Richy ist fast täglich auf seinem Lieblingsskateplatz an der Lingnerallee. Es ist einer von dreizehn offiziellen Skateparks in Dresden, in denen sich Skater und BMX-Fahrer austoben können. Was in anderen Städten verrufen ist, wird in Dresden gezielt gefördert. Seit 1998 organisiert der Förderverein „Dresden skatet e.V.“ im Sommer jede Woche ein Nachtskate-Event. Auch ein spezielles Nachtskaten für Kinder wurde ins Leben gerufen. Strecken in der Innenstadt werden abgesperrt und für die Sportler freigegeben.
„Wenn man hinfällt, darf man nicht liegen bleiben“
Es ist kühl, doch Richard Schütze schwitzt in seinem Tanktop, als er von seinem BMX steigt. Vor einem Jahr ist der 16-Jährige aus Rheinland-Pfalz nach Dresden gezogen. „Hatte Streit mit meinem Vater“, sagt er und schaut auf den Betonboden, der wegen der vielen Graffitis ganz bunt ist. Eigentlich müsste Richy arbeiten, es ist 11 Uhr am Vormittag. Aber er hat sich krank gemeldet – wegen seiner verletzten Rippe. „Das ist bei einer Prügelei passiert. Ein paar Tage später hab ich dann auch noch einen ‘One Hand’ versucht, dabei wurde es schlimmer.“ Der ‘One Hand’ ist ein Sprung, bei dem während der Flugphase ein Arm seitlich weggestreckt wird.
Doch lange hält es Richy zu Hause nicht aus – schnell sitzt er wieder auf seinem Rad und saust über den Skatepark. „Man darf nicht aufgeben“, sagt er. „Wenn man hinfällt, darf man nicht liegen bleiben.“ Man müsse aufstehen und es gleich nochmal versuchen. „Die Zeit heilt keine Wunden – mit ihr wächst nur die Angst, es erneut zu probieren“, sagt er voller Überzeugung. Das sei übrigens nicht nur beim Skaten so. Richy habe ein Jahr gebraucht, um das zu verstehen. Außerdem müsse man das Wetter nutzen. Jetzt, wo es doch endlich wärmer wird. Der Frühling sei ideal für diesen Sport: „Nicht zu heiß, nicht zu kalt, meistens gutes Wetter“, fasst er zusammen. Richy hat die nasskalte Witterung satt: „Ich habe versucht, die Zeit in der Skatehalle zu überbrücken, aber es ist einfach nicht das Gleiche wie draußen.“
Ungewisse Zukunft für die Skaterhalle
Doch ob er den nächsten Winter wieder in der Halle üben kann, ist noch ungewiss. Denn um die Dresdner Skatehalle steht es schlecht. „Im schlimmsten Fall muss sie sogar geschlossen werden“, sagt Richy. Die Förderung durch das Jugendamt lief aus und allein durch Eintrittsgelder lässt sich die Halle nicht finanzieren. Eine Online-Petition soll das Problem lösen. Richy hat mitgeholfen, sie in die Wege zu leiten. „Bisher haben fast 5.000 Menschen unterschrieben und sich für den Erhalt der Skatehalle eingesetzt“, strahlt er. Das Schließen der Halle wäre ein herber Schlag für die Dresdner Skaterszene – denn sie ist die einzige beheizte Skatehalle der Stadt.
Am Rand des Skateparks Lingnerallee sitzt auch Marina Kurz mit ihrer kleinen Tochter und schaut den Kunststücken der Jungs zu. „Ich habe selbst eine Schwäche für free-riding“, sagt die 38-Jährige. „Es ist ein cooles Gefühl von Wildheit und Abenteuer.“ Am liebsten würde sie gleich aufspringen und mitmachen, aber die Angst vor Verletzungen halte sie davon ab. „Manchmal, wenn es hier etwas leerer ist, fahre ich mit meiner Kutsche über den Skatepark – meinen Kindern gefällt das“, gibt sie lachend zu und deutet auf ihr Fahrrad mit einem Anhänger. Für Richy ist das Beste am Skaten das Gefühl, wenn man kurz in der Luft schwebt: „Das Kribbeln im Bauch und die Frage, ob man den Sprung meistert und wieder sicher landet. Wenn man das geschafft hat, ist man übelst happy.“ Richy hat es oft nicht geschafft – seine nackten Arme sind mit Narben übersät. Etliche Verletzungen hat er sich schon zugezogen. Deswegen fährt er heute auch nicht mehr Skateboard sondern BMX. „Ist sicherer“, sagt er und schwingt sich zum nächsten Sprung.
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