Ein Arzttermin und schon steht fest: Das muss operiert werden. Die Überweisung zum nächsten Facharzt ist schnell unterschrieben. Und nun? Viele Menschen vertrauen den Ärzten blind und legen sich unters Messer. Doch ist das in jedem Fall so gut? Gibt es nicht vielleicht Alternativen?

Fast 470.000 Operationen an jungen Erwachsenen zwischen 20 und 25 Jahren im Jahr 2015. Eine für mich unfassbare Zahl. Jeder Zwölfte in dieser Altersgruppe in Deutschland muss also unters Messer. Dabei sind doch Menschen gerade diesen Alters voller Energie, in Action und streben nach Erfolg. Natürlich gilt auch hier: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, aber niedriger werden die Zahlen dadurch sicher nicht. Leider ist durch Statistiken auch nichts darüber gesagt, ob die Operation nun im jeweiligen Fall notwendig war oder nicht.
Muss denn das sein?
Um euch aber zu zeigen, dass man in dieser Hinsicht sehr vorsichtig sein sollte, berichte ich euch nun über zwei Fälle, in denen unterschiedliche Ärzte operieren wollten, obwohl es im Nachhinein völlig sinnfrei gewesen wäre.
Es ist das Jahr 2013, ich stand kurz vor dem Abitur und meine Handgelenke schmerzten so stark, dass ich sie kaum noch bewegen konnte. Schreiben – Fehlanzeige! Ein paar Monate vor dem Abitur, das ja zum größeren Teil schriftlich zu absolvieren ist, ein riesiges Problem. Also auf zum Arzt, der konnte nichts finden und schickte mich weiter. Es wurde abgetastet, geröntgt und zu guter Letzt ging es in die Röhre – eine Kernspintomographie schien notwendig. Dabei kam dann raus, meine Handgelenke sind nicht 100-prozentig so, wie sie sein sollten (ahja, weil ja die meisten Menschen normgetreu „gebaut“ sind) und müssten beide operiert werden, so schnell wie möglich. Mittlerweile waren bis zum Abi nur noch ein paar Wochen Zeit.
Mit dem Gedanken an zwei aufgeschnittene Handgelenke und noch dazu vor dem Abi (das ich natürlich so nicht hätte schreiben können, da ja erstmal ein Termin zum Aufschneiden gefunden werden müsste und das Ganze wieder heilen muss) war ich so gar nicht glücklich. Durch den Tipp einer Bekannten kam ich – ein Schreck für viele Ärzte – zu einem Osteopathen. Hiermit meine ich keineswegs sogenannte Quacksalber, die einen zehn Minuten auspendeln und man sofort geheilt nach Hause schwebt, sondern echte, von der Krankenkasse unterstützte Osteopathen, die ihr Handwerk verstehen. Und dieser fand heraus, dass die Schmerzen in meinen Handgelenken vom Rücken kamen, wahrscheinlich wegen einer ungünstigen Haltung während des Lernens und in der Schule. Nach ein paar Behandlungen des Rückens waren die Schmerzen fast weg und auch das Schreiben ging wieder ohne Probleme – und das sogar noch pünktlich vor Beginn des Abiturs. Bis heute, also vier Jahre danach, hatte ich keine Schmerzen mehr in den Handgelenken, die OP wäre also völlig umsonst gewesen.
Kein Einzelfall
Ein ähnliches Spielchen begann vor ein paar Wochen. Ich musste ganz normal zur Kontrolle beim Zahnarzt, der meinte, mein Biss wäre ja nicht exakt aufeinander und fragte, wie ich denn überhaupt essen könne (was einwandfrei funktioniert). Es folgte die sofortige Überweisung zum Kieferorthopäden mit dem Hinweis, dass eine Operation notwendig wäre. Diesmal wollte ich das Hick Hack mit Röntgen etc. nicht wieder mitmachen und suchte gleich die Osteopathie-Praxis auf. Und was kam dabei raus? Kiefermuskelverspannung aufgrund von Zähneknirschen in der Nacht. Also Lockerungsübungen (die man übrigens auch selbst machen kann) und schon war wieder alles in Ordnung. Der Kieferorthopäde riet übrigens im Nachhinein auch von einer OP ab.
Zwei Einzelfälle, die dummerweise mich erwischt haben? Keineswegs. Schon 2014 ging das Thema „unnötige Operationen“ durch die Medien. Anscheinend hat sich seitdem aber nicht viel verändert. Aus Geldgründen werden mehr Operationen durchgeführt, als nötig sind. N24 schreibt von fast 60 Prozent mehr Bandscheibenoperationen seit 2005, obwohl laut Experten einer NDR Dokumentation durch Krankengymnastik und Rückenstärkung 80 Prozent der Eingriffe nicht durchgeführt werden müssten. Auch der focus berichtete vergangenes Jahr über überflüssige OPs. Jeder fünfte Deutsche wird demnach pro Jahr operiert. Manche davon schaden sogar oder sind komplett unnötig. Die Zahlen sind steigend. Besonders achtgeben sollte man bei Knie-, Hüft- und Rücken-OPs.
So prüfst du die Notwendigkeit ärztlicher Maßnahmen
Da ich keinem von euch ähnliche Erfahrungen wünsche, sind hier ein paar Tipps, um herauszufinden, ob eine OP wirklich nötig ist. Ich spreche hier ganz klar nicht von Operationen wie beispielsweise an Krebsgeschwüren oder Fehlbildungen, die starke Schmerzen verursachen. In solchen Fällen ist es natürlich gut, dass wir die Möglichkeiten haben, etwas operativ zu verändern und zu verbessern.
Tipp 1: Ärztemarathon
Auch wenn es sehr zeitaufwendig ist, solltest du auf jeden Fall mehrere Ärzte aufsuchen und zu deinem Problem befragen. Diese sollen dir auch ganz klar sagen, wie dringlich die OP ist und ob es Alternativen gibt. Auch ist es immer von Vorteil, wenn nicht nur der Hausarzt sein Urteil abgibt und sofort zum Chirurgen überweist, sondern unabhängige Fachärzte befragt werden.
Tipp 2: Ähnliche Fälle
Vielleicht hast du auch Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder, die ein ähnliches Problem hatten. Besonders wenn es um Schmerzen im Bereich des Rückens, der Arme oder Beine bzw. der Knie geht, gibt es einfache Übungen, die Abhilfe verschaffen können und die man einfach einmal ausprobieren kann.
Tipp 3: Alternative Medizin
Leider haben viele Menschen, wenn sie das Wort Osteopath hören, Bilder von Menschen im Kopf, die Krebs nicht erkennen, die Menschen trotzdem behandeln und dann sterben lassen. Dazu gab es schon genug Dokumentationen im Fernsehen, Radiosendungen und Zeitungsartikel. Aber wie es meistens so ist, hört man hier vor allem von den schwarzen Schafen. Die gut ausgebildeten Osteopathen können aber in der Tat bei Problemen des Bewegungsapparats und auch psychisch bedingten Problemen (z.B. Stress, stressausgelöste Schmerzen) helfen. Deine Krankenkasse oder auch manche Ärzte oder Orthopäden können dir helfen, eine seriöse Praxis zu finden.
Tipp 4: Gesunde Ernährung – Bewegung – Freizeit
Körper und Geist gehören zusammen und deshalb solltest du vorbeugend und unterstützend darauf achten, wie du dich ernährst, dich gesund bewegst und wie du deine Freizeit gestaltest. Hierzu musst du weder vegan leben noch jeden Tag joggen gehen. Ein Anfang wäre es schon, nicht jeden Tag nach Schule oder Arbeit einen Burger zu essen. Auch gesunde Bewegung heißt bei jedem Menschen etwas anderes, denn mit Rücken- oder Knieproblemen wäre Jogging eher kontraproduktiv. Stattdessen tut es auch ein Spaziergang und ein paar Entspannungsübungen. Auch insgesamt sollte man darauf achten, Stress abzubauen, also früh genug losfahren zu Schule/Arbeit, vorher überlegen, was man am Abend essen möchte und einfach mal eine halbe Stunde am Tag für sich selbst Zeit haben. Schon solche Kleinigkeiten können helfen.
Sollte sich keine Besserung einstellen bzw. mehrere Ärzte unabhängig voneinander zu einer Operation raten, dann sollte man sich auch auf diese verlassen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wenn die oben genannten Tipps nur von ein paar von euch beherzigt werden, so manche OP vielleicht nicht mehr notwendig sein wird.
Zum Nachlesen der Zahlen:
Statistisches Bundesamt: https://service.destatis.de/bevoelkerungspyramide/#!y=2015
Gesundheitsberichtserstattung des Bundes: http://www.gbe-bund.de
Liebe Kollegin,
Ein interessanter Artikel, mit Kritikpunkten, die sicherlich ihre Berechtigung haben.
Dennoch finde ich es nicht richtig, das Thema allzu sehr zu verallgemeinern, da ganz klar zwischen den Ursachen für eine OP entschieden werden muss.
In Deutschland wird kein Mensch zu einer Operation gezwungen, in der Regel sollte eine umfangreiche Aufklärung zu Risiken und der Warscheinlichkeit eines Erfolges durch die OP erfolgen – die Entscheidung liegt immer beim Patienten.
Ein typisches Beispiel hierfür sind die genannten Bandscheibenvorfälle: Je nach Schwere kann eine Behandlung durch Stärkung der Muskulatur und dem Korrigieren von Fehlhaltungen erfolgbringend sein, aber auch eine Operation ist eine Alternative.
So ein Eingriff birgt immer ein Risiko, hier ist allerdings auch die ENTSCHEIDUNGSFÄHIGKEIT des PATIENTEN gefragt.
“Der Wahnsinn mit dem Messer” empfinde ich als eine unberechtigte, reißerische Schlagzeile, die alle Ärzte über einen Kamm schert.
Die allermeisten Chirurgen sind sich der Verantwortung bei einer OP vollkommen bewusst – sie halten ja schließlich ein Menschenleben in der Hand.
Negative Beispiele gibt es immer, so wie es auch viele alternativmedizinische Quacksalber gibt.
Deine Tipps am Ende klingen für mich sinnvoll, gerade auch mit dem Hinweis, dass eine OP manchmal eben doch notwendig oder empfehlenswert ist.
Eine Tatsache, die generell oft vergessen wird: Auch Ärzte sind nur Menschen, viele von ihnen tun ihr Allerbestes, aber keiner kann uns unsterblich machen -zum Glück!
Liebe Grüße,
Anastasia Stark
Liebe Anastasia,
vielen Dank erstmal für deinen Kommentar.
Du hast natürlich Recht, dass bei weitem nicht alle Ärzte so agieren und einige Operationen auch sinnvoll und sogar nötig sind. Das habe ich aber auch im Artikel angemerkt. Die Zahlen sprechen nur leider trotzdem für einige unnötige OPs, ebenso wie eigene Erfahrungen.
Dein Kritikpunkt, dass die Patienten selbst entscheiden dürfen ist richtig. Ich würde dazu aber gerne noch etwas anmerken: Die meisten Patienten sehen Ärzte als Autoritäten, denen nur in seltenen Fällen widersprochen wird. Wenn ein Arzt empfiehlt eine OP durchzuführen, weil das sofortige Besserung verspricht, werden die vorher genannten Risiken von den Patienten ausgeblendet. Man vertraut in dem Fall einfach dem Wissen und der Erfahrung des Arztes.
Um aber nochmal klarzustellen: Ich bin auf keinen Fall gegen Ärzte oder ärztliche Behandlung, sondern wollte eben durch die Erfahrungen und die Tipps aufzeigen, dass man sich als Patient sehr wohl Gedanken darüber machen sollte und dann erst entscheiden. Ganz in dem Sinne “Entscheidungsfreiheit des Patienten”.
Liebe Grüße
Martina