Am 23. April wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten – möglicherweise auch die erste Präsidentin in der Geschichte des Landes. Der Ausgang ist dabei noch völlig offen und könnte ebenso überraschend werden wie bereits der Wahlkampf im Vorfeld. Eine Analyse einer Wahlberechtigten.
Obwohl man in den vergangenen Wochen und Monaten in den Medien immer wieder von den französischen Präsidentschaftswahlen, den Kandidaten und aktuellen Umfrageergebnissen hören und lesen konnte, scheint das Thema mehr oder weniger untergegangen zu sein. Kein Wunder: Trump probiert sich an seiner Macht und liefert sich dabei einen Wettkampf mit dem koreanische Machthaber Kim Jong Un, Paris wird erneut vom Terror getroffen und die AfD treibt Tausende auf die Straßen. Wenn man aber französische Wurzeln hat wie ich und am Sonntag sein Häkchen bei einem der elf Kandidaten setzten soll, kommt man da nicht so einfach drum herum. Und: Die Wahl könnte für uns eine ähnlich große Bedeutung haben wie die US-Wahlen. Zumindest was den Wahlkampf im Vorfeld angeht, ähneln sich die beiden schon einmal.
Frankreich zwischen Hoffnung, Affäre und Enttäuschung
„Kampf der Extreme“, „totales Chaos“, „Peinlicher Wahlkampf“. So und so ähnlich lauten viele der Artikel und Nachrichtenbeiträge, die ich auf meiner Suche nach Informationen über die Präsidentschaftskandidaten finde. Sie alle deuten darauf hin, dass diesmal etwas anders ist als sonst. Und es stimmt: Dieser Wahlkampf ist anders als die üblichen, geprägt von Parolen der Populisten, von Skandalen und allen voran von Überraschungen: Als erster Präsident der 5. Republik hat der amtierende Präsident François Hollande von der Sozialistischen Partei auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Das dürften die Franzosen allerdings nicht zu schlimm gefunden haben, da er sich während seiner Regierungszeit sehr unbeliebt gemacht hat. Viele Franzosen setzten ihre Hoffnungen in diesem Jahr auf den rechts-konservativen Politiker François Fillon – er hatte die Gunst der Wähler für sich gewinnen können. Dann aber überrollte ihn eine Welle von Affären. Anfang des Jahres wurde bekannt, dass er öffentliche Gelder missbraucht haben soll, die Ermittlungen gegen ihn laufen noch. Außerdem soll er Geschenke in Höhe von mehreren tausend Euro angenommen haben, obwohl er sich politisch gegen ein solches Gebaren aussprach. Die Skandale kosteten den ehemaligen Spitzenkandidaten viele Wählerstimmen.
Ähnlich wie in Deutschland und anderen europäischen Staaten wühlten auch die Rechtspopulisten den Wahlkampf auf, so sahen Umfragen den von Marine Le Pen geführten Front National zwischendurch als führendes Lager. Nach dem Stimmenabsturz Fillons‘ und den düsteren Aussichten auf eine Präsidentschaft unter Le Pen erstrahlte am französischen Wahlhimmel schließlich der Medienstar Emmanuel Macron. Der 39-jährige sozial-liberale Politiker kann mit seiner Bewegung „En Marche!“ viele Franzosen kurz vor der Zielgeraden für sich begeistern und dürfte der Frontfrau der Populisten gemäß Umfragen die Stirn bieten. Aber spätestens seit dem 9. November 2016 ist klar, dass Prognosen auch völlig danebenliegen können. Vielleicht nicht unbedingt eine Überraschung, aber dennoch ungewöhnlich ist auch die Anzahl der Kandidaten: Es sind ganze elf.
Kandidatenüberblick kompakt
Obwohl ich mich länger mit ihnen auseinandergesetzt habe, kann ich mir nicht alle der Kandidaten mit Namen merken. Sechs der elf sind eher unbedeutend, da sie Prognosen zufolge jeweils maximal ein Prozent der Wähler für sich gewinnen können. Aber wie kann es überhaupt so viele Kandidaten geben? In Frankreich existiert, anders als hier in Deutschland, keine Fünf-Prozent-Hürde für Parteien und Kandidaten, die zur Wahl antreten möchten. Außerdem ist die Parteienlandschaft sehr viel zersplitterter als bei uns, sodass es mehr Kandidaten gibt, wenn alle halbwegs bedeutenden Parteien jemanden ins Rennen schicken. Ein weiterer Unterschied zu Deutschland liegt in der Art zu wählen: In Frankreich werden die Präsidenten direkt vom Volk gewählt. Kann ein Kandidat in der „ersten Runde“ weniger als 50 Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen, gibt es eine „zweite Runde“, die Stichwahl. Aus dem Grund wird der 7. Mai als zweiter Wahltag angesetzt. Auch wenn für einen Außenstehenden viele Kandidaten relativ unbedeutend sind, möchte ich einen kurzen Überblick über die Wichtigsten im Hinblick auf die Wahl geben.
Emmanuel Macron: Favorit, EU-Bekenner, Jungtalent
Der ehemalige Investmentbanker ist kein politischer Neuling. Nachdem er seine Karriere im Finanzministerium begonnen hatte, arbeitete er in der freien Wirtschaft. Zwischen 2014-2016 kehrte der Absolvent einer Eliteuniversität als Wirtschaftsminister in die Politik zurück. Mitte 2016 geriet er in die öffentliche Kritik, weil er unter anderem zu geringe Steuern gezahlt hatte und sich mit Gewerkschaftern eine heftige Auseinandersetzung lieferte. In deren Verlauf sagte er zu ihnen: „Geht arbeiten, damit ihr euch irgendwann mal einen Anzug wie meinen leisten könnt.“ (frei übersetzt) Im August 2016 trat er von seinem Ministerposten zurück und im Namen der Bewegung „En Marche“, die er im gleichen Jahr gegründet hatte, bei den Präsidentschaftswahlen an. Im Laufe dieses Frühjahrs hat Macron sich zu einem der Favoriten entwickelt, jüngste Umfragen prognostizieren ihm 23 Prozent der Wählerstimmen. Experten sehen ihn bereits in der Stichwahl mit Marine le Pen und schätzen, dass er diese deutlich gewinnen würde.
Er gilt als wirtschafts- und sozialliberal und ist ein klarer Bekenner der EU, die er stärken möchte. Zieht man in Betracht, dass er in seiner Zeit als Wirtschaftsminister höhere Einkommen durch Steuersenkungen entlastet hat und berücksichtigt man seinen Spruch gegenüber dem Gewerkschafter, gerät die Glaubwürdigkeit seiner sozialen Ausrichtung etwas ins Wanken. Sein Programm sieht 10.000 neue Polizeistellen vor und ein entschiedenes Vorgehen gegen den Islamischen Staat. Er ist mit seiner ehemaligen Lehrerin verheiratet, die 24 Jahre älter ist. Mit 39 Jahren ist er außerdem der jüngste Kandidat. Wegen seiner ungewöhnlichen Beziehung und seines Alters wird Macron in den Medien besonders oft thematisiert.
Jean-Luc Mélenchon: Das System von links umkrempeln
Dieser Kandidat war ebenfalls eine der Überraschungen dieses ungewöhnlichen Wahlkampfes: Mélenchon, der ehemalige Vorsitzende der französischen Linkspartei, war bereits 2012 zum Präsidentschaftswahlkampf angetreten, damals holte er elf Prozent der Stimmen. In der Folge wurde es recht still um ihn, bis er sich in diesem Wahlkampf wie ein Phönix aus der Asche erhob. Mit seiner neu gegründeten Partei „La France insoumise“, was so viel wie „das aufständische Frankreich“ heißt, gelang dem Linksradikalen ein steiler Aufstieg von elf Prozent der Wählerstimmen im März zu derzeit 19 Prozent in den Umfragen. Inhaltlich sieht er einen radikalen Kurswechsel vor. Obwohl es noch extremere Kandidaten gibt, dürften seine Positionen gemäßigten Wählern und EU-Anhängern Sorge bereiten: Er ist gegen die europäische Sparpolitik und möchte die EU-Verträge neu verhandeln, den Stabilitäts- und Wachstumspakt will er abschaffen. Für den Fall, dass die anderen Mitgliedsländer nicht zu Verhandlungen bereit sind, sieht er die Lösung im Frexit. Außerdem möchte er die 35-Stunden-Woche auf 32 Stunden senken und eine 90-prozentige Einkommenssteuer ab einem Jahreseinkommen von 400.000 Euro einführen. Der wohl revolutionärste Punkt aber ist sein Ziel, die Fünfte durch eine sechste Republik mit neuer Verfassung zu ersetzen.
Marine Le Pen: Chancenlos in der Stichwahl?
Sie dürfte den meisten bekannt sein. Das Gesicht dazu findet man auf gemeinsamen Fotos mit Geert Wilders, Norbert Hofer und Frauke Petry. Die Vorsitzende des Front Nationals wird von der etablierten Politik, Journalisten und vielen Wählern als rotes Tuch im Wahlkampf gesehen. Mit rechtspopulistischen und -extremen Positionen geht sie auf Stimmenfang. Bisher erfolgreich: Experten sehen sie für die Stichwahl am 7. Mai 2017 als gesetzt. Kurz vor der Wahl liegt sie mit Macron gleichauf. Le Pen wirbt für den EU-Austritt, gegen die Globalisierung und für eine protektionistische Wirtschaft, in der die Franzosen sich auf Binnenhandel in ihrem Land konzentrieren sollen. Sie ist gegen Einwanderung, denn diese sei schädlich für das Land. Frankreich will sie reformieren und den französischen Patriotismus wiederbeleben. Auch sie hat mit Affären zu kämpfen, so hat Le Pen mit EU-Geldern Parteimitglieder bezahlt. Aktuell gibt es außerdem Untersuchungen der französischen Staatsanwaltschaft. Ihr wird vorgeworfen, Gewaltbilder verbreitet zu haben.
François Fillon: Der geschwächte Konservative
Der Politiker, der jüngst mit diversen Affären auffiel, gehört zur politischen Elite Frankreichs. Der Kandidat der Republikaner, eine Partei vergleichbar mit der CDU/CSU in Deutschland, bekleidet seit mehr als 20 Jahren immer wieder Ministerposten im Regierungskabinett. Er lebt seinen katholischen Glauben und vertritt einen wirtschaftsliberalen Kurs. Die 35-Stunden-Woche möchte er erhöhen und 500.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Diese Maßnahmen sollen dem Staatshaushalt zu Gute kommen, hier soll gespart werden. Außerdem sollen die Renten von Beamten gekürzt und die Krankenversorgung eingeschränkt werden. Fillon verpasst dem Land also einen Sparkurs mit Reformen. Das dürfte vor allem Wähler mit niedrigerem Einkommen verärgern. Was die EU angeht, gilt er als Hardliner: Er verteidigt sie zwar, möchte aber eine Stärkung des Nationalstaates erreichen und distanziert sich von Merkels Flüchtlingspolitik.
Benoît Hamon: Bedingungsloses Grundeinkommen
Diesen Kandidaten dürften wenige der Deutschen kennen. Er ist der Mann für die Parti Socialiste, der derzeitigen Regierungspartei und gehört innerhalb der Partei zum linken Flügel. Er tritt im Wahlkampf für ein bedingungsloses Grundeinkommen pro Monat, die Legalisierung von Cannabis und eine offene Flüchtlingspolitik ein. Hamon bekennt sich zur EU. Derzeit werden seine Chancen am Wahlsonntag bei ca. acht Prozent gesehen.
Weitere interessante Kandidaten
Philippe Poutou fällt auf. Und das nicht nur politisch, sondern auch optisch: Bei Wahlkampfauftritten erscheint er im Sweatshirt, bei den Fernsehdebatten weigert er sich, ein Gruppenbild mit den anderen zehn Kandidaten zu machen. Der Gewerkschafter und Arbeiter in einem Fordwerk ist der Kandidat für die Neue Antikapitalistische Partei, eine radikal-linke Strömung. Ihm werden vermutlich nur ungefähr ein Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme geben. Trotzdem hat er den Wahlkampf aufgemischt: In den Fernsehdebatten vor der Wahl führte er Le Pen vor: Er machte darauf aufmerksam, dass sie sich bei den Ermittlungen gegen sie von dem System schützen lasse, das sie kritisiere. Auch wenn seine Ansichten extrem sind, interessante Ideen hat er – so plädiert er für die Ausweitung der EU-Freizügigkeit für alle und die Abschaffung jeglicher Grenzen. „Ein Planet ohne Grenzen wie früher wäre ein sozialer und humanitärer Fortschritt.“
Jean Lassalle kann in der politischen Mitte eingeordnet werden. Auch er wirbt ähnlich wie viele andere Kandidaten für die (finanzielle) Selbstbestimmung Frankreichs und möchte aus der NATO austreten. Wie Poutou liegen seine Umfragewerte bei ein Prozent. Bis hierhin also alles recht unspektakulär. Was ihn aber besonders macht: Im Januar dieses Jahres hat er sich mit Bachar el-Assad zum zweiten Mal in Syrien getroffen. Auf Nachfrage von Journalisten wollte er seine Meinung zur derzeitigen Situation in Syrien nicht abgeben. Als französischer Wähler stellt man sich die Frage, was für (gefährliche?) enge Beziehungen er zu dem Diktator hat und ob er tatsächlich so unbescholten ist, wie er zu sein scheint.
Von bösen Eliten und der verhassten EU
Wen soll ich wählen? Ich stelle fest, es gibt keinen einfachen Kandidaten. Zwei Dinge überraschen mich. Erstens: Fast alle Kandidaten scheinen entweder in Skandale verwickelt zu sein, im Widerspruch zu ihren Aussagen zu stehen oder sehr extreme Positionen zu vertreten und zum Teil – wie bei Le Pen – auch alles zusammen. Dass Politiker in Skandale verwickelt oder korrupt sind, hat in Frankreich mittlerweile zu einem regelrechten Elitenhass in der Politik geführt. Ähnlich wie in den USA sehnen sich die Menschen nach etwas Neuem, nach ehrlichen Politikern, die ihr Volk nicht von oben herab als Objekt ihrer Macht betrachten. Nach den Amtszeiten von Hollande und Sarkozy, die viele Wahlversprechen unerfüllt ließen, zweifeln die Bürger noch dazu an den Fähigkeiten ihrer politischen Klasse. Deshalb erfahren Parteien wie der Front National und auch Linkspopulisten im Moment größeren Zulauf. Ihre Argumentation dabei ist so klar wie einfach: „Ich bin die Alternative, das Gegenteil vom bisherigen System. Ich will etwas Neues schaffen und das alte System abschaffen.“ Vor allem Le Pen argumentiert auf diese Weise und Macron verspricht „Erneuerung“. Dabei wird eines gerne außen vorgelassen: Die meisten Kandidaten sind selber Treiber der Systems, gegen das sie wettern. Sechs der elf Kandidaten sind Absolventen von Elite-Universitäten, darunter auch Le Pen. Der einzige Spitzenkandidat der tatsächlich damit argumentieren könnte, sich gegen die Elite zu stellen, ist der linksextreme Jean-Luc Mélenchon.
Zweitens überrascht und schockiert es mich, wie stark der Wunsch, die EU zu verlassen, unter den Kandidaten vertreten ist: Die Anzahl der EU-Befürworter und Ablehner ist ungefähr gleich hoch. Während Le Pen und Mélenchon sich klar zum Frexit bekennen, sind es bei einigen anderen Kandidaten Ausdrücke wie „mehr Souveräntität für Frankreich“, „ein starker Nationalstaat“ oder der Parteienhintergrund, der etwas netter verpackt zum Ausdruck bringt, in welche Richtung es unter ihrer Führung ginge. Vielleicht nicht immer direkt hin zu einem Austritt, aber zumindest zu einer ablehnenderen Haltung gegenüber der EU. Ich habe mich gefragt: Sind denn wirklich so viele Franzosen gegen die EU und wenn ja – wieso? Das Problem ist vielschichtig. Aber zunächst einmal ist die Mehrheit der Franzosen der EU positiv zugewandt oder ihr zumindest nicht abgeneigt. Das ergab eine Studie Ende März 2017 von CSA-La Croix. Demzufolge möchten 66 Prozent der Franzosen in der EU bleiben. Für einen Frexit positionieren sich 28 Prozent. Allerdings scheinen sich viele französische Bürger mehr staatliche Souveränität und Autonomie zu wünschen. Das Land kämpft mit den Sparauflagen der EU, um die Vorgaben des Wachstums- und Stabilitätspakts zu erfüllen. Dabei sehen Politiker wie Hamon die Schuld bei den Deutschen: „Die Deutschen wollen die Sparpolitik, denn sie profitieren davon am meisten.“
Die Franzosen sind nicht die einzigen, die sich mehr Selbstständigkeit und auch mehr Demokratie in der EU wünschen. Vielleicht ist es nun an der Zeit, das anzugehen. Denn ohne Frankreich ist die Existenz einer Europäischen Union schwer vorstellbar, das Land ist einer ihrer Grundpfeiler. Vielleicht sollte die Einstellung der Kandidaten zur EU aus diesem Grund eine hohe Priorität bei der Entscheidung der Stimmvergabe haben. Macron ist derjenige, der sich am klarsten zu dem Bündnis bekennt und es fördern will. Grexit, Brexit, Frexit – wir haben gesehen, wie schnell aus Szenarien Realität werden kann. Eine Stichwahl zwischen Le Pen und Mélenchon wäre in dem Aspekt für alle Proeuropäer eine Katastrophe – beide wollen aus dem gemeinsamen Projekt aussteigen. Populisten wie Le Pen nehmen Attentate wie das auf den Champs Élysée zum Anlass, gegen Immigranten, gegen die EU-Grenzkontrollen und den Schengen-Raum zu hetzen. Verständlich, dass die Franzosen bei dem Thema Sicherheit besonders sensibel sind – die Terroranschläge in den vergangenen zwei Jahren haben ihre Spuren hinterlassen. Aber genau deshalb müssen die Menschen darauf achten, dass die Verunsicherung sie nicht in die Arme der Populisten treibt.
Wem ich am Sonntag meine Stimme gebe, das weiß ich noch nicht. Was ich aber weiß: Es ist wichtig, nicht den extremen Rändern das Feld zu überlassen. Deshalb ist das Wählen an sich das Entscheidende – und wenn man im Zweifel gegen das wählt, was man am wenigsten möchte. Auch viele meiner Verwandten und Freunde in Frankreich sind so kurz vor der Wahl immer noch unentschlossen, einige auch ratlos, ja geradezu frustriert über die Kandidaten, die zur Verfügung stehen.
Gilles
Hallo Maria,
vielen Dank für deine Artikel.
Ich habe ein paar Anmerkungen/Fragen:
1) Du schreibst “Sechs der elf sind eher unbedeutend, da sie Prognosen zufolge jeweils maximal ein Prozent der Wähler für sich gewinnen können.” Hättest du nicht Nicolas Dupont-Aignan vergessen? https://bundestagswahl-2017.com/frankreich-wahl-2017/ Das ist ein Kandidat zwischen Fillon und Le Pen.
2) Über “In Frankreich existiert, anders als hier in Deutschland, keine Fünf-Prozent-Hürde für Parteien und Kandidaten, die zur Wahl antreten möchten.”, dieser Wahl ist nur um den Präsident zu wählen, die Abgeordneten werden später in Juni gewählt (11. und 18. Juni).
3) Über Marine Le Pen, “Mit rechtspopulistischen und -extremen Positionen”. Sie will Souveränität: eigene Währung, eigenen Grenzen, eigene Zemtralbank. Das hatten wir (ich bin Franzose) vor die EU, und das haben die meisten Länder in der Welt immer noch, insbesondere die Länder mit wem man sich vergleichen kann: USA, China, Japan, India, Brasil, Canada, Südkorea, Australia, Mexico. Also theoretisch gesehen hat EU extremen Positionen, im Sinne von nicht verbreite in der Welt. Und Marine Le Pen hat eher normalen Positionen. Oder meinst du das USA, China, Japan, India, Brasil, Canada, Südkorea, Australia, Mexico haben auch rechtspopulistischen und -extremen Positionen?
4) “Auch sie hat mit Affären zu kämpfen, so hat Le Pen mit EU-Geldern Parteimitglieder bezahlt.”Es ist natürlich in sich selbst nicht illegal oder schlecht Parteimitglieder als Mitarbeiter einzustellen, wenn sie wie anderen Mitarbeiter arbeiten. Das machen wahrscheinlich alle Abgeordnete. Diese Geschichte dauert seit mehrere Jahre und zeigt wie das EU-Parlament sich verhält mit politische Feinde. https://www.tagesschau.de/ausland/lepen-eu-zahlungen-101.html Es gab kein Prozess, also keine Möglichkeit sich zu verteidigen, aber “werden ihr ab März nur noch die Hälfte ihrer Abgeordnetendiäten und Pauschalen ausgezahlt.” Und sie sagen nicht das die Mitarbeiter nicht für EU gearbeitet haben, sondern “Diese arbeitete nach Erkenntnissen der EU-Antibetrugsbehörde Olaf in Wirklichkeit VORWIEGEND für die rechtsextreme Partei Front National in Frankreich und nicht für das EU-Parlament.” So was ist super schwer zu beweisen. Dafür braucht man einen Prozess. Das klingt nicht sehr demokratisch.
Viel Spaß mit dem Wahl!
Maria Bravo
Hallo Gilles,
1. Du hast völlig Recht, den habe ich beim Schreiben des Artikels in der Tat vergessen – danke für den Hinweis. In Umfragen lag er bei ca. 4 % und laut vorläufigem Ergebnis hat er ja nun 4,8 % erreicht, also nicht unbedeutend.
2. Das war wohl etwas missverständlich. Es sollte nicht so rüberkommen, als seien dieses Wochenende auch Parlamentswahlen gewesen. Dass die erst später sind, ist mir bewusst.
3. Aus Sicht von Europäern, die sich für die EU aussprechen, finde ich, dass man ihre Positionen sehr wohl als rechtsextrem einordnen kann. In Bezug auf ihre wirtschaftlichen Ideen – also Frexit, eine eigene Währung und eine eigene Zentralbank – kann man vielleicht sagen, dass diese Positionen nicht rechts sind, sondern ‚nur‘ extrem im Sinne von “am äußersten Rand” und „radikal“ im Hinblick auf das Bündnis, in dem wir leben. Denn der Austritt aus der EU wäre eine radikale, extreme Veränderung – ich denke da sind wir uns einig.
Die von dir aufgeführten Staaten kann man in dem Sinn nicht als extrem bezeichnen, als dass es dort keine Union aus verschiedenen Ländern gibt, die auf eine gemeinsame Geschichte und auch auf eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung zurückblicken wie es Europa tut, soweit mir das bekannt ist. Von daher stellt sich in diesen Staaten auch nicht die Frage, mit so einem Bündnis (das den größten Binnenmarkt weltweit darstellt) zu brechen und wie dieses Vorgehen oder diese Idee einzuordnen wäre.
Nichtsdestotrotz würde ich Le Pen, die betende Muslime als „Gruppe, die wie Karnickel auf dem Boden hockt“ bezeichnet, sich nicht nur einmal für die Todesstrafe ausgesprochen hat und die gegen Einwanderung und die „Islamisierung Frankreichs“ ist, immer als rechtsextrem bezeichnen (vgl. mit: http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/marine-le-pen-geert-wilders-rechtsextreme-parteien-europa/komplettansicht). Sie hat vor ca. zwei Wochen die Beteiligung Frankreichs an der Verfolgung von Juden im 2. Weltkrieg geleugnet, was sie in kein besseres Licht rückt.
4. Dass vermutlich viele Abgeordnete so handeln, macht es nicht besser. Jemand der sich für das Präsidentenamt aufstellen lässt, sollte sich nicht so verhalten – ich zumindest würde keinen/keine Präsidenten/in wollen, die öffentliche Gelder missbraucht.
Du schreibst es gibt keinen Prozess – es wurde in der Sache aber ermittelt und sie wurde im Februar zu einer Aussage aufgefordert (vgl.mit: http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/europaeisches-parlament-marine-le-pen-verliert-immunitaet). Das allerdings lehnte sie ab. Sie hätte also die Möglichkeit gehabt, sich zu verteidigen, bevor die Gelder gekürzt wurden. Es ist also vielleicht schwer ihre Schuld zu beweisen, aber sie hat nichts dafür getan, ihre eventuelle Unschuld in dieser Sache darzulegen.