Seit über 5.000 Jahren liegt die Stadt Aleppo dort unter der Zitadelle. Sie galt als blühende Metropole des Nahen Ostens. Dann kam der Krieg und hinterließ von Aleppo nicht viel mehr als Trümmer. Lest, welche Zukunftsszenarien möglich sind und welche Interessen dahinter stehen.
Aleppo heute
Das Weltkulturerbe gleicht einem Flickenteppich aus zerlöcherten Häusern, Moscheen liegen in Trümmern und seine Bewohner hausen irgendwo dazwischen. Die Reichen hatten die Möglichkeit, vor den mörderischen Truppen Assads und dem IS zu fliehen und mussten nicht zusehen, wie der Kampf zwischen den Kriegsparteien ihre Heimatstadt zerstückelte. Die Lebenswelt derer, die nicht fliehen konnten, kennt keine Schulen oder Krankenhäuser mehr, dafür aber umso besser die Angst vor dem Tod.
Viel von alledem bekommen wir in Deutschland nicht mit. Die Nachrichten verlieren sich irgendwo zwischen Flüchtlingskrise, Terrorangst und der Partei Alternative für Deutschland. Aleppo ist weit weg und bietet nach den Gesetzen der Medienlogik keine sensationellen neuen Nachrichten mehr. Ist es nicht das Gefühl alles gehört zu haben und ständig die gleichen, schrecklichen Bilder aus Aleppo zu sehen? Was viele jedoch nicht wissen, ist, dass von 1994 bis 2001 ein Projekt der deutschen Bundesregierung über 20 Millionen investierte, um den Tourismus in Aleppo anzukurbeln und das alte Stadtzentrum wiederzubeleben. Das Projekt fällt unter den Begriff der Städteplanung, der ganz einfach in zwei Punkte zerlegt werden kann: Stadt und Plan. Pläne verfolgen Ziele und dienen Interessen, die durchaus diverse Gestalt annehmen können:
Vision I: The Aleppo Project
Es ist eine hellblaue Homepage die dem Besucher von thealeppoproject.com seit November 2015 entgegen leuchtet. Das Projekt ist eine open collaboration aus syrischen Flüchtlinge, Experten, Politikwissenschaftler, Städteplanern und Studenten aus Ungarn, dem Libanon oder der Türkei. Unter Schirmherrschaft der Central European Universität of Public Policy in Budepest wurde eine Plattform geschaffen, die vor allem die Bewohner zur treibenden Kraft der Neuplanung machen soll. Der Gedanke basiert auf Studien des Konfliktforschers Robert Templer, der ebenfalls im Projekt arbeitet. Er fand heraus, dass es genau die mangelnde Bürgerbeteiligung war, die Städte wie Sarajewo, Beirut oder zuletzt Kabul scheitern ließen. Die Bewohner Aleppos sollen Bilder beisteuern, um das ursprüngliche Stadtbild vor dem Vergessen zu bewahren, das Grauen der syrischen Geheimdienstgebäude zu dokumentieren oder um Wünsche einzubringen, wie ihre Heimatstadt morgen aussehen soll. An ihnen wird es liegen, ob es gelingt ein Stadtbild mit neuen Strukturen als Neuanfang entstehen zu lassen. Orte, wie der traditionellen Souk, sollen der Bürgerkriegsgesellschaft nicht nur dazu dienen um Obst, Gemüse und Gold zu feilschen.
Hier sollen sich wie vor dem Krieg Konfessionen, Ideologien und Ethnien ohne Hass wieder neu begegnen lernen. Die Initiative in Ungarn ist nur eine vielen. Es gäbe zwar noch andere Beispiele, etwa in Deutschland oder ein UN-Projekt. Doch Städteplanung kann auch anderen Interessen als denen der Bewohner dienen:
Vision II: Machterhalt und Profit-Interesse
Internationale Investoren, vorwiegend aus Saudi-Arabien warten bereits darauf, die zerstören Straßenzüge aufzukaufen und die Stadt gewinnbringend zu einem zweiten Dubai zu machen. 5.000 Jahre Geschichte haben in ihrer Gewinnkalkulation jedenfalls keine Bedeutung. Aleppo, läuft Gefahr ein neues Beirut werden. Denn dort kann sich die ursprüngliche Bevölkerung heute kein Leben mehr leisten. Die Stadt wurde nach dem Bürgerkrieg zwar neu aufgebaut, doch die einheitlichen Luxuswohnungen und Flagship-Stores nahmen ihr jegliches Gesicht.
Eine weitaus größere Gefahr wird wohl Assads unbedingte Streben nach Machterhalt darstellen. Wo heute historische Stätten stehen, sollen morgen lukrative Neubauten Assads Imperium stützen. Das beinahe euphemistisch benannte Ministerium für Wiederaufbau dient zwar der Stadtplanung. Doch es ist ein perfide Begriffsauslegung, denn alles was der profitablen Neunutzung nach dem Krieg im Weg steht, wird durch Bomben ausradiert. Gleichzeitig lässt Assad die ursprünglichen Besitzer aus den Registern löschen, um ihnen jegliches Anspruchsrecht zu nehmen. Sein Ziel ist es, die Häuser an Investoren zu verkaufen. Dass sein Schwager Großeigner der syrischen Wirtschaft ist, lässt auch Raum für Folgerungen. Für Assad selbst gilt: Wer Krieg gegen das eigene Volk führt, für den sind historische Stätten oder Besitzrechte Störfaktoren die es gründlich zu beseitigen gilt. Nicht schwer zu erraten, das genau jene Siedlungen als erstes zerbombt wurden, in denen einst der Widerstand gegen ihn begann. Egal ob Libyen oder Syrien, alle Diktatoren eint ein Ansatz: Nimm dem Volk seine Kultur und seine Stadt und du kannst es leicht beherrschen.
Die Städteplaner aus Ungarn sagen es sei fünf vor zwölf, alles müsse bereit sein, wenn der Krieg endet. Ob so Konflikte um Aleppos Zukunft vermieden werden können wird sich zeigen.
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