Bevor der Sommer unsere Lebens- und Liebeslust anfacht, sollten wir uns einmal fragen, was die Liebe überhaupt ist. Auch wenn die Beantwortung der Frage schwer fällt…

Sie ist laut oder leise. Sie ist wild oder ruhig. Sie ist grob oder romantisch. Sie ist ungerecht oder verletzend. Sie ist himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt. Sie ist erfüllt oder unerfüllt. Sie ist entweder oder. Sie ist Alles – oder Nichts.
Versuch einer Definition
Es ist vielleicht eine der ältesten Fragen der Menschheit. Vielleicht denken wir noch heute darüber nach, weil ihre Beantwortung so schwerfällt und es anmaßend ist, eine Antwort auf diese Frage finden zu wollen. Aber es ist möglich, einen Versuch zu starten, die Liebe von uns Jugendlichen heute zu erklären. Unsere Bedürfnisse, Wünsche, Erwartungen. Und die Realität.
Ein Blick in ein herkömmliches Wörterbuch genügt um festzustellen, dass der Begriff der Liebe schwer zu fassen ist. Das Onlinewörterbuch duden.de liefert verschiedene Bedeutungen. Hier stehen folgende Dinge im Vordergrund: „Liebe; auf starker körperlicher, geistiger, seelischer Anziehung beruhende Bindung an einen bestimmten Menschen, verbunden mit dem Wunsch nach Zusammensein, Hingabe oder Ähnlichem.“
Das Wort Bindung scheint den Begriff der Liebe gut zu treffen. Es geht um eine – wie auch immer geartete – Bindung. Das kann ein Blick sein, der unser Herz höherschlagen lässt. Eine Geste, die uns kribbelig macht. Ein Kuss, der die Welt einen Moment stillstehen lässt. „Starke körperliche, geistige, seelische Anziehung“ muss auf jeden Fall auch dabei sein. Sonst kann Liebe nicht funktionieren.
Wie funktioniert Liebe?
Die Liebe ist kein Apparat, den man ein- oder ausschalten kann. Deswegen ist es falsch, von „funktionieren“ zu sprechen. Liebe ist, oder sie ist nicht. Liebe lässt sich nicht in geregelte Bahnen lenken, weil Liebe sich nicht zügeln lässt. Und weil die Liebe so ist, lässt sich dafür auch keine Anleitung schreiben. Und schon gar keine Gebrauchsanweisung.
Einflüsse aus Industrie und Elternhaus
Leider versucht eine riesige Industrie aber, genau das zu tun. Ob Käse- oder Möbelhersteller – sie alle werben mit Liebe, mit funktionierenden Beziehungen, und mit Sex. Der schwedische Möbelhersteller Ikea etwa bewirbt einen Pax-Schrank folgendermaßen: Ein Paar wirft sich wild knutschend aufs Bett, beide sind schon halb nackt, aber der Typ muss erst einmal seine Kleider in den Pax-Schrank sortieren, bevor er sich wieder um seine Freundin kümmern kann. Auch der Joghurt-Hersteller Ehrmann bewirbt seine Produkte mit dem Slogan „Keiner macht mich mehr an“ und – natürlich – glücklich kuschelnden Pärchen, die den Joghurt essen. Das sind zwei Beispiele und wer bewusst darauf achtet, wird unzählige weitere finden.
Jugendliche stehen heute unter einem unglaublich starken gesellschaftlichen Sex-Druck von außen. An dieser Stelle sei einmal ganz klar gesagt: Wer wann mit wem Sex hat und ob überhaupt, geht niemanden etwas an und das hat auch kein Außenstehender festzulegen. Weder eine Möbel- noch eine Kaffeewerbung. Aber auch sonst niemand. Weder Freunde, Lehrer, Eltern oder wer auch immer.
Nicht nur dieses propagierte Sex-Bild beeinflusst die 15-25-Jährigen heute in ihrem Beziehungsverhalten. Diese jungen Leute sind Kinder der Eltern, die sich reihenweise nach vielen Ehejahren trennen und ein anderes Leben beginnen. Wenn über einem die Welt zusammenbricht – die der heilen Familie und Geborgenheit – dann hinterlässt das Spuren. Es gibt dann zwei Haltungen zu Beziehungen: Entweder, man will sich nicht mehr binden, oder man will sich für immer binden. Oder das Schlimmste: man schafft es nicht, sich dauerhaft zu binden, weil das Vertrauen in das Glück verloren ist.
Neues Treuebedürfnis
Trotzdem scheint heute ein ganz großes Bedürfnis nach Treue zu überwiegen. Unsere Generation will Halt, Treue und eine romantische Liebe. Vielleicht spüren wir, dass die Werbung nur leere Versprechungen macht. Vielleicht wird unsere Generation etwas ganz Großes schaffen: Sie könnte alte Ideale wieder neu beleben. Rückkehr zum Leben mit nur einem Partner, also zur Monogamie? Der einen Liebe? Warum nicht?!

Deshalb sind nicht alle anderen Arten der Liebe schlecht. Es ist schön, dass wir alle Möglichkeiten haben, zu lieben, wen wir wollen. Wenn man viele Möglichkeiten hat, besteht die Kunst heute darin, zu wissen, was man NICHT wählt. Wir müssen jetzt wieder NEIN sagen lernen. Nur weil ich mehrere Partner haben darf, MUSS ich es nicht.
Wer sind wir?
Das müssen wir verstehen. Man kann vermutlich nur lieben, wenn man weiß, wer man selber ist. Jenseits von allen sozialen Netzwerken und allen Medien der Welt müssen wir genau das wieder lernen: Wer wir in der Realität sind. Und wir müssen verstehen, dass Liebe nur in der Realität stattfindet, im Hier und Jetzt. Und nicht online.
Und zum Schluss müssen wir eines wissen: Liebe ist vieles. Liebe ist. Aber sie ist nicht selbstverständlich. Deswegen müssen wir kämpfen. Für eine Liebe, die sich ständig entwickelt, denn wir selber entwickeln uns auch. Klar ist, dass sich auch unsere Liebe entwickeln kann. Aber wir müssen nicht vor der Liebe wegrennen, ihr vorauseilen, oder sie links liegen lassen. Man kann mit ihr gehen.
Denn Liebe ist. Nicht mehr und nicht weniger.
Danke für diesen schönen und nahezu treffenden Artikel über das schönste und schmerzvollste Gefühl der Welt!