Eine Volkspartei, drei Kandidaten, 400.000 Mitglieder – Wie soll die Erneuerung der CDU personell aussehen? Unser Autor nimmt die drei Kandidaten, die sich für den Parteivorsitz aufstellen lassen, einmal genauer unter die Lupe.
Drei westdeutsche Männer als Kandidaten – Ist das die Erneuerung der CDU?
Auch diesmal kandieren drei Männer aus den alten Bundesländern für den CDU-Bundesvorsitz. Neben den bereits schon mal angetretenen Kandidaten, Norbert Röttgen und Friedrich Merz aus Nordrhein-Westfalen, gab es eine Kandidatur, die für eine gewisse Überraschung gesorgt hat. Der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes Helge Braun aus Hessen hat seinen Hut in den Ring geworfen. Auf dem Papier ist Braun der jüngste Kandidat vom Alter her, seine sehr nahe Verbindung als engster Mitarbeiter von Kanzlerin a.D. Angela Merkel kann jedoch kaum für eine Erneuerung stehen. Der Anschein der Befangenheit ist hier schon sehr offensichtlich. Inhaltlich hat Braun kein eigenes politisches Profil präsentieren können. Schon qua seines Amtes hat man als Leiter des Kanzleramtes sich in die zweite Reihe zu stellen und eigentlich auch zu gehen, sobald die Chefin oder der Chef das Kanzleramt verlässt.
Fraglich ist, ob er alle Flügel und Mitglieder der CDU mitnehmen und einen wird? Im Rahmen der Bewältigung der Corona-Pandemie, welche er maßgeblich zu verantworten hatte, wurde, meines Erachtens nach, nicht auf alle Gesichtspunkte einer Pandemie Rücksicht genommen. Der Ton war sehr belehrend und recht anmaßend: Der Staat sprach mit seinen Bürgern wie mit kleinen Kindern auf dem Spielplatz. Ein breiter Blick aus dem Kanzleramt auf alle Aspekte der Pandemie, also vor allem auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, war kaum ersichtlich. Vielmehr wurden diese Probleme den Ländern überlassen. Dieser Führungsstil passt weder zu einem Staatsamt noch zu einem Parteiamt. Die Chancen für Helge Braun stehen wohl schlecht. Seinen Wahlkreis hat er nach Jahren verloren, was nicht unbedingt mit ihm zu tun haben muss.
Medienberichten zufolge wurden viele Plakate mit Braun in Hessen nicht aufgehängt. Sie wurden in den Kreisgeschäftsstellen liegengelassen. Dieses in meinen Augen unerträgliche Verhalten von einigen „Parteifreunden“ ist, um es mal in der Sprache von Ex-Bundesinnenminister Seehofer zu sagen, ein „Krebsgeschwür in der Politik“. Schon bei Merkel wurde 2017 dasselbe gemacht, dieses Jahr musste auch Laschet darunter leiden. Die Ergebnisse bei den letzten Bundestagswahlen waren dementsprechend schlecht. Wer soll denn bitte eine Partei wählen, welche an ihrem eigenen Kandidaten öffentlich so zweifelt? Diejenigen Parteifreunde sollten sich vor Augen führen, dass sie bei ihren eigenen Wahlen auch eine Solidarität und Unterstützung erwarten. Der Grundsatz jeglicher Parteimitgliedschaft lautet: „Alle für einen, einer für alle.“ Daran müssen einige noch sehr viel arbeiten.
Zwei alte Hasen treten wieder an – Kann dies die ersehnte Erneuerung sein?
Norbert Röttgen probiert es nochmal. Der profilierte Außenpolitiker und Bundesminister a.D. wurde 2012 von Merkel aus der Regierungstätigkeit entlassen. Sein halbherziger Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen hat bei vielen noch Wunden hinterlassen. Darüber hinaus sind seine Thesen relativ offen formuliert. Man kann diese in verschiedene Richtungen auslegen. Zugutehalten muss man ihm natürlich die relative Neutralität in Bezug auf die Ära Merkel. Er könnte somit zumindest etwas für Erneuerung stehen. Problematisch ist jedoch sein reines außenpolitisches Profil, welches er in den letzten Jahren aufgebaut hat. Röttgen muss als CDU-Vorsitzender auch die Belange im Inland und viel mehr die der Partei kennen. Dafür hat er jetzt etwas Zeit gehabt.
Schließlich tritt Friedrich Merz, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion, zum dritten Mal an. „Alle gute Dinge sind drei“, könne man meinen. Entgegenhalten kann man dies aber mit dem Sprichwort, dass man eine alte Liebe nicht aufwärmen sollte. Gewiss hat Merz seinen Zenit spätestens bei der zweiten Wahl überschritten. Nun tritt er wieder an. Als ältester Kandidat kann er zumindest personell nicht für richtige Erneuerung stehen. Offensichtlich ist jedoch, dass er inhaltlich für eine Erneuerung steht. Er hat klare Thesen und Ziele formuliert, welche eher dem konservativen Flügel der CDU zuzurechnen sind. Merz stand loyal zu Armin Laschet im Wahlkampf und zeugte damit von Anstand und Solidarität, trotz inhaltlicher Differenzen.
Damit prädestiniert er sich für viele doch noch zu einer Persönlichkeit, welche verschiedene Meinungen berücksichtigt und zumindest versucht, diese zusammenzubringen – und damit als Bundesvorsitzender für alle Parteimitglieder da sein kann. Friedrich Merz hat im Vergleich zu den anderen Kandidaten einiges an Berufserfahrung sammeln können, er ist zumindest ein Semi-Berufspolitiker. Seine berufliche Tätigkeit in der freien Wirtschaft wird jedoch auch von manchen kritisiert. Problematisch ist, dass er immer noch im Verruf ist, nicht emphatisch zu sein. Seines Alters wegen ist es zudem fraglich, ob er letztlich wieder ein Übergangsvorsitzender sein wird, wie seine letzten Vorgänger oder ob er es wagt, Kanzlerkandidat zu werden?
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Der Ball liegt nun bei den 400.000 Mitgliedern der CDU. Sie werden entscheiden, mit welchem Kandidaten es weiter gehen wird. Macht ist in einer Demokratie flüssig und flüchtig. Die Arbeit in der Opposition ist alles andere als wünschenswert, sie dient aber auch primär dafür, sich selbst aufzuraffen. Vor der CDU stehen viele Entscheidungen an. Auch auf Länderebene müssen sich alsbald viele Verbände neuaufstellen und sich erneuern. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Der CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen hat es bereits mit dem geräuschlosen Staffelübergang an den frischen und agilen Ministerpräsidenten Wüst vorgemacht.
Auch die Verbände in Schleswig-Holstein und im Saarland haben schon lange gute Akzente gesetzt. Dort regieren junge und dynamische Ministerpräsidenten. Vielleicht sollte man sich auch mal an solchen Paradebeispielen mehr orientieren. Die Personalentscheidungen in der Fraktion sind ernüchternd. Von einer Erneuerung kann kaum die Rede sein. Alte Minister sicherten sich die Ausschussvorsitze. Wenige haben den Platz für neue Kolleginnen und Kollegen gemacht. Man kann nur hoffen, dass die Mitglieder mit ihrer Wahl ein entsprechendes Statement setzen. Mein Kreuz habe ich jedenfalls gesetzt.
Katja
Wie war, wie war kann man nur dazu sagen!
Bravo für den Autor, sehr gut geschrieben und alles dargestellt!