Übergangsjahr. Diese enthaltsame Bezeichnung verwendet Armin Papperger, wenn man ihn nach der Bedeutung von 2013 fragt. Für seine schnörkellosen Antworten ist der 51-jährige zweifache Familienvater, der so gar nicht zu dem geheimniskrämerischen Schlapphut-Image der Branche passt, mittlerweile bekannt. Und trotz dieses wenig pathetischen Rückblicks wirkt der gebürtige Niederbayer zufrieden mit seinem ersten Jahr an der Spitze des börsennotierten Automobilzuliefer- und Rüstungskonzerns Rheinmetall. Man sei gut vorangekommen, bekräftigt der Wahl-Düsseldorfer. Immerhin 50 Prozent aller Maßnahmen konnten umgesetzt werden, was zur Folge hat, dass das Ergebnis im laufenden Jahr deutlich steigen dürfe.
Ein guter Ausblick
Rheinmetall will 2014 die ersten Früchte ihres Umbaus ernten. Die hohen Restrukturierungsaufwendungen, die rund 86 Millionen Euro schwer waren und einen Abbau von 700 Stellen forderten, sollen sich langsam auszahlen. Zwar geht der Konzern erst ab 2015 von einem durchschnittlichen jährlichen Umsatzwachstum von drei bis fünf Prozent aus, im aktuellen Jahr wird aber schon ein Konzernumsatz von 4,8 bis 4,9 Milliarden Euro erwartet. Zudem soll ein Ergebnis von Zinsen und Steuern (EBIT) von 220 bis 240 Millionen Euro herausspringen. Letztes Jahr war diese Kennzahl um mehr als 60 Prozent auf 112 Millionen Euro eingebrochen, was nicht zuletzt zu einer Dividendenkürzung von 1,80 Euro auf 40 Cent führte.
Zuversichtlich stimmt die Anleger hingegen besonders der Rekordauftragsbestand, der zu einem Großteil auf das Konto des Rüstungsgeschäfts geht. Dieses dürfte vom anhaltend hohen Modernisierungsbedarf zahlreicher Streitkräfte und von neuen militärischen Einsatzszenarien profitieren. Aber auch die Automobilsparte, in der Rheinmetall zunehmend vom Trend zur Verbrauchs- und Schadstoffreduktion einen Nutzen zieht, sorgt für Optimismus. Speziell das China-Geschäft läuft wie geölt. In den vergangenen vier Jahren konnte Rheinmetall seinen Umsatz im Reich der Mitte mehr als verdreifachen. Schon heute ist der Weltkonzern in China mit seinem Partner SAIC der größte Hersteller von Kolben und Zylinderköpfen für PKW. Rheinmetall baut in dem Wachstumsmarkt seine Marktpräsenz weiter aus, es gibt inzwischen elf Vertriebs- bzw. Fertigungsstandorte.
Bundesregierung als Geschäftsschädiger
Die Krim-Krise indes macht auch den Düsseldorfern zu schaffen. Ein lukratives Exportgeschäft mit einem Volumen von 120 Millionen Euro wurde von der deutschen Bundesregierung vorläufig auf Eis gelegt. Rheinmetall plante die Übergabe einer hochmodernen Gefechtsübungsanlage, in der jährlich bis zu 30.000 Soldaten ausgebildet werden können, im russischen Mulino in der Wolga-Region an die Armee. „Die Bundesregierung hält in der gegenwärtigen Lage die Ausfuhr des Gefechtsübungszentrums nach Russland für nicht vertretbar“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme. Um eine Ausfuhr von Kriegswaffen nach Russland handelt es sich bei dem Geschäft allerdings nicht. Diese sind seit mindestens zehn Jahren nicht mehr genehmigt worden.
Analyst Stephan Böhm von der Commerzbank sieht in dem Exportstopp aber nur begrenzte Risiken für Rheinmetall. Er geht für 2014 von einem weitaus niedrigeren Umsatzbeitrag des Rüstungskonzerns aus Russland in Höhe von lediglich 45 Millionen Euro aus. Die Übungsanlage sollte außerdem lediglich als eine Art Türöffner für den russischen Markt dienen, und weise eine entsprechend geringe Ergebnisqualität auf. Daher erwartet der Experte von dem Projektstopp für Rheinmetall einen potenziellen Umsatz- und Ergebnisausfall von jeweils nur einem Prozent. Er behielt seine Kaufempfehlung für die Aktie bei und bestätigte das Kursziel von 60 Euro.
Auf zu neuen Märkten
Angesichts des schrumpfenden Verteidigungsbudgets in Europa bemüht sich Rheinmetall derzeit besonders darum, weltweit neue Märkte zu erschließen. Im vergangenen Jahr kamen bereits 72 Prozent der Aufträge aus Regionen außerhalb Europas, vor allem aus Asien und dem Mittleren Osten. Großaufträge gingen unter anderem aus Katar und Indonesien ein. Die Bestellung von rund 2.500 Logistikfahrzeugen – was einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro entspricht – durch australische Streitkräfte bedeutete zudem den zweitgrößten Einzelauftrag in der Unternehmensgeschichte. Des Weiteren gelang die Verlängerung des Rahmenvertrags mit den niederländischen Streitkräften über die Versorgung mit verschiedenen Munitionstypen um weitere sieben Jahre bis Ende 2019. Somit konnten die Düsseldorfer zum Ende des vergangenen Jahres Rekorde bei Auftragseingängen- und beständen feiern. Durch die Zusammenarbeit mit dem Essener Industriedienstleistungsunternehmen Ferrostaal erwartet man sich für die Zukunft zusätzliche dringend benötigte Aufträge aus Wachstumsregionen außerhalb Deutschlands. „In Märkte, zu denen Rheinmetall zuvor nur eingeschränkten Zugang hatte“, wie Papperger feststellt.
Analysten sind gespalten
Während die beiden nordrhein-westfälischen Unternehmen also ein gemeinsames Vorgehen beschlossen haben, sind sich Analysten und Experten zunehmend uneins, was die künftige Entwicklung des Rheinmetall-Papiers angeht. So hat das Analysehaus Kepler Cheuvreux beispielsweise die Einstufung für Rheinmetall nach Zahlen auf Hold mit einem Kursziel von 45 Euro belassen. Während ihn der Free Cashflow für 2013 positiv überrascht habe, liege der Ausblick für Umsatz und bereinigtes operatives Ergebnis (Ebit) im Jahr 2014 unter seiner Erwartung, schrieb Analyst Michael Raab in einer Studie. Insgesamt sei das Rüstungsgeschäft für die Düsseldorfer riskanter als die Automotive-Sparte. Raab stellte eine Überarbeitung seines Bewertungsmodells in Aussicht. Die Investmentbank Close Brothers Seydler hingegen rät zum Verkauf der Anteilsscheine.
Sein Fokus habe vor allem auf dem Gewinn und der Dividendenausschüttung des Rüstungsunternehmens und Autozulieferers gelegen, schrieb Analyst Daniel Kukalj in einer Studie. In beiden Bereichen sei er enttäuscht worden. Der Ergebnisausblick 2014 überzeuge ebenfalls nicht und liege unter seiner und der Konsenserwartung. Die DZ Bank wiederum schlägt den Kauf der Aktien vor, und belässt den fairen Wert bei 63 Euro. Die endgültigen Geschäftsresultate für das vierte Quartal 2013 entsprächen vollständig den schon bekannten Eckdaten, während der neue Ausblick für das operative Ergebnis im laufenden Jahr unter seiner Erwartung ausgefallen sei, schrieb Analyst Markus Turnwald in einer Studie. Der Dividendenvorschlag liege über seiner, aber unter der Konsenserwartung. Er halte die Aktie dennoch für attraktiv bewertet, da eine deutliche Steigerung beim Gewinn pro Aktie bis 2015 prognostiziert werde.
2015 soll es noch besser werden
Ab 2015 soll der Auslandsanteil in beiden Unternehmensbereichen leicht ansteigen. Defence hat die Zielsetzung, rund 50 Prozent seines Umsatzes mit Kunden außerhalb Europas zu erwirtschaften. Automotive beabsichtigt, den Anteil außereuropäischer Umsätze auf ein Drittel zu steigern. Dafür wird Rheinmetall seine seit vielen Jahren erfolgreiche Internationalisierungsstrategie konsequent fortführen und seine lokale Präsenz in Wachstumsregionen weiter stärken. Gleichzeitig streben die Düsseldorfer eine verbesserte Profitabilität an. Für Defence erwartet der Konzern ab 2015 eine EBIT-Marge von sieben bis neun Prozent. Bei einem stabilen Konjunktur- und Marktumfeld wird für Automotive eine EBIT-Marge von acht Prozent angestrebt. Zudem soll die Dividende künftig wieder steigen: „Es ist unser erklärtes Ziel, mit dem Abschluss unseres Strategieprogramms im Jahr 2015 wieder auf das Dividendenniveau der Jahre vor der Restrukturierung zurückzukehren“, betont Armin Papperger.
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