Roger Willemsen war einer der berühmtesten Intellektuellen Deutschlands. Am Sonntag starb er mit 60 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung. Er hinterlässt grandiose Momente – und eine ganz große Sorge.
Wenn man in Deutschland nach echter Intelligenz sucht, tut man dies oft vergebens. Nicht selten passiert es, dass man sich die Frage stellt, wie Person XY in eine solch wichtige Führungsposition gekommen ist. Letztlich führt einen diese Suche immer zu Roger Willemsen. Wenn man fragt, was er genau gemacht hat, dann ist das tatsächlich schwer zu beantworten. Herr Willemsen war Buchautor, Moderator, regelmäßiger Talkshow-Gast, Redner – aber vor allem war er Intellektueller. Jemand, dessen Aura und Wortgewandtheit einem klar machte, dass niemand ihm in der Medienlandschaft und wahrscheinlich auch darüber hinaus das Wasser reichen konnte. Jemand, dessen Sätze man zwar einzeln fünf Minuten lang studieren musste, um ihren Sinn zu erfahren, doch diese es stets mit einer grandiosen Pointe zurückzahlten.
Das Lebenswerk Willemsens
In der Schule blieb Roger Willemsen zwei Mal sitzen, besonders in den Fächern Mathematik, Latein, Chemie und Physik konnte er nicht die Leistung bringen, um die Schullaufbahn regulär zu beenden. Als er 1976 dann doch noch das Abitur bestand, studierte er Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in vielen verschiedenen europäischen Städten. Willemsens Fernsehkarriere begann im Jahre 1991 bei dem damals noch genannten Sender „Premiere“. Hier hatte er eine Sendung mit dem Namen „0137“, bei der Zuschauer anrufen und mit Willemsen in Verbindung treten konnten. Dabei führte er über 600 Interviews und sprach unter anderem auch viele Tabuthemen an. Die Sendung wurde mehrmals für ihre Innovation und ihren Moderator ausgezeichnet.
Im Radio moderierte Willemsen viel auf WDR 5, wo er auch die Silvestersendung regelmäßig leitete, entweder zusammen mit Elke Heidenreich oder Anke Engelke. Im Jahre 2014 machte er sich als Bestseller-Autor einen Namen, indem er das Buch „Das Hohe Haus: Ein Jahr im Parlament“ veröffentlichte. Darin verzeichnet Willemsen seine Eindrücke aus einem kompletten Jahr als Zuschauer im Bundestag. Und das in seiner gewohnt betonten, aber durchaus leicht zu lesenden und humoristischen Art. Besonders toll ist das Buch, weil es einen sehr kritischen Blick auf die Machenschaften und die Umgehensweisen im Bundestag wirft. Allerdings zeigt er auch, dass es, besonders auf den hinteren Bänken der Regierung, engagierte Politiker gibt, die wirklich für eine Sache kämpfen.
Die Sorge, die bleibt
Roger Willemsen erlag an einem Krebsleiden. Nichts ungewöhnliches, schließlich ist Krebs auch in Deutschland eine verbreitete Krankheit. Aber was bleibt, ist trotzdem die Sorge und Angst vor dieser gnadenlosen Krankheit. Die Sorge, dass der Krebs nicht vor Persönlichkeiten, Rang oder eben Intelligenz Halt macht. Die Sorge, dass man stirbt, egal wie sehr man es verdient hätte, weiterleben zu dürfen. Es kommt einem wie gestern vor, dass die Eilmeldung durch die Medien ging, dass Willemsen an Krebs erkrankt sei. Seitdem hatte man nichts mehr von ihm gehört. Nun, einige Monate später, kommt die traurige Erkenntnis, dass das auch für immer so bleiben wird. Und doch ist es im Falle Willemsens besonders tragisch, da er lange Zeit seinen Vater, der ebenfalls an Krebs erkrankt war, beim Sterben zusah. In einem SWR-Interview im Jahre 2014 verrät er, dass dies eine der schlimmsten Phasen seines Lebens war. Ebenfalls in diesem Interview spricht er darüber, dass die damalige Krebsmedizin noch in den Kinderschuhen steckte. Und doch konnte auch er, vier Jahrzehnte später, nicht gerettet werden.
Dass er es bis zu seiner Diagnose, und wahrscheinlich auch darüber hinaus, noch immer noch drauf hatte, das zeigte sein letzter „großer“ Fernsehauftritt, beim „Neo Magazin“ mit Jan Böhmermann. In seiner klassischen Manier spielte er das kleine Spielchen der Redaktion mit, die ihn den, eigentlich immer die Oberhand behaltenden, Jung-Moderator minutenlang zutexten ließ, nur um ihn im darauffolgenden Online-Special absurde Fragen beantworten zu lassen, bei der er allerdings auch keine einzige Spitze gegen Jan Böhmermann ausließ. Ohne dabei aber den Respekt für seinen Gegenüber zu verlieren. Willemsen schaffte oft den Spagat zu zeigen, dass er zwar klüger ist als der andere, jedoch das kein Indiz dafür ist, sich herablassend zu verhalten. Deswegen war er auch ein immer gern gesehener Gast in jeglichen Sendungen.
Viele Erinnerungen
Roger Willemsen hätte einen ganzen Buchband herausbringen können, nur mit seinen Zitaten geschmückt. Eines sticht dabei aber heraus und dient damit auch perfekt als Abschluss dieses Nachrufs. Auf die Frage in einem SWR-Interview, ob das Kiffen, zu dem Willemsen immer offen stand, nicht schädlich sei, sagte er: „Du hast ja keine Ahnung, was dieses Gehirn könnte, wenn ich nicht kiffen würde.“ Und genau deswegen wird er auch weiterhin vielen Leuten in Erinnerung bleiben.
Schreibe einen Kommentar