Jesus bewahrt eine Ehebrecherin vor dem Tod. Während andere sie steinigen wollten, vergibt Jesus ihr. Das sagt auch etwas darüber aus, wie man Gott begegnen kann: Manchmal geschieht Vergebung ganz unverhofft. Von Benedikt Bögle.
Die Frau steht kurz vor dem Tod. Pharisäer bringen eine Frau zu Jesus, die beim Ehebruch erwischt worden war (Johannesevangelium 8,1-11). Es geht darum, Jesus eine Falle zu stellen: Spricht er sich für den gesetzlich vorgesehenen Tod der Frau aus, macht er seine Predigt von Vergebung unglaubwürdig. Verhindert er aber die Hinrichtung der Frau, verstößt er offen gegen das Gesetz. Jesus aber lässt sich nicht auf diese Falle ein, sondern stellt die Pharisäer seinerseits vor eine Wahl: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Jetzt müssen sich die Pharisäer entscheiden: Werfen sie einen Stein, machen sie sich selbst unglaubwürdig. Wer ist schon ohne Sünde? Also geben sie nach, einer nach dem anderen verlässt die Szene und geht. Für die Frau wurde eine ganz unverhoffte Begegnung mit Jesus zur Rettung. Sie kann auch etwas zum Wesen der Fastenzeit beitragen, in der es für Christen um die Begegnung mit Gott geht.
Fastenzeit: Umkehr zu Gott
Aus christlicher Perspektive geht es in der Fastenzeit nicht nur um den reinen Verzicht. „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum HERRN, eurem Gott“, schreibt etwa der Prophet Joel (Joel 2,13). Nicht der reine Verzicht – etwa auf Alkohol oder Fleisch, Netflix-Serien oder Zigaretten – steht im Mittelpunkt, sondern die Hinwendung zu Gott. Die Fastenzeit will wieder freie Zeit schaffen, in der Menschen ihrem Gott begegnen können. Diese Begegnung kann ganz unterschiedlich aussehen. „Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt“, sagte Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., einmal in einem Interview mit dem Journalisten Peter Seewald. Und das gilt auch für die Begegnung mit Gott – und für die ganze Fastenzeit. Und trotzdem gibt es gerade in der Heiligen Schrift immer wieder Vorbilder, die zeigen, wie einzelne Menschen in Jesus Christus ihrem Gott begegnen konnten.
Der Sünder und die Sünde
Für die Frau, die gesteinigt werden sollte, kommt die Begegnung mit Jesus gerade zur rechten Zeit. Sie begegnet Jesus im Angesicht der Sünde. Es ist jedem bekannt, was sie getan hat. Und doch: Jesus scheint sie als Menschen nicht zu verurteilen. Er heißt sicherlich ihre Sünde nicht gut. Er ermutigt sie gerade nicht dazu, wieder die Ehe zu brechen, sondern sagt: „Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Der Frau aber hat er vergeben. Ein Leitsatz der Kirche sagt, die Sünde müsse immer verurteilt werden, der Mensch selbst, der Sünder, dürfe aber gerade nicht verurteilt werden. Für die Frau aus dem Evangelium, aber auch für jeden Menschen bedeutet das: Man muss seine Schuld vor Gott nicht verstecken – das wäre ohnehin sinnlos. Vielmehr darf man auf seine Güte und Barmherzigkeit vertrauen.
Umkehr statt Tod
Die Fastenzeit ohne diese Perspektive zu leben, wäre furchtbar. Die Beschäftigung mit eigenen Fehlern und eigener Sünde kann zur Verzweiflung führen. Gott selbst sagt: „So wahr ich lebe – Spruch GOTTES, des Herrn –, ich habe keinen Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass ein Schuldiger sich abkehrt von seinem Weg und am Leben bleibt.“ (Ezechiel 33,11) Diese Perspektive kann frei machen – und genau das erlebte die Frau, die eigentlich gesteinigt werden sollte, dann aber Jesus begegnete. Sie wurde frei, weil sie ihm begegnet ist. Das ist das Ziel der Fastenzeit: Frei zu werden für Gott, um dann umgekehrt wieder frei zu sein im eigenen Leben.¬
In der Fastenzeit kann man sich diese Evangelienstelle immer wieder vor Augen führen: Jesus tötet den Sünder und die Sünderin nicht, sondern will sie gerade vor dem Tod retten. Gleichzeitig kann man diese Stelle aber auch von der anderen Seite her lesen: Wo wollen wir mit Steinen auf andere Menschen werfen, sie verurteilen und vernichten? Dann richtet sich das Wort Jesu auch an uns: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Es geht im Alltag ja manchmal ganz schnell, andere Menschen zu verurteilen. Hier kann man sich fragen: Warum tut der andere das? Hat er dafür vielleicht Gründe? Das ist der erste Schritt vom Verurteilen hin zum Verständnis.
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