Lützerath gilt als die 1,5-Grad-Grenze Deutschlands. Obwohl bereits feststeht, dass die Braunkohle unter dem Dorf nicht benötigt wird, soll sie nun abgebaggert werden. Ein Kommentar.
Stellt euch vor, ihr müsst das Zuhause, in dem ihr nahezu euer gesamtes Leben verbracht habt, verlassen. Ihr steht unter Druck, weil ein großer Konzern euer Dorf abreißen möchte, um an einen Rohstoff zu gelangen, der perspektivisch unser aller Leben weitaus mehr schaden, als nützen wird. Zurück lasst ihr eure geliebte Heimat, eure vertraute Gemeinschaft und lebhafte Erinnerungen, die in naher Zukunft völlig skrupellos von einem Schaufelradbagger irreversibel zerstört werden. Diese Vorstellung ist nicht einfach nur eine dystopische Traumreise. Für viele Menschen ist und war dies die bittere Realität.
Die Rede ist von ungefähr 300 Dörfern, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges für die Braunkohle in Ost- und Westdeutschland abgebaggert worden sind. Lützerath, eine kleine Siedlung in Nordrhein-Westfalen, ist eines der letzten und derzeit akut von der Räumung durch Ordnungskräfte bedroht. Die Bewohner*innen haben Lützerath zwar bereits verlassen. Von Tag zu Tag befinden sich aber immer mehr Aktivist*innen vor Ort. Sie besetzen die verlassenen Wohngebäude, errichten Baumhäuser und konstruieren Barrikaden. Mit ihrem Protest stellen sie sich nicht nur gegen den Energiekonzern RWE und die Ordnungskräfte. Es ist in erster Linie ein Widerstand gegen das klimapolitische Versagen der Bundes- und Landesregierung.
Die 1,5-Grad-Grenze Deutschlands
Denn: Unter Lützerath liegt eine der größten CO2-Quellen Europas. Wenn RWE die Braunkohle unter Lützerath verbrennt, wird Deutschland seinen Beitrag zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht einhalten können. Dieser Schritt wäre fatal, denn eigentlich hat sich die Bundesregierung im Rahmen des Pariser Klimaabkommens zu dieser Einhaltung verpflichtet. Nichtsdestotrotz hält sie an ihrer Legitimation durch den Ukraine-Krieg und der damit einhergehenden Energiekrise fest. Dabei steht inzwischen fest, dass die rund 280 Millionen Tonnen Braunkohle unter Lützerath nicht erforderlich sind, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Zahlreiche unabhängige Studien (u.a. des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung) bestätigen, dass die Braunkohle unter Lützerath trotz anhaltender Energiekrise nicht gebraucht wird. Die Politik, allen voran die Grünen wie Robert Habeck und Mona Neubaur, ignoriert diese Studien jedoch vehement, kehrt sie unter den Teppich, räumt sie in Schubladen. Gestützt wird ihre Entscheidung lieber von Zahlen, die von RWE höchstpersönlich kommen.
Profit oder Menschenleben?
Wieder einmal hat sich eine Regierung auf die Seite der fossilen Welt gestellt. Wieder einmal ist sie eingeknickt und hat bewiesen, dass sie nicht verstanden hat, wie ernst die Lage doch tatsächlich ist. Wie gehen wir damit um, wenn eine Regierung in Zeiten, in denen sich das Klima mehr und mehr verschlechtert, sich immer noch vor fossilen Konzernen beugt und bewusst Profit über Menschenleben stellt?
Was wir brauchen ist eine Politik, die versteht, dass sie einen schlechten Deal gemacht hat und sich traut, zurückzurudern. Gefordert ist eine Politik, die ihr enorme Verantwortung nicht verkennt, sondern tatkräftig und entschlossen den Weg zu einer erfolgreichen Energiewende bestreitet. Es braucht im Augenblick aber vor allem ein Moratorium für Lützerath.
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