Am 16. Juni verstarb der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Es starb ein großer deutscher Politiker, der Vater der Wiedervereinigung und des Euro. Ein Rückblick auf sein Lebenswerk.
Es gibt bereits viele Nachrufe über Helmut Kohl, dieser soll besonders Kohls Verdienste für die Bundesrepublik Deutschland hervorheben, die auch das Leben der heutigen Jugend nachhaltig geprägt haben. Ich persönlich habe die Ära Kohl nur vage aus dem Fernsehen als Kinderkartenkind miterlebt und kenne Kohls Wirken mehr von den Erzählungen meiner Eltern.
Durch den Zweiten Weltkrieg geprägte Kindheit
Helmut Kohl wurde am 3. April 1930 als jüngstes von drei Kindern der Familie Kohl in Ludwigshafen geboren. Sein Vater arbeitete als Finanzbeamter für den Lebensunterhalt der Familie. Helmut Kohls Kindheit war von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs stark geprägt. Laut Kohls Erzählungen wurde sein Vater die Nacht vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eingezogen, obwohl dieser bereits über 50 Jahre alt war. Als erfahrener Frontoffizier des Ersten Weltkriegs wurde Kohls Vater für den Polenfeldzug eingezogen. So erlebte Kohl das Weihnachtsfest 1939 ohne ihn.
Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.
Sein Vater verabscheute die Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Helmut Kohl belauschte ein Gespräch seines Vaters mit guten Bekannten, verstand aber nur folgenden Satz: „Gnade uns Gott, wenn wir das einmal büßen müssen.“
1944 fiel sein älterer Bruder Walter bei einem Tieffliegerangriff, das traf Helmut Kohl sehr. Er musste auch seine Heimatstadt Ludwigshafen verlassen und kam mit der Kinderlandverschickung erst nach Erbach im Odenwald, später nach Berchtesgaden. Dort erhielt er neben dem Schulunterricht eine vormilitärische Ausbildung. Durch das Kriegsende musste er nicht mehr den Dienst als Flakhelfer antreten.
Beginn seiner politischen Laufbahn
Die erste demokratische Wahl, die Kohl miterlebte, wurde für ihn zum Schlüsselerlebnis. 1946 begleitete er seine Eltern bei den Kommunalwahlen ins Wahllokal. Fasziniert beobachtete er den ganzen Tag die Vorgänge. Sein Gemeindepfarrer brachte Kohl in Kontakt mit Dekan Johannes Finck, dem Mitbegründer der CDU in der Pfalz. Finck lud regelmäßig junge Leute zu Diskussionen über Politik und die Gesellschaft ein, die auch seine Haltung für die Deutsche Einheit prägten. Als Schüler trat er 1947 der CDU bei und war ein Jahr später Mitbegründer der Jungen Union in Ludwigshafen.
Am 14. August 1949 erlebte Kohl sein Vorbild Konrad Adenauer beim Wahlkampfauftakt im Heidelberger Schloss im Zuge der ersten Bundestagswahlen. Für diesen Wahlkampf hielt Kohl seine erste Wahlkampfrede in Mutterstadt bei Ludwigshafen. Er stieg schnell auf, mit Mitte Zwanzig saß er im CDU-Landesvorstand. Im Wahlkampf übernahm er alle Arbeiten, auch das Plakate aufhängen. Völlig neu organisierte er Rednerauftritte, Veranstaltungen und suchte den direkten Kontakt zu den Bürgern.
Sein politischer Werdegang
Mit Ende Zwanzig war sein größtes Ziel, als jüngster Abgeordneter in den Mainzer Landtag einzuziehen. Da dieses Mandat seinen Lebensunterhalt nicht sicherte, arbeitete er nebenberuflich als Direktionsassistent einer Eisengießerei in Ludwigshafen und später als Referent beim Verband der chemischen Industrie. Dort erhielt er praktische Erfahrungen in unternehmerischen Tätigkeiten für seine weitere politische Laufbahn. Als er 1969 rheinland-pfälzischer Ministerpräsident wurde, gab er seine nebenberufliche Tätigkeit auf. Er setzte weiterhin auf mehr Bürgernähe, um die Distanz zu den staatlichen Ämtern abzubauen. Unter anderem kam es in seiner Amtszeit zur Wiedergründung der Universitäten in Trier und Kaiserslautern. Sein Ziel war vor allem, das Bundesland Rheinland-Pfalz zu modernisieren.
Sein Weg in die Bundespolitik
Kohl arbeitete am ersten Grundsatzprogramm der CDU mit. Er verlor jedoch die Bundestagswahlen 1976, Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) regierte weiter und Helmut Kohl wurde Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Sechs Jahre lang lieferten sich beide politische Duelle im Bundestag in Bonn. Gegen den Terrorismus der RAF dagegen arbeiteten beide über Parteigrenzen hinweg zusammen. Zwischen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß (CSU) entwickelte sich ein erbitterter Machtkampf, den Strauß durch die Nominierung zum Bundeskanzlerkandidaten 1979 zunächst zu gewinnen schien. Strauß scheiterte. Am 1. Oktober 1982 kam es zum ersten Mal dazu, dass das zweite konstruktive Misstrauensvotum in der Geschichte der Bundesrepublik zu einem Machtwechsel führte. Helmut Kohl wurde 1982 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Vater der Wiedervereinigung
Helmut Kohl setzte die Andenauersche Politik der Westintegration, also des Bündnisses mit den USA und anderen europäischen Staaten fort und erweiterte sie Geiste der Zeit weiter. Für finanzielle Leistungen verlangte er mit Erfolg von der DDR humanitäre Gegenleistungen. In der 1980er Jahren erreichte Kohl damit beispielsweise den Abbau der Selbstschussanlagen und die zunehmende Reduzierung der Anwendung der Todesstrafe in der DDR. Innerdeutscher Handel herrschte. Die Deutsche Einheit als im Grundgesetz verankertes Ziel verliert er dabei nicht aus dem Blick.
Ende der 1980er Jahre verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der DDR. Durch die Reformpolitik des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow verlor die DDR ihren Rückhalt. Zur gleichen Zeit nähern sich Kohl und Gorbatschow an. Im Juni 1989 setzen sie in Bonn eine „Gemeinsame Erklärung“ zum Selbstbestimmungsrecht der Völker auf. Gleichzeitig bröckelt der Ostblock.
Kohl nutzt nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 das historische Zeitfenster zur Wiedervereinigung. Am 28. November 1989 präsentierte er das Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands. Nach zwei Treffen mit Gorbatschow erkennt die Sowjetunion die deutsche Wiedervereinigung an. In der DDR wandeln sich die Parolen auf den Montagsdemonstration von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“.
Danach folgten der Einigungsvertrag am 31. August 1990 und der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ am 12. September 1990 als entscheidende Etappen zur Wiedervereinigung. Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober wurde von nun an zum Nationalen Feiertag der Bundesrepublik Deutschland.
Vater der Europäischen Union
Kohl sah seine außenpolitische Hauptaufgabe vor allem in der Weiterentwicklung der europäischen Gemeinschaftsbildung. Auf Kohls Politik ist das Schengen-Abkommen zum schrittweisen Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen zurückzuführen. Unter Kohl zum Vertrag von Maastricht zur Gründung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, dem Amsterdamer Vertrag sowie zur Einführung des Euro 1999 als Beschluss und 2002 als zu zahlende Währung. Gerade die Einführung des Euros prägte meine Vorstellung von der EU sehr, ich erinnerte mich heute noch, wie ich zusammen mit meinen Eltern fasziniert das Starter-Kit betrachtete.
Das Schicksal ganz Deutschlands ist untrennbar mit Europa verknüpft.
Die europäische Einigung löste die Blockstellungen des Kalten Krieges auf. Die EU erweiterte sich langsam nach Osten. Am 11. Dezember 1998 wird Helmut Kohl nach Jean Monnet zum Ehrenbürger Europas benannt. Kohls europafreundliche Politik der Gemeinschaft trug stark dazu bei weiterhin bestandene Vorbehalte gegenüber Deutschland zu lösen und der Deutschen Einheit zuzustimmen. Für Kohl war die Wiedervereinigung Deutschlands stets mit der Europäischen Einigung verbunden. Auf eigenen Wunsch wird Helmut Kohl nicht mit einem nationalen, sondern einem europäischen Staatsakt beerdigt.
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