Ich war unglücklich – mit mir, meinem Leben, meiner Zukunft. Die Unzufriedenheit hing an mir wie Blei an den Füßen. Doch dann stellte ich mir die Frage, die mein Leben veränderte: Wie kann man eine Krise als Chance sehen und es schaffen, aus ihr rauszukommen?
Ein grauer Wintermorgen Ende Dezember letzten Jahres. Ein Blick auf das E-Mail Postfach im Handy: „Leider können wir Ihre Bewerbung nicht weiter berücksichtigen.“ Schon wieder eine blöde Absage, denke ich mir und seufzte. Kurz davor hatte ich bereits auf persönlicher Ebene mit Problemen zu kämpfen gehabt. Jetzt kommen noch die Probleme mit dem passenden Nebenjob. Und seit mehreren Jahren schon schleppe ich zwischen 30-40kg Übergewicht mit mir herum. Seit vier Jahren lebe ich ganz alleine, weg von zu Hause und oft an ständig neuen Orten. Meine Studienleistungen liegen zwar im guten Bereich, aber richtig glücklich macht es einen dann vielleicht auch nur an dem Tag, an dem die Note bekanntgegeben wird.
Ich stellte fest: Es ist eine Tiefphase in meinem Leben, nachdem es zuvor von viele Hochphasen geprägt war: Führerschein, erstes Auto, Abitur, Auszug von zuhause in eine andere Stadt, „wilde“ erste Semester, neue Freunde, viele spannende Reisen, ob private oder studienbegleitende, Auslandssemester und Praktika und vieles mehr. Doch wo es ein Hoch gibt, gibt es auch ein Tief. Dazu kam es dann schließlich im Winter letzten Jahres. Wie erkennt man so ein Lebenstief, warum ist es überhaupt gekommen und wie kommt man da am besten raus?
Wie lässt sich die Quarterlife-Crisis definieren?
Klassischerweise ist eine Quarterlife-Crisis eine Sinneskrise junger Menschen zwischen dem 21. und 35. Lebensjahr. Sie entsteht aufgrund der fast unbegrenzten Möglichkeiten und von vielen persönlichen Freiheiten in der westlichen Welt. Man hinterfragt seine getroffenen Entscheidungen und zweifelt an sich selbst. Die für unsere Seele als akut schlimm wahrgenommen Probleme, welche jedoch objektiv gar nicht mal so schlimm sind, prägen unser Denken. Wir rutschen ab in negative Gedanken und fühlen uns frustriert, unsicher und voller Zukunftsängste. Zudem macht sich meist auch das Gefühl der Einsamkeit in uns breit. Oft kommt die Krise erst mit Abschluss des Studiums, wenn man z.B. ins Berufsleben startet. Allerdings kann diese auch schon während des Studiums bzw. in einer Spätphase des Studiums eintreten.
Wie rutschte ich in die Quarterlife-Crisis?
Als ich nach eineinhalb Jahren Auslandsaufenthalt zurückkehrte, in meine kleine Uni-Stadt, hatte sich doch einiges geändert. Viele Bekannte und Freunde waren weggezogen oder, verständlicherweise, sehr aufs Studium fokussiert. Ich selbst hatte mich innerlich auch bereits von der Kleinstadt entwöhnt. Es war oft langweilig und einsam fühlte ich mich auch. Einen fachspezifischen Nebenjob zu finden, war nicht leicht und die nächste Großstadt, in der ich vielleicht mehr Chancen gehabt hätte, war 100km entfernt. Immer wieder erhielt ich Absagen und begann, an mir selbst zu zweifeln.
In den vorangegangenen Jahren habe ich mich über all das nicht beschweren können. Ganz im Gegenteil; ich fühlte mich super, hatte viel zu tun – ob arbeitstechnisch, politisch oder universitär – und reiste nebenbei um die halbe Welt. Dadurch stiegen jedoch meine Ansprüche und auch der Perfektionismus prägte mich mehr und mehr. Nach der Rückkehr aus dem Ausland hatte ich all diese Beschäftigungen plötzlich nicht mehr. An sich ist das ja ok ist. So ist es nun einmal im Leben, jede Zeit bringt ihre Unterschiede mit sich. Doch mir fehlte etwas, ich war unglücklich und rutschte dadurch plötzlich in die Sinnes- und Identitätskrise.
Das Abnehmen als persönliches Mittel zur Bewältigung der Quarterlife-Crisis:
Ende Dezember, zum Jahresabschluss, entschloss ich mich schließlich dazu, die Tatsachen zu akzeptieren und etwas zu ändern. Angefangen habe ich bei meinem Gewicht, was mich mittlerweile sehr störte. Schon in meiner Jugend war ich etwas „fülliger“. Nach dem Auszug von zuhause folgte schnell und unbemerkt Adipositas Grad II. Fast Food, Feiern und unbewusste Ernährung im Rahmen von vielen Veranstaltungen waren unter anderem der Grund. Wegen meiner hohen Körpergröße habe ich es immer kleingeredet, und die meisten fanden meine Statur ja auch irgendwie passend zu mir. Doch irgendwann war die Grenze überschritten.
Ich begann also zu Joggen und kaufte mir wieder ein Fahrrad. Auf die Kalorienbomben, Alkohol und Softdrinks verzichtete ich komplett und Kohlenhydrate wurden drastisch reduziert. Dazu kam noch das Intervallfasten und letztlich die Reduzierung des Fleischkonsums. Stattdessen mehr Bio-Lebensmittel, Fisch und Einhaltung des Kaloriendefizits. Wichtig ist dabei zu betonen, dass es eine komplette Ernährungsumstellung war, nicht nur eine Diät. Zuvor war das Essen für mich auch ein Mittel zur Stressreduzierung. Doch nun entdeckte ich viel bessere Mittel: Laufen, Sport und Meditieren. Das Resultat konnte sich sehen lassen: 25kg Gewichtsabnahme in gut sechs Monaten. Die Folge war eine drastische Steigerung des Selbstbewusstseins und des Selbstwertes, was ich lange schon nicht mehr hatte. Ich stellte im Rahmen der Krise fest: gewonnene Freiheit ist gut, man muss jedoch verantwortungsvoll mit ihr umgehen, ansonsten kann schnell ein großer Schaden entstehen.
Weitere Mittel zur Bekämpfung der Quarterlife-Crisis:
Natürlich blieb es nicht nur beim Abnehmen. Man muss seine entstandenen Probleme erkennen und gegen diese vorgehen. Also Entscheidungen treffen und ausführen. So bin ich zurück in meine große Heimatstadt gezogen. Näher zur Familie und alten Freunden. Zurück in die Vertrautheit.
Das Einsamkeitsproblem hatte sich damit erledigt. Neue Jobmöglichkeiten haben sich hier auch eröffnet. Lange Gespräche mit Freunden und der Familie haben sich zudem positiv auf meine Psyche ausgewirkt. Diese, als auch manche Bücher, haben mir gezeigt, dass wir nicht perfekt sind und auch mit Tiefen zu kämpfen haben. Wir müssen mit Niederlagen klar kommen und darin immer eine Chance sehen. Ich wurde gelassener. Natürlich heißt es nicht, dass man sich komplett zurücklehnen soll. Ganz im Gegenteil; wir müssen weiter hart arbeiten und für unsere Ziele kämpfen. Aber ebenso müssen wir uns bei Niederlagen nicht direkt in Sorgen verlieren oder nur in der Zukunft leben und bereits die Pläne für die kommenden Jahre schmieden.
Im Hier und Jetzt zu leben befreit und ist ein wichtiger Bestandteils des Meditierens. Zu guter Letzt ist Dankbarkeit wichtig. Dankbarkeit an Gott und die Nächsten, dass man gesund ist, eine Familie hat und überhaupt auf dieser Welt leben darf. Es gibt so viel Elend auf dieser Welt, von welchem unsere westlichen Länder verschont sind. Diese Werte, wie Dankbarkeit, sind wichtiger denn je in unserer Wohlstandsgesellschaft. Sie scheint derzeit im Massenkonsum und hartem Wettbewerb zu versinken, was schließlich dazu führt, dass junge Menschen aus Angst vor dem Perfekt sein in Lebenskrisen stürzen.
Fazit. Die Quarterlife-Crisis als Chance:
Die Quarterlife-Crisis sollte man als Chance sehen. Man sollte sie nutzen, um zu hinterfragen, wofür und warum wir überhaupt leben. Dabei sollten wir die Probleme, welche uns stören, effektiv angehen und daran arbeiten, uns von ihnen zu befreien. Je nach unseren eigenen, individuellen Bedürfnissen sollten wir uns Ziele setzten, die uns wirklich bereichern, die wir in unseren Herzen tragen und die uns weiterbringen. Dabei ist es oft hilfreich, tief ins sich zu gehen und einen Gang zurückzuschalten. Schließlich ist nach der Krise vor der nächsten Krise. Doch diese Krise sollten wir vor allen Dingen lockerer sehen. Wir sollten verstehen, dass Niederlagen und Tiefpunkte zum Leben dazugehören und wir eben nicht perfekt sein können.
Katja
Der Text ist super geschrieben, ich empfand den Artikel als sehr hilfreich! Wir brauchen mehr von solchen Texten!
Marco
Wow toll geschrieben.
Der Text hat mir super geholfen, bitte mehr davon.