Der heilige Martin von Tours zählt heute zu den berühmtesten Heiligen der Kirche. Das Teilen eines Mantels wurde zu seinem Wahrzeichen. Damit drückte er die christliche Pflicht zur gelebten Nächstenliebe bildhaft aus. Ein Bericht von Benedikt Bögle.
Eigentlich stammte Martin aus Ungarn, dort wurde er wohl 316 oder 317 geboren. Eine große militärische Karriere hätte dem jungen Mann zuteilwerden können. Offizier war er bereits geworden und befand sich mittlerweile in Gallien, als zwei Begegnungen sein Leben für immer verändern sollten. Die erste Begegnung ist weltberühmt geworden: Der Soldat Martin reitet in kalter Nacht durch die Stadt Amiens, als er einen alten Bettler sieht, der in der Kälte friert, ja vielleicht sogar zu erfrieren droht. Martin erbarmt sich des Mannes, teilt seinen Mantel und gibt dem alten Mann die Hälfte des Mantels.
Martin und Jesus
Die zweite Begegnung machte Martin im Traum. Er sah Jesus Christus, der die Züge des Bettlers trug. Martin erkannte, im armen Bettler letztlich dem Sohn Gottes selbst begegnet zu sein. Diese Erfahrung beruht letztlich auf einer Predigt Jesu aus dem Neuen Testament. Dort sagt er: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) Wer einen armen Bettler kleidet, kleidet Jesus selbst. Wer Jesus liebt, darf nicht in seinen normalen Verhaltensweisen verharren; er muss in jedem bedürftigen Menschen Gott selbst erkennen und lieben.
Die schnatternden Gänse
Auf den Soldaten Martin hatte diese Begegnung große Wirkung. Er ließ den militärischen Dienst hinter sich, ließ sich taufen und schloss sich als Schüler dem Bischof Hilarius von Poitiers an. Dieser schickte Martin als Missionar in seine Heimat Ungarn, was allerdings nicht von großem Erfolg gekrönt war. Martin kam zurück, zog sich als Einsiedler zurück und gründete schließlich ein Kloster. Der Mann wurde berühmt und so wird es kaum verwundern, dass die Menschen der Stadt Tours ihn zu ihrem Bischof wählten. Martin bekam das mit, sträubte sich gegen die Wahl und versteckte sich vor den Gläubigen – allerdings verrieten schnatternde Gänse sein Versteck. Bis heute spielen Gänse, als Braten oder Gebäck, im Brauchtum des Martinstages eine große Rolle.
Das Ideal der Heiligkeit
Martin wurde zu einem der beliebtesten Heiligen der Kirche und ist es bis heute geblieben. Lange Zeit lag das sicherlich daran, dass nach seinem Fest die Fastenzeit vor Weihnachten begann und ein letztes Mal für einige Wochen noch ausgiebig gegessen und getrunken werden konnte. Gleichzeitig ist Martin aber auch einer der ersten Heiligen der Kirche, der nicht dem Martyrium zum Opfer fiel. Über knapp 300 Jahre waren Heilige die Christen, die für ihren Glauben in den Tod gegangen waren. Die Christenverfolgung endete nun. Konnte man jetzt nicht mehr heilig werden?
Martin war der erste große Gegenbeweis. Den Christen wurde bewusst, dass es ein heiligmäßiges Leben geben kann, ohne für Jesus Christus zu sterben. Martin wurde ein Vorbild für christliches Leben in seinen vielen Facetten: Zunächst trifft ihn – wie viele andere Menschen auch – die Berufung völlig unerwartet; dann wird er Missionar, Einsiedler, Mönch und Bischof. Bezeichnenderweise ist es gerade die Legende mit dem Bettler, die noch heute bekannt ist. Sie bildet einen Kern der Martinslegende. Denn: Nur wer Gott im Nächsten sehen und lieben kann, kann auch Gott wirklich lieben.
Schreibe einen Kommentar