Meine fünfwöchige Reise nach Ecuador und Peru ist das bislang größte Erlebnis meines Lebens. Bis auf einen Kurztrip nach San Francisco bin ich stets in Europa unterwegs gewesen. Nachdem ich am 5. September in Quito landen werde, werde ich erstmals in meinem Leben einen Fuß auf den südamerikanischen Kontinent setzen. Neben überschwänglicher Freude und großer Lust, neue Länder, Kulturen und Landstriche zu entdecken, schwingt im Hintergrund auch immer ein wenig die Angst mit. Einige Zeit nachdem mir die Idee zu diesem Trip ins Unbekannte gekommen ist, musste ich mich des Öfteren auch mit negativen Visionen auseinandersetzen.
Der erste Punkt, der mich zum Nachdenken brachte, war die Vorstellung, in zwei Länder zu reisen, die ich überhaupt nicht kenne. Ich bin weder mit der ecuadorianischen oder der peruanischen Kultur vertraut, noch spreche ich die Landessprache Spanisch. Da ich mich in meinem bisherigen Leben immer zurecht gefunden habe, erachte ich die Sprache als eher geringes Hindernis. Trotzdem wird es eine Herausforderung sein, ohne Englisch auskommen zu müssen, da es kaum verstanden und noch weniger gesprochen wird. Der Moment, auf einem anderen Kontinent zu erwachen und einen Kulturschock zu erleiden, lässt sich auch noch nach drei Monaten nicht vollkommen abschalten. Zu groß sind die Unterschiede zwischen Deutschland und Ecuador. Hier in Deutschland kann ich mich auf mein internetfähiges Handy und fließendes warmes Wasser verlassen. Wenn ich hungrig oder durstig bin, kaufe ich mir im nächsten Supermarkt das, worauf ich Lust habe. All diese Garantien, die mir mein Heimatland bietet, sind in weniger als einem knappen Monat Geschichte.
Dann werde ich mich auf eine 40-tägige Reise begeben. Ich werde eine Woche im tiefsten Urwald verbringen, am Puls der Natur. Zusammen mit Piranhas, Schlangen und Pfeilgiftfröschen. Ich werde aktive Vulkane besteigen, deren schneebedeckte Gipfel in 5.000 Metern Höhe sogar die Wolken durchbrechen. Ich werde mit Haien tauchen und mich bei sengender Hitze an den zweittiefsten Punkt der Erde begeben. Ich werde meinen Körper Strapazen aussetzen, die er so noch nicht erlebt hat. Zwar habe ich über fast zehn Jahre lang mehrmals wöchentlich Kampfsport ausgeübt, deswegen bin ich allerdings nicht in der körperlichen Verfassung, Höhenunterschiede von 3.000 Metern an einem Tag problemlos wegzustecken.
Ich selbst bin gespannt, wie ich auf die veränderten Bedingungen reagiere werde. Insbesondere bin ich mir noch nicht sicher, inwiefern sich diese körperlichen Belastungen auf meine Psyche auswirken werden. Wie werde ich damit umgehen, mit einem 30-Kilo-Rucksack Tag für Tag durch Wüsten und Nebelwälder zu spazieren. Ohne Pause. Wie werde ich mich mit den gängigen Busreisen arrangieren? Wird mir mein komfortables Leben so sehr fehlen, dass ich in Südamerika an meine eigenen Grenzen stoßen werde?
Mit der Zeit sage ich deutlich: Ich wünsche es mir! Ich will dort in mehreren Tausend Kilometern Entfernung Erfahrungen sammeln, die ich in Deutschland nie erleben könnte. Es ist schwer, sich hier aus seiner Wohlfühlzone herauszubewegen, selbst, wenn ich es wollen würde. Deswegen ist die Ausweglosigkeit, der ich streckenweise in Ecuador und Peru begegnen werde, perfekt für mich. Ich kann meine Ängste überwinden und meinen Charakter weiterentwickeln. Dort, am anderen Ende der Welt, wird mir eine einmalige Chance geboten, eine neue Stufe der Selbstfindung zu erreichen und Seiten an mir zu entdecken, die sonst womöglich noch für viele Jahre in mir unentdeckt geschlummert hätten.
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