Jesus wird zum Tod verurteilt und stirbt am Kreuz. Dabei hätte er als Sohn Gottes diesen grausamen Tod ja auch verhindern können. Warum musste Jesus sterben? Von Benedikt Bögle.

Ein zentrales Element des christlichen Glaubens stellt der Tod Jesu dar. Jesus macht sich mit seiner Predigt Feinde. Sie wollen seinen Tod – und erreichen ihr Ziel: Jesus muss am Kreuz sterben. Nach drei Tagen wird er aber von den Toten auferstehen und neues Leben ermöglichen.
Die Kirche „feiert“ den Tod Jesu: Sie sieht in seinem Leiden und Sterben am Kreuz die Erlösung der Welt. Doch: Warum musste Jesus sterben? Hätte er, als Sohn Gottes, die Welt nicht auch anders erlösen können? Musste es unbedingt ein blutiger Tod sein?
Jesus bleibt konsequent
Diese Frage wird in der Bibel und der Theologie sehr unterschiedlich beantwortet. Zunächst zeigt der Tod Jesu seine konsequente Haltung. Jesus verkündet in seiner Predigt das kommende Reich Gottes. Diese Predigt ist an vielen Stellen unangenehm. Vor allem die Reichen und die Mächtigen kommen nicht besonders gut weg. Jesus aber steht hinter dieser Predigt.
Er vertritt seinen Standpunkt bis zum letzten Atemzug – bis in den Tod. Dass Jesus am Kreuz starb, ist so ein Zeichen seiner Konsequenz: Er meint es mit seiner Lehre wirklich ernst. Er ist bereit, für sie zu sterben. Das verleiht seinem Auftreten Nachdruck. Es „beglaubigt“ seine Lehre: Die Worte Jesu sind wahr; er hat alles ernstgemeint. Wieso sonst sollte er sogar den Tod auf sich nehmen?
Der Tod als Opfer?
Andere deuten den Tod Jesu als ein Opfer. Besonders deutlich hat das der mittelalterliche Theologe Anselm von Canterbury getan. Er wagt einen Vergleich mit der Gesellschaft seiner Zeit. Dort gibt es Gutsherren und Angestellte. Die Angestellten, die Leibeigenen, schulden ihrem Herrn einen Teil der Ernte. Können oder wollen sie ihm das nicht geben, entsteht ein Problem. Die Rechtsordnung ist verletzt und das muss wieder in Ordnung gebracht werden. Diesen Gedanken überträgt Anselm nun auf Gott und die ganze Welt. Die Menschen haben die Pflicht, Gott zu verehren.
Sie müssen seine Gebote befolgen. Das tun sie aber nicht immer – sie begehen Unrecht und verletzen so die Rechtsordnung. Das muss Folgen haben, es muss wieder in Ordnung gebracht werden. Der Mensch aber kann das letztlich nicht leisten. Er ist ein Sünder und bleibt ein Leben lang Sünder. Daher schickt Gott nun seinen Sohn: Er ist in der Lage, Gott recht zu verehren und seine Gebote zu halten. Er nimmt sozusagen die Schuld der ganzen Welt auf sich. Die Schulden, die die Menschen nicht zahlen konnten, übernimmt Jesus.
Gott begegnen
Dieses Modell wirkt heute nicht mehr sehr aktuell. Aber auch andere Theologen erklären den Tod Jesu heute als Opfer. Im Alten Testament sind zahlreiche Opfer für Gott vorgesehen. Aber es gibt einen Unterschied zu den heidnischen Opfern: Die Griechen und die Römer opfern, um die Götter zu besänftigen oder gewogen zu machen.
Für das Volk Israel funktioniert das anders: Das Opfer ist dort eine Möglichkeit, Gott zu begegnen. Es ist ein Geschenk an die Menschheit, die so in der Nähe Gottes sein darf. In diesem Sinne ist der Tod Jesu ein „Opfer“: Nicht, um Gott zu besänftigen, sondern weil Gott selbst Nähe zu seiner Menschheit herstellen will. Das Kreuz wird zu dem Ort, an dem die Menschheit Gott begegnen darf.
Jesus nimmt das Leid an
Schließlich kann das Kreuz auch eine Antwort auf die Frage nach dem Leid sein. Warum müssen Menschen leiden? Warum verhindert Gott nicht Hungersnöte oder Katastrophen? Jesus nimmt als Sohn Gottes das Leid dieser Welt auf seine Schultern. Er müsste nicht leiden, tut es aber freiwillig.
Er hatte alle Macht der Welt, dieses Leid zu verhindern, hätte aus Jerusalem fliehen oder vom Kreuz herabsteigen können – er nimmt es aber an. Auch in diesem Sinn ist der Tod Jesu am Kreuz ein Zeichen der Erlösung: Gott nimmt diese Schöpfung an. Er liebt die Menschen so sehr, dass er sogar ihr Leid und ihren Schmerz teilen will.
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