Man sagt, es hat immer Kriege gegeben. Entstehen sie etwa von selbst oder werden sie motiviert? Eine kurze Erzählung über die schmerzhaften Zweifel am Verlauf der Geschichte und an der scheinbar unerreichbaren Gleichberechtigung auf unserer Welt.
Ein kalter Sonntagmorgen, wir frühstücken. Lebensgefährliche Mengen an Butter und Kaffee treiben unsere Gedanken an. Das Thema: Was ist eigentlich eine Diktatur?
Begrenzte Mobilitätsfreiheit, die Vertreter des eigenen Volkes nicht wirklich wählen zu dürfen, durch Kriege das zu rauben, was man friedlich nicht zu handeln wusste – all dies sind Symptome einer Diktatur, meine Freundin und ich sind uns einig. Das Gespräch fängt noch nicht richtig an, wenn schon vom Frühstück nur die Krümel verbleiben.
Wir, hier… die Anderen, irgendwo
Jeder begibt sich zu den Aktivitäten der jeweiligen To-Do-Liste. Ich muss zwar ein paar Emails schreiben, aber lese erst die Nachrichten, die mir gestern Abend meine Mutter gesendet hat. Sie macht sich Sorgen um den Krieg, der im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Sie erwähnt Israel – was? Ich öffne zum ersten Mal seit Wochen das Nachrichtenportal. Ja, normalerweise bleibe ich weg von den Geschehnissen der ganzen Welt, und das eher aus gesundheitlichen Gründen.
Ich sehe unzählige Videos von Städten in Flammen. Der Ton jener war aus, meine Finger machen ihn von alleine an. Der apokalyptische Krach von Bomben und Raketen, ich sehe erschrockene Gesichter von Menschen, die hinter dem Glas meines Handys verbluten.

Die erste emotionale Reaktion als Zuschauer…
Mein Körper funktioniert nicht mehr richtig. Das einst geschmackvolle Frühstück fühlt sich wie ein glühender Stein im Magen an. Mein Herz tut weh, saure Tränen sammeln sich in meinen Augen, voller Hass, voller Angst. Der Rest der Welt ist nur ein Haufen rauchender Ruinen, denke ich mir, während ich so ruhig aus dem Fenster schaue.
Ich sehe stille Bäume im Herbstlaub, zwei gehende Männer mit lustigen Gesten. Ich höre vorbeifahrende Motoren, das Brummen einer Stadt und die Lieder einiger Vögel; aber die Angst in mir verschwindet nicht.
… und Verzweiflung, das Gefühl der Machtlosigkeit
Ich hatte mich in die Opfer der letzten internationalen Katastrophe hineinversetzt. Ich kann nichts dafür, ich bin ein Mensch. Wir Menschen werden durch unsere Empathie ausgezeichnet und getrennt von Bestien. Wer richtet dann überhaupt die Blockaden, die Raketen und die Zerstörung?
Ein Krieg ist eine teuflische Versammlung von Menschen und Todesmaschinen, um einander zu vernichten. Das geschieht längst nicht mehr in Deutschland. Dazu schicken wir stattdessen anderen die Waffen, damit das Verbrechen weit weg bleibt und wir darauf schauen können. Moment… Wir schicken die Waffen? Die nette, alte Kassiererin von Aldi und ich haben schon mehr als hundert Panzer in die Ukraine geliefert?
Aber wer ist schuld?
Ich bin Steuerzahler. Ein paar Euro meiner Tasche fließen in die Herstellung riesiger Maschinen, deren einziger Zweck das Zerstören heißt. Niemand fragte mich nach meiner Spende daran, das Leben tausender Russen in einem fremden Land zu beenden. Dennoch entschloss jemand, dass es für mich von größter und dringlichster Wichtigkeit war und nahm das Geld, um es auf solche wahnsinnige, absolut schändliche Weise zu investieren. Wurden vielleicht tausend Russen von Tür zu Tür gefragt, ob sie daran interessiert sind, ukrainische Familien zu bombardieren und vielleicht selbst ein paar Bekannte in die Massaker zu schicken? Ich glaube nicht, aber ich wohne nicht in Russland und ihre größten Medien sind uns hier sowieso verboten.
Aber wer ist schuld? Ich kann nicht begreifen, dass Putin eines Morgens mit seinen sanften Fingern einige hunderttausende Soldaten und Tonnen Rüstung zog, wie im Schach. Haben wir denn keinen eigenen Willen?
Ein ständig offenes Ende
Was wünschen sich die Menschen, die sich freiwillig in die Armee einreihen? Und die Rüstungsforscher? Und die Waffenfabrikanten? Und was wünschen sich die Mitglieder jeglichen Kabinetts, die im 21. Jahrhundert beschließen, mehr Waffen zu exportieren und ihre Produktion zu verstärken?
Glauben sie wohl an eine Religion, bei der das grundlegende Recht auf das Leben nichts mehr wert ist? Eine Religion mit Geld als Gott – ein sichtbares Gott, aber das falscheste Gott überhaupt. Gehöre ich jetzt auch dieser Religion an, wenn ich nach einem weiteren Minijob suche, um mich den steigenden Preisen meiner Krankenversicherung und Nebenkosten anzupassen?
Hallo Juan,mein Lieber,
Du hast einen wunderbaren Artikel geschrieben der mir total aus der Seele spricht. Ich finde es alles nur noch schrecklich.