet. Wenn die Pressemitteilungen schon so aussehen und geschrieben sind wie journalistische Texte, besteht eine größere Chance, dass die Texte glaubwürdiger wirken und ohne Veränderungen – zumindest zum Teil – von den Medien übernommen werden. So schickt zum Beispiel die Umweltorganisation Greenpeace eigene Kamerateams zu ihren Aktivisten, die diese dann interviewen. Diese Interviews wirken so, als würden unabhängige Journalisten, die nichts mit Greenpeace zu tun haben, zufällig vor Ort sein und das Geschehen filmen.
Alles Lügen?!
Das Vorurteil, dass Pressesprecher lügen und größtenteils falsche Meldungen verbreiten, um eigene Vorteile zu erreichen, kann aber so nicht bestätigt werden. Auch Pressesprecher müssen sich an die Wahrheit halten – allerdings haben sie erst einmal keine Verpflichtung, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen. So wird ein Konzern wahrscheinlich eher über die Tatsache berichten, dass das Unternehmen schwarze Zahlen schreibt, als dass deswegen Mitarbeiter entlassen wurden. Diese Nachricht wird wahrscheinlich nicht in einer großen Pressekonferenz verkündet. Trotzdem: Die Wahrheit kann ein dehnbarer Begriff sein, aber sie hat ihre Grenzen.
Im Gleichgewicht
An diesem Punkt kommt wieder der Journalismus ins Spiel. PR-Manager haben vielleicht die Möglichkeit, über den Zeitpunkt der Berichterstattung zu bestimmen und auch den Anstoß zu geben, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Wie dann allerdings im Endeffekt berichtet wird, können sie nicht mitbestimmen. Zwar übernehmen Journalisten durchaus Pressemitteilungen oder verlassen sich auf deren Informationen, doch auch mit einer Art „Reizüberflutung“ durch Unternehmen können Journalisten versuchen, fair zu berichten.
Zum Beispiel sollte der Grundsatz der Ausgewogenheit erhalten bleiben. Zu jeder Stimme sollte eine Gegenstimme gehört werden – kritisiert ein Tierschutzverein die Bedingungen in einem Schlachthof, sollten Medien auch dem Unternehmen, das beschuldigt wird, eine Stimme geben. Und sollte auch dafür keine Zeit bleiben, so ist es zumindest wichtig, dass zum Beispiel der Zusatz angefügt wird: „Nach Angaben des Unternehmens“. So wissen die Leser, Zuhörer und Zuschauer, dass die Information zumindest von einem parteiischen Unternehmen stammt. Das alleine kann helfen, Nachrichten ganz anders einzuordnen. Und das ist ja wiederum die Aufgabe des Journalismus. Public Relations und Journalismus verfolgen verschiedene Ziele, mit verschiedenen Mitteln. Sie können aber durchaus im Gleichgewicht sein.
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