Jährlich entfachen verschiedene Gründe die Debatte über ein Feuerwerksverbot an Silvester. Dieses Jahr ist es Corona. Haben wir das Recht auf eine krachende, farbenfrohe Bespaßung? Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Rituale zu überdenken, findet unsere Autorin.
In den letzten Wochen diskutierten Städte und Länder hitzig über ein Feuerwerksverbot an Silvester. Die durch die Corona-Pandemie ohnehin schon belasteten medizinischen Fachkräfte sollen durch typischerweise vermehrt auftretende Unfälle nicht zusätzlich belastet werden. Gestern hat die Bundesregierung bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dass es kein Verbot geben wird. Sie appelliert lediglich an die Vernunft der Bevölkerung. Die Niederlande hat den Schritt eines Verbots hingegen gewagt.
Und gerade das ist ein Zeichen der Vernunft. Es gibt keinen rationalen Grund für ein Silvesterfeuerwerk – nicht nur in diesem Jahr, sondern prinzipiell. Der Geräuschpegel erreicht gerne einmal 150 Dezibel, das ist so laut wie ein Rockkonzert oder ein Düsenflugzeug. Das ist nicht nur für die Menschen belastend, sondern auch für Haus- und Wildtiere mit teils viel empfindlicheren Hörorganen. Die knallenden Effekte der Böller können zudem Trigger für traumatisierte Menschen sein, die Krieg und Flucht erlebt haben oder unter Angst(-störungen) leiden.
Eine Belastung für die Umwelt
Knapp 4.000 Tonnen Feinstaub gelangen, laut Bundesumweltamt, allein in der Silvesternacht in die Luft und machen den ersten Tag des neuen Jahres gleich zum Rekordtag der Feinstaubwerte in der Luft. Das gefährdet die Gesundheit mindestens vorübergehend und belastet die Umwelt. An trockenen und windstillen Tagen bleibt der Feinstaubnebel deutlich länger in der Atmosphäre. Neben den feinen Schmutzpartikeln in der Luft kennt jeder das Bild von verdreckten Straßen zu Beginn eines neuen Jahres.
Die Deutschen geben für den bunten und lauten Jahreswechsel schätzungsweise zwischen 100 und 137 Million Euro aus. Viel Geld für eine Menge Müll. Die Produkte bestehen zu 75 Prozent aus Verpackungsmaterial, Papier und Plastik und nur zu 25 Prozent aus Inhalt, also pyrotechnischen Sätzen, Schwarzpulver etc. Das summiert sich auf mehrere hundert Tonnen Müll auf Straßen und Feldern. 2019 sammelte die Stadtreinigung alleine in München 70 Tonnen Feuerwerksreste ein. Die in den Abfällen enthaltenen Chemikalien können durch Regen in den Boden und in Gewässer gelangen und dadurch weiteren indirekten Schaden anrichten.
Gesundheit und Sicherheit
Rund 8000 Menschen jährlich wird der Lärmpegel zum Verhängnis – sie erleiden einen Hörsturz, nicht selten mit Langzeitfolgen. Das sind ungefähr so viele wie die täglichen Corona-Neuverzeichnungen in Berlin momentan. Dazu kommen Traumata, Verbrennungen, abgesprengte Finger und andere, durch den vermehrten Alkoholkonsum geförderte, Verletzungen.
Zu den Einlieferungen ins Krankenhaus kommt es nicht immer nur zufällig. Häufig gibt es in der Silvesternacht Ausschreitungen gegen Polizei und Einsatzkräfte. Briefkästen, Mülltonnen und Tabakautomaten werden gesprengt. In einigen Städten führten solche Aktionen zu Sperrgebieten, so zum Beispiel am Alexanderplatz in Berlin oder an der Hamburger Binnenalster.
Gespaltenes Deutschland
Dennoch scheinen die Diskussionen der letzten Jahre die Politik nicht dazu zu bewegen, konsequentere Schritte zu gehen. Und das obwohl sich, laut einer Umfrage von YouGov und Statista, knapp die Hälfte der Bevölkerung für ein Feuerwerksverbot ausspricht. Der andere Teil meint, dass Feuerwerk einfach zum Jahreswechsel dazugehört und zumindest für diesen Anlass einmal im Jahr erlaubt bleiben sollte.
Mögliche Alternativen?
Die Pro-Feuerwerks-Argumente scheinen dabei sehr emotional: es geht um Spaß und die Freiheit, tun und lassen zu können, was man möchte. Die obige Schilderung an gesamtheitlich negativen Folgen einer krachenden Silvesternacht lässt einen jedoch fragen: Ist es das wert und haben wir tatsächlich ein Recht auf diesen Spaß, wenn wissenschaftliche Zahlen dagegensprechen? In Zeiten von Klimawandel und Pandemie ist es vielleicht an der Zeit, neue Formen von Bespaßung zu etablieren – ohne Risiken und Nebenwirkungen.
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