Biblische Erzählungen begeistern die Menschen seit jeher. Romane, Theaterstücke und Filme nähern sich den religiösen Themen an. Auch heute noch lassen sich Menschen für die biblischen Geschichten begeistern – so etwa für den Bericht über den Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Das wird im Buch „Exodus“ erzählt. Darum geht es.

Es gibt Geschichten, an denen die Menschen wohl nie satt werden. Ein Blick in die Kinofilme der letzte Jahrzehnte zeigt: So mancher Stoff wird immer wieder verfilmt, jede Generation, vielleicht jede zweite, braucht ein Remake. Ben Hur etwa, oder Spartacus. Quo vadis, aber auch der große Gatsby. Das gilt für profane Themen, aber auch für biblische Stoffe. Seit Jahren faszinieren Erzählungen aus dem Alten und Neuen Testament die Filmemacher immer wieder. 2014 kam mit „Noah“ ein ganz und gar biblischer Stoff auf die Leinwand. Noch im selben Jahr erschien „Exodus“. Dieser Film beschäftigt sich mit der Befreiung der Israeliten aus ägyptischer Sklaverei und zeigt damit: Biblische Stoffe sind nicht überholt. Im Gegenteil.
Das Buch Exodus setzt mit einer katastrophalen Situation ein: Das jüdische Volk, anfangs in Ägypten willkommen und geachtet, wird versklavt. Die Prunkbauten des Pharao müssen sie errichten. Eine schweißtreibende Arbeit. So schwer auch die Knechtschaft auf ihren Schultern lastet, die Israeliten verbreiten sich immer mehr, die Ägypter bekommen es mit der Angst zu tun. Die Lösung: Alle jungen Söhne der Hebräer sollen getötet werden. Ein kleiner Junge entgeht diesem Mordkommando: Mose. Er wächst – obwohl er Jude ist – beim ägyptischen Pharao auf, seine jüdische Identität scheint beinahe vergessen. Eines Tages aber packt ihn die Wut, als er sieht, wie ein Ägypter einen der jüdischen Sklaven schlägt. Mose bringt in Rage den Ägypter um. Der Pharao erfährt davon, Mose flieht aus der Stadt und verdingt sich als Hirte.

Was folgt, ist einer der schönsten und gleichzeitig bekanntesten Texte der Heiligen Schrift. Mose begegnet Gott. In einem brennenden Busch, der nie ganz verbrennt, erkennt er Gott. Gott, der dem Elend seines Volkes Israel gegenüber so gleichgültig erscheint, beginnt zu sprechen: „Ich kenne ihr Leid.“ (3,7) Für den zweifelnden Mose, aber ebenso für jeden zweifelnden Menschen seit ihm ist dieser Satz irgendwie unglaublich – kennt Gott wirklich das Leid der Welt? Und wenn ja – wieso tut er nichts? Die Antwort darauf: Gott nennt Mose seinen Namen. Die Hebräische Wendung lässt sich bloß ungenau ins Deutsche übersetzen. In etwa aber lautet der Name Gottes: „Ich bin da.“
Und dieser Gott, der immer da ist, erklärt nun Mose, er wolle sein Volk befreien. Mose soll dabei das Sprachrohr Gottes sein, fühlt sich aber zu schwach für seine Aufgabe. Letztlich macht er seine Aufgabe aber ganz gut. Der Pharao will natürlich nicht, dass seine Sklaven die Freiheit erlangen – so wie das im Lauf der Geschichte nie ein Sklavenbesitzer gerne wollte. Gott aber zwingt ihn dazu: Zehn Plagen brechen über das Land herein. Von einer Heuschreckenplage über blutiges Nilwasser bis hin zu unzählbaren Fröschen in ganz Ägypten. Der Pharao lässt sich jedoch nur erweichen, als in ganz Ägypten alle Erstgeborenen sterben – sowohl vom Vieh, als auch Menschen. Der Pharao verliert seinen ältesten Sohn, in Trauer lässt er Israel ziehen.
Weit kommt das jüdische Volk nicht. Bald schon reut den Pharao seine Entscheidung. Er verfolgt die Israeliten. Mose und seine Gefolgschaft scheint eingegrenzt zu sein: Vor ihnen das Meer, hinter ihnen die Armee des Pharao. Den nahen Tod vor den Augen beginnt Mose zu beten. Gott greift ein: Er teilt das Meer. Zwischen zwei hoch aufgestauten Mauern kann Israel auf trockenem Boden das Meer durchqueren. Das Heer des Pharaos nimmt die Verfolgung auf, zieht letzten Endes aber den kürzeren: Das Meer fällt wieder in sich zusammen, die Wassermassen brechen über die Ägypter herein.
Eigentlich könnte die Geschichte schon zu Ende sein. Israel wurde befreit, sie machen sich auf in ihre Heimat Palästina. Der Weg dorthin wird aber 40 Jahre lang dauern. Zu ungehorsam sind die Israeliten in den Augen Gottes, er will die Generation des Auszugs betrafen: Sie haben zwar Ägypten verlassen, Palästina aber werden erst die Kinder, die nächste Generation also erreichen.
Auf dem Weg durch die Wüste will Gott – der von sich sagte: „Ich bin da“ – am Berg Sinai einen Bund mit seinem Volk schließen. Zeichen dieses Bundes sind die Zehn Gebote. Das zeigt: Die Bibel gehört nicht nur zu den ältesten Erzählungen der Welt, sie kann auch einige der ältesten Rechtstexte bieten. Die Zehn Gebote können es nun freilich nicht mit unserem Gesetzeskorpus aufnehmen. Während modernes Recht viele Detailfragen zu klären versucht, beschränken sich diese zehn Vorschriften auf die grundlegendsten Regeln menschlichen Zusammenlebens. Nicht zu töten, nicht zu stehlen, nicht zu lügen – das klingt recht vage, beinahe lächerlich offensichtlich. Dennoch: Menschen brauchen diese Regeln, um ein geordnetes, gemeinschaftliches Leben führen zu können.
Auf diese allgemeinen Regeln folgen dann doch genauere Anweisungen. Strafen auf bestimmte Vergehen werden festgelegt, religiöse Vorschriften niedergeschrieben, der Bau eines Zeltes für die Begegnung mit Gott geregelt. All diese Gebote empfängt Mose auf dem Berg Sinai. Währenddessen wartet das Volk Israel zu den Füßen des Berges auf ihren Anführer. Als der lange Zeit ausbleibt, macht sich das Volk eine Götzenfigur: Ein Kalb aus Gold. Mose kehrt vom Berg zurückkehrt, sieht das Kalb und wird zornig. Wieder war das Volk von seinem Gott abgefallen – wie seit Beginn der biblischen Erzählung schon mehrmals: Adam und Eva, die Generation des Noah, die Brüder des Joseph, sie alle stellten sich gegen den Willen Gottes. Die Reihe menschlichen Fehlverhaltens dauert fort. Gott aber erneuert seinen Bund. Seine Zusage an sein Volk bleibt bestehen.
Das Buch Exodus ist bis heute eines der vielleicht wichtigsten Bücher der Heiligen Schrift. Die Erzählung vom Auszug aus Ägypten ist vor allem für das Volk Israel von großer Bedeutung. An Pessach, einem ihrer wichtigsten Feiertage, erinnern sie sich an die Befreiung aus der Sklaverei. Sie tun das nicht als Gedenkfeiern an ein lange zurückliegendes Ereignis, eine Begebenheit, die in der Vergangenheit, aber nicht im Hier und Jetzt von Bedeutung ist. Im Gegenteil: Das Judentum feiert dieses Fest so, als sei der Auszug aus Ägypten gerade erst geschehen. So werden sie selbst Teil der Geschichte Gottes mit ihrem Volk und so wird die Geschichte ihres Volkes Teil ihrer Identität. Biblische Stoffe also bleiben aktuell. Nicht nur im Kino.
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