Ulrich war im 10. Jahrhundert Bischof von Augsburg. Nach seinem Tod wurde ein Heiligsprechungsverfahren eingeleitet – eine Neuerung in der katholischen Kirche. Heute sind solche Verfahren zur Selbstverständlichkeit geworden. Aber warum? Von Benedikt Bögle.
Ulrich wurde wohl 890 nach Christus geboren. Er war der Sohn adliger Eltern und besuchte schon im Alter von zehn Jahren die Klosterschule von St. Gallen in der Schweiz. Die gute Ausbildung machte sich bezahlt: Ulrich wurde der Kämmerer seines Onkels Adalbero, der Bischof in Augsburg war. 923 wurde Ulrich zum Nachfolger seines Onkels und hatte als Bischof einige Schwierigkeiten zu bewältigen.
Kampf gegen ungarische Truppen
955 leitete der Bischof persönlich die Verteidigung, als ungarische Truppen gegen Augsburg rückten und die Stadt einnehmen wollten. Ulrich war in der Schlacht siegreich und kümmerte sich anschließend vor allem um geistliche Belange seines Bistums: Er besuchte häufig seine Klöster und kümmerte sich um eine bessere Ausbildung der Priester. 973 starb er in Augsburg. Anschließend wurde ein Heiligsprechungsprozess eingeleitet, 993 wurde der Bischof heiliggesprochen.
„Jeder Heilige ist eine Sendung“
Was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war damals etwas Besonderes. Die katholische Kirche spricht verstorbene Gläubige nur mit Bedacht heilig. Das hängt mit der Bedeutung der Heiligen zusammen. Papst Franziskus schreibt in seinem apostolischen Schreiben „Gaudete et exsultate“ (GE) über die Heiligkeit in der Welt von heute: „Jeder Heilige ist eine Sendung; er ist ein Entwurf des Vaters, um zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte einen Aspekt des Evangeliums widerzuspiegeln und ihm konkrete Gestalt zu verleihen.“ (GE 19) Heilige sind also vorbildliche Menschen. Sie haben in ihrem Leben das Evangelium verwirklicht.
Perfekte Menschen?
Die Kirche stellt also mit einer Heiligsprechung fest, dass ein bestimmter Mensch ein vorbildliches Leben geführt hat. Das macht bestimmte Prüfungen erforderlich: War das Leben wirklich so vorbildlich? Gibt es vielleicht Aspekte, die nicht ganz so vorbildlich waren? Heilige müssen keine perfekten Menschen sein. „Vielleicht war ihr Leben nicht immer perfekt, aber trotz aller Fehler und Schwächen gingen sie weiter voran und gefielen dem Herrn“, sagt Papst Franziskus (GE 3). Und trotzdem muss geprüft werden, dass ihr Leben, wenn nicht perfekt, dann doch immer noch ein Vorbild war. Das ist auch deswegen von Bedeutung, weil die Kirche von den Heiligen glaubt, dass sie bereits im Angesicht Gottes leben: „Die Heiligen, die bereits in der Gegenwart Gottes sind, unterhalten mit uns Bande der Liebe“, schreibt der Papst (GE 4).
Ein langer Prozess
Daher werden Heilige heute zunächst seliggesprochen. Dabei wird geprüft, ob sie als Märtyrer ihr Blut für den Glauben an Gott vergossen oder ein Wunder gewirkt haben. Das Leben wird genau unter die Lupe genommen. Entsprechende Kommissionen untersuchen das Leben der Kandidaten mithilfe wissenschaftlich-historischer Methoden. Ist eine Seligsprechung erfolgt, bedarf es eines weiteren Wunders – erst dann kann die Heiligsprechung erfolgen. Der Prozess kann lange dauern, mehrere Jahrzehnte bis hin zu mehreren Jahrhunderten. Dies soll sicherstellen, dass niemand ohne Bedacht oder vorschnell heiliggesprochen und damit als Vorbild bezeichnet wird. Der erste dieser Prozesse fand beim heiligen Ulrich statt und hat sich durchgesetzt. Heute ist ein Verfahren Standard.
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