Kurz vor den Präsidentschaftswahlen ist die Stimmung im französischen Volk angespannt. Jeder zehnte Franzose ist arbeitslos und seit 2015 fielen 230 Franzosen Terroranschlägen zum Opfer, so viele wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Beneiden kann man den zukünftigen Präsidenten um seine Aufgaben nicht. Er muss dringend Lösungen finden für die schwache Wirtschaft, wachsende soziale Ungerechtigkeit, Korruption innerhalb der Politik und die brisante Sicherheitslage.

Das Amt des französischen Präsidenten
Für Deutschland gilt Frankreich als wichtigster Partner in der Europäischen Union. Oft können die beiden Länder ihre Ziele durchsetzen, indem sie zusammenarbeiten. Das ist eine der Gründe für die enge Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland. Trotzdem gibt es erhebliche Unterschiede zwischen dem französischen und deutschen Politik-System. Der Präsident Frankreichs ist vergleichbar mit dem deutschen Bundeskanzler. Allerdings wird der französische Präsident direkt vom Volk gewählt und nicht wie in Deutschland vom Parlament. Außerdem verfügt er über stärkere Macht, er ist nicht wie in Deutschland dem Parlament verantwortlich, sondern dem Volk. So kann er beispielsweise die Nationalversammlung auflösen.
Damit ein Kandidat tatsächlich Präsident werden kann, muss dieser mit absoluter Mehrheit gewählt worden sein, das heißt 50 Prozent plus eine Stimme. Voraussichtlich wird kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen. Politikforscher erwarten ein Vierer-Rennen zwischen Marine Le Pen, Emmanuel Macron, François Fillon und dem YouTube-Star Jean Luc Mélanchon. Nur wenig Hoffnung auf die Präsidentschaft kann sich Benoît Haman, der Kandidat der sozialistischen Partei, machen. Nach Wahlprognosen wird er nur 11 bis 15 Prozent erreichen. Die Wahl zeigt: Das Volk will mit der jetzigen Politik brechen und frischen Wind in der französischen Politik.

Emmanuel Macron
Frisch im politischen Geschehen ist Emmanuel Macron. Durch seinen Beruf als Investmentbanker wurde er innerhalb von vier Jahren zum Millionär. Danach stand er Hollande als Wirtschafts- und Finanzminister zur Seite, bis er 2016 seine eigene Partei names „En marche!“, auf Deutsch: „Vorwärts!“, gründete. Der Name steht für einen seiner Grundgedanken: Macron möchte die Blockaden in der französischen Gesellschaft entfernen und den vermeintlichen Stillstand in Frankreich durch ein „Vorankommen“ ablösen.
Seine Partei positioniert er in der Mitte. Der 39-jährige ist ein Befürworter der Europäischen Union und wirbt in seinem Wahlprogramm für eine bessere europäische Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik. Außerdem befürwortet er TTIP und CETA. Die wirtschaftliche Lage soll durch die Abschaffung der 35-Stunden-Woche verbessert werden. Er fordert, dass das Renteneintrittsalter von dem Beruf der Erwerbstätigen abhängt. Investieren möchte er in Erneuerbare Energien und Bildung, während er Stellen im öffentlichen Dienst streichen will. Die Sicherheit möchte er durch neue Arbeitsplätze in der Polizei und die Schaffung neuer Gefängnisplätze erhöhen.
Emmanuel Macron polarisiert schon jetzt in der französischen Politik, schließlich ist er ein Quereinsteiger und für eine Kandidatur noch sehr jung. Da passt er nur allzu zu gut, dass er mit seiner wesentlich älteren Lehrerin aus der 12. Klasse verheiratet ist.

Marine Le Pen
Ein alter Hase in der Politik ist hingegen Marine Le Pen. Schon ihr Vater Jean-Marie Le Pen war Vorsitzender der rechtsradikalen Partei „Front National“. Er wurde unter Vorsitz seiner eigenen Tochter 2011 ausgeschlossen. Seine Parolen passten nicht zu dem neuen gutbürgerlichen Image, das Marine Le Pen anstrebt.
In Umfragen erreicht „Front National“ Spitzenwerte von 26 Prozent. Die Mitglieder sprechen sich gegen das Adoptions- und Heiratsrecht von homosexuellen Paaren aus und halten an der Atomenergie fest. Außerdem fordert Marine Le Pen einen Austritt aus dem Schengener Abkommen. Als Folge würde jeder Einreisende, auch Europäer, wieder an den nationalen Grenzen kontrolliert werden.
Der „Front National“ möchte, dass sich Frankreich auch hinsichtlich der Währung von der Europäischen Union entfernt. So will die Partei den Euro durch eine nationale Währung ersetzen. Außerdem soll die Regierung die Einwanderungen stärker kontrollieren, sodass Frankreich nur noch auf 10.000 Asylbewerber im Jahr kommt.

François Fillon
Marine Le Pen will die Wirtschaft ebenfalls durch die Abschaffung der 35-Stunden-Woche stärken. Das befürworten demnach nicht nur sie und Marcron, sondern auch François Fillon, der Kandidat der konservativen Partei „Les Republicains“. Er ist wie auch Marine Le Pen kein Neuling in der Politik, da er schon als Premierminister unter Nicolas Sarkozy gearbeitet hat.
Er gilt als wirtschaftsliberal und möchte das Kündigungsschutzgesetz der Arbeitnehmer lockern und das Renteneintrittsalter erhöhen. Sein politisches Vorbild ist Margaret Thatcher, eine britische Politikerin und Premierministerin von Großbritannien in den 1980ern. Von dem britischen Volk wird sie auch die „Eiserne Lady“ genannt, weil sie eine konsequente Linie verfolgte, als sie die britische Wirtschaft liberalisierte.
Mit seinem konservativen Programm konnte Fillion zuerst Stimmen aus dem Lager des „Front National“ abgewinnen und lag in dem Umfragewerten vor Macron. Dann sanken seine Umfragewerte wieder, denn gegen den Kandidaten ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der Veruntreuung von öffentlichen Geldern. François Fillon soll seine Frau als Assistentin scheinbeschäftigt haben. Doch das ist nicht der einzige Skandal, der seinen Wahlkampf beeinträchtigt. Fillion hat eine Uhr im Wert von 15.000 Euro in seiner Amtszeit als Premierminister unter Nicolas Sarkozy, von einem Geschäftsmann angenommen. Er selbst forderte in derselben Zeit allerdings seine Minister dazu auf, solche Geschenke dem Staat zu übergeben. Eine Regel, an die er sich selbst nicht hielt. Seine Kandidatur will er deswegen nicht zurückziehen, obwohl seine Umfragewerte ständig sinken.

Jean-Luc Mélanchon
Als Gegenpart zu Fillion und Le Pen kann man wohl den Kandidaten Jean-Luc Mélenchon bezeichnen. Sein Programm ist linker als das der sozialistischen Partei. Ein Grund, weshalb er von der kommunistischen Partei PCF unterstützt wird. Allerdings ist Mélanchon kein Kommunist, vielmehr will er die Demokratie verteidigen, indem wieder das Volk die französische Politik bestimme und nicht die wirtschaftlichen Eliten.
Mélanchon wird von der politischen Gruppe „La France insouime“ unterstützt. Das bedeutet auf Deutsch: „Das rebellische bzw. widerspenstige Frankreich“. Die Gruppe betont allerdings entgegen vieler Annahmen, dass es sie keine Partei ist, sondern lediglich als Organisation Mélanchon unterstützt.
Mélanchon setzte bei der Entstehung seines Wahlprogramms auf das Internet. Die Anhänger der Gruppe konnten im Internet Vorschläge für das Programm von Mélanchon machen. Die wichtigsten Punkte wurden dann im nächsten Schritt durch Online-Wahl ausgesucht.
Mélanchon will als Präsident eine neue Verfassung erlassen und die sechste französische Republik ausrufen. Innerhalb dieser „Mini-Revolution“ soll Frankreich auch aus den europäischen Verträgen und der NATO austreten.
Seine politischen Ansichten macht Mélanchon jedoch nicht erst seit den Wahlkämpfen kund. Er selbst betreibt den meistbesuchten YouTube-Kanal, mit dem er seine politischen Ansichten und Modelle erklärt. Der Kanal hat 14 Millionen Abonnenten, sein Einfluss ist folglich nicht zu unterschätzen.

Benoît Hamon
Wenig politischen Einfluss hat Benoît Hamon aus der sozialistischen Partei, die den jetzigen Präsidenten Hollande stellt. Seine Chancen sind wie seine bisherigen politischen Erfolge gering. Vier Monate war er unter dem Präsidenten Hollande Bildungsminister, bis er das Amt aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit Hollande aufgeben musste.
Viele Sozialdemokraten seiner Partei stehen nicht hinter dem Kandidaten, da für sie sein Programm zu links sei, so fordert er ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.300 Euro. Darüber hinaus will er die Arbeitszeit der Franzosen senken und die Rechte der Gewerkschaften demgegenüber stärken. Die Drogenkriminalität will er durch die Legalisierung von Cannabis entschärfen.
Da Frankreich und Deutschland gerade in der Europäischen Union zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen, ist die Wahl auch für Deutschland wichtig. So bestimmt der zukünftige Präsident nicht nur die zukünftige Politik in Frankreich, sondern auch welcher Wind zukünftig in Europa weht.
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