Wie sollte unsere Gesellschaft mit geflüchteten Menschen umgehen? Welche Haltungen braucht es, um der Flüchtlingskrise zu begegnen? Antworten bietet eine Sammlung an Texten von Papst Franziskus. Ein Bericht von Benedikt Bögle.
Papst Franziskus ist für seine einprägsamen Formulierungen bekannt. Wann immer ihm ein Thema besonders am Herzen liegt, wählt er Worte, die ins Ohr gehen und im Kopf bleiben. Berühmt etwa wurde seine Aussage, die Kirche sei keine Zollstation (Evangelii Gaudium 47), mutig, was er in Palermo sagte: „Man kann nicht an Gott glauben und gleichzeitig ein Mafioso sein!“ Ein Mann deutlicher Worte – das wird nun auch in einem Sammelband deutlich, der bei Patmos erschienen ist: „Papst Franziskus: Habt keine Angst. Geflüchteten und Migranten begegnen“.
„Wo ist dein Bruder, dessen Blut zu mir schreit?“
Der Band versammelt verschiedenste Aussagen des Papstes, aus schriftlichen Grußbotschaften und Lehrschreiben wie auch aus Predigten und kurzen Ansprachen. Ein Thema durchzieht diesen Band wie ein roter Faden: Der christliche Blick auf die vertriebenen und geflüchteten Menschen. Dabei macht der Papst deutlich, dass die Verantwortung für die Fluchtursachen nicht einfach beiseite geschoben werden darf. So sagte Papst Franziskus etwa 2013 auf der Insel Lampedusa: „Wer ist der Verantwortliche für das Blut dieser Brüder und Schwestern? Niemand! Wir alle antworten so: Ich bin es nicht, ich habe nichts damit zu tun, es werden andere sein, sicher nicht ich. Aber Gott fragt einen jeden von uns: »Wo ist dein Bruder, dessen Blut zu mir schreit?«
„Migranten und Flüchtlinge sind keine Figuren auf dem Schachbrett der Menschheit“
Papst Franziskus plädiert beständig dafür, das Schicksal der geflüchteten Männer und Frauen, die Menschen hinter den reinen Zahlen zu sehen: „Migranten und Flüchtlinge sind keine Figuren auf dem Schachbrett der Menschheit. Es geht um Kinder, Frauen und Männer, die aus verschiedenen Gründen ihre Häuser verlassen oder gezwungen sind, sie zu verlassen, Menschen, die einen gleichen legitimen Wunsch haben, mehr zu lernen und mehr zu besitzen, vor allem aber mehr zu sein“, schrieb der Heilige Vater zum Welttag des Migranten und Flüchtlings 2014. Die Forderungen eines menschenwürdigen Lebens der Flüchtlinge und die notwendigen Schritte für die Gesellschaft skizziert er anhand von vier Verben: aufnehmen – schützen – fördern – integrieren.
Wortschatz der Politik
Dies seien die Verben, „mit denen die Kirche in dieser Migrationssituation ihre Mutterschaft in der heutigen Geschichte konjugiert“, so der Papst 2019 in Panama. Man wird hinzufügen dürfen: Diese vier Verben sollten auch in der Politik und der gesellschaftlichen Diskussion an Beachtung gewinnen. Die im vorliegenden Band gesammelten Äußerungen zu Flucht und Migration zeichnen sich durch ihre unnachgiebige Härte im Plädoyer für mehr Mitmenschlichkeit aus. Gleichzeitig weiß der Papst, dass er kein Politiker ist, und enthält sich daher konsequent ganz konkreten, politischen Forderungen.
Gleichzeitig lesen sich seine Äußerungen als Appell an die westliche Gesellschaft, die das Flüchtlingsproblem gerne von sich weisen würde – und dabei allzu oft auch vergisst oder bewusst missachtet, dass viele der Fluchtgründe durch eben diese westliche Gesellschaft zumindest mitverursacht sind. Es gilt, was der Papst mit Blick auf Donald Trump 2016 sagte: „Ein Mensch, der nur daran denkt, Mauern zu errichten, wo auch immer, und nicht Brücken zu bauen, ist nicht christlich.“
Papst Franziskus: Habt keine Angst. Geflüchteten und Migranten begegnen. Mit einer Einleitung von Michael Czerny SJ
Patmos 2019, 168 Seiten, EUR 18
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